Hamburg spielt 1:1 in Leipzig:Punkt für den Schleifer

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Einer links, einer rechts vorbei: Die Hamburger Mathenia (l.) und Papadopoulos (r.) behindern einander gegenseitig, sodass Leipzigs Bruma (hinten) zum 1:0 einschieben kann. (Foto: AP)

Das erste Resultat des harten Trainings? Der HSV erkämpft sich zum Einstand von Trainer Bernd Hollerbach in Leipzig ein Remis, freut sich über ein "Lebenszeichen" und das Ende zumindest einer Negativserie.

Von Javier Cáceres, Leipzig

In der langen Geschichte des Hamburger SV spielt auch Kalle Schwensen eine kleine Rolle. Vor geraumer Zeit wurde der schillernde Geschäftsmann mit dem markanten Schnäuzer und der charakteristischen Pilotenbrille, die er 1996 nicht mal auf einer Krankentrage abnahm, als er in einem Restaurant angeschossen worden war, vom Fach-Sender Sky zur Lage des HSV befragt. Er sei schon dafür, referierte also Schwensen, der St. Pauli ganz gut kennt, "dass man da wieder (!) knallhart die Prügelstrafe einführt", die Belegschaft "in einem Hardcore-SM-Club über den Pranger spannt" und ihnen "vierzig Hiebe" verpasst. Es hat gedauert. Aber seit dieser Woche hat der HSV einen Trainer, der Schwensens Gusto noch am nächsten kommt: Bernd Hollerbach, ein Lehrling des Schleifers par excellence, Felix Magath. Zum Einstand verdonnerte er seine neuen Schüler unter anderem zu sechs 1000-Meter-Läufen hintereinander. Ob das nun wirklich als ursächlich dafür angesehen werden kann, dass der HSV am Samstag in Leipzig punktete, sei dahingestellt. Aber die Hamburger liefen in der Summe fast fünf Kilometer mehr als die Leipziger. Und nach vier Niederlagen in Serie unter Hollerbachs Vorgänger Markus Gisdol holte der HSV beim sächsischen Champions-League-Aspiranten ein 1:1-Unentschieden. "Das war ein wichtiges Lebenszeichen", sagte der HSV-Manager Jens Todt.

Vor allem freute sich Todt darüber, dass die Mannschaft "nach einem neuerlichen Nackenschlag nicht eingebrochen" war. Denn nach nicht einmal zehn Minuten schien die Partie den Hamburgern zu entgleiten. Ein schlampiges Anspiel von Aaron Hunt erwischte den brasilianischen Mittelfeldspieler Walace, dessen Verkauf unter Gisdol noch wahrscheinlich gewesen war - einer von fünf Neuen im Team der Hamburger -, auf dem falschen Fuß; Leipzigs Kevin Kampl legte den Ball auf Marcel Sabitzer ab, der viel Zeit hatte, um ihn präzise auf Stürmer Bruma zu flanken. Der Portugiese köpfelte den Ball aus fünf Metern ins Netz, durch die Beine des verzweifelt auf die Torlinie zurückgeeilten Innenverteidiger Kyriakos Papadopoulos.

In dieser Phase "hat man gemerkt, dass die letzten Wochen an der Mannschaft nicht spurlos vorbeigegangen sind", sagte der neue Coach Hollerbach. Denn in der Tat bot Hamburg hernach nichts, was zu Hoffnung einlud. Mehr noch: Nach einem Querschläger von Papadopoulos kam Jean-Kévin Augustin frei vor Hamburgs Torwart Christian Mathenia zum Abschluss, legte den Ball aber am Tor vorbei. Mathenia durfte wieder spielen, nachdem Ex-Trainer Gisdol zuletzt auf U-21-Europameister Julian Pollersbeck gesetzt hatte.

Nach gut einer halben Stunde schaffte es der HSV, erstmals in der Partie mehr als drei Pässe aneinanderzureihen und den ersten Torschuss zu fabrizieren: Walace, Bobby Woods und schließlich Gideon Jung spitzelten den Ball auf Filip Kostic, der Leipzigs Torwart Peter Gulacsi umkurvte und aus kurzer Distanz einschob.

"Fakt ist, dass das Tor nicht hätte gegeben werden dürfen", sagt Hasehüttl zum 1:1

Das war zu diesem Zeitpunkt eine ziemlich übertriebene Belohnung für die zunächst auf bloße Zerstörung angelegte Spielweise der Hamburger. Die Leipziger beklagten überdies, dass Kostic im Abseits gestanden habe - was mit bloßem Auge kaum zu erkennen war. "Fakt ist, dass das Tor nicht hätte gegeben werden dürfen", legte sich Leipzigs Trainer Ralph Hasenhüttl fest, "ob knapp oder klar, ist egal; es geht um Ja oder Nein". Tragisch war das aus Leipziger Sicht deshalb, weil das Gegentor am Gemüt der Elf nagte - was sich in zähem und überaus einfallslosem Spielfluss äußerte. Die Probleme ließen sich auch nicht beheben, nachdem Hasenhüttl den unter der Woche erkrankten Naby Keita für Diego Demme einwechselte (58.). Im Gegenteil: Nach einer Flanke des überaus auffälligen Kostic kam Mittelstürmer Woods zentral zum Abschluss - doch Bruma blockte den Schuss ab.

Das weckte zwar den Mut der Hamburger, die längst begonnen hatten, etwas häufiger in der Hälfte der Leipziger aufzutauchen und damit den Grundstein dafür legten, dass der Punkt letztlich verdient genannt werden konnte. Richtige Chancen erspielten sie sich zunächst aber nicht - bis wieder Kostic (80.) nach einem Solo über die linke Seite allein vorm Tor von Gulacsi landete. Der serbische Angreifer schoss aber den Keeper der Leipziger aus spitzem Winkel an, statt an den wenige Minuten zuvor eingewechselten Fiete Arp abzuspielen.

Leipzig steht zwar immer noch auf einem Champions-League-Platz, hat aber nur einen Sieg aus den letzten sieben Spielen aufzuweisen. Das Problem, das die Leipziger schon seit Wochen plagt, brachte Trainer Hasenhüttl auf den Punkt: "Wir schaffen es im Moment nicht, mit Souveränität einen Vorsprung über die Zeit zu bringen." Der HSV hat keinen einzigen Sieg aus den vergangenen sieben Spielen aufzuweisen, aber trotzdem an seinen Problemen gearbeitet: Hamburg hat zum ersten Mal in dieser Saison nach einem Rückstand nicht verloren.

© SZ vom 28.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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