Hamburg erleidet 1:2:Ende zweier Serien

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Der zuletzt so heimstarke HSV verliert gegen Darmstadt, das zu den ersten Auswärtspunkten der Saison kommt.

Von JÖRG MARWEDEL, Hamburg

Uwe Seeler war nicht im Stadion. Er ist gerade erst aus dem Krankenhaus entlassen worden, weil er einen Herzschrittmacher eingesetzt bekam. Aber sein kleiner Spaß, den er darüber während der Woche machte, bekam nach dem 1:2 seines Hamburger SV gegen den Tabellenletzten Darmstadt 98 einen ernsthaften Hintergrund. Er hatte nämlich gewitzelt, einen Herzschrittmacher brauche er vor allem für den HSV. Und tatsächlich sind die Hamburger jetzt wieder in ziemlicher Bredouille, was den Klassenerhalt angeht. Dem TV-Zuschauer Seeler wird das vermutlich aber auch nicht gut getan haben.

Trotz Sieger keine Sieger: Bakery Jatta und Hamburg verlieren gegen Darmstädter, die trotz ihres Sieges die Ausgangsposition im Abstiegskampf kaum verbessern. (Foto: Stuart Franklin/Getty Images)

Gleich zwei markante Serien endeten an diesem Samstag nämlich: Der HSV beendete eine eindrucksvolle Reihe von neun Heimspielen ohne Niederlage, die Macht im Volksparkstadion bröckelt also wieder. Dafür gestatteten sie den Hessen ihre ersten Auswärtspunkte überhaupt in dieser Saison - die Gefahr eines denkwürdigen Minus-Rekords ist also gebannt.

Es wurde ja ein "Muss-Sieg" erwartet, wie HSV-Trainer Markus Gisdol es ausdrückte. Gegen eine Spitzenmannschaft wie Hoffenheim, die man kürzlich daheim 2:1 schlug, sei es leicht, als Außenseiter locker zu spielen. Aber wenn alle einen Sieg über das Schlusslicht erwarten, spiele oft der Kopf nicht mit, warnte Gisdol. "Wir waren ein bisschen gelähmt", urteilte er. Und Mittelfeldspieler Aaron Hunt glaubte für die ganze Mannschaft zu sprechen, als er sagte: "Keiner hat die Darmstädter unterschätzt. Dafür ist unsere Situation viel zu prekär."

Je länger es 0:0 steht, desto zittriger wirken die Hamburger

Aber wenn es nicht laufen will, kommt meistens auch noch Pech hinzu. In der ersten Halbzeit hätte Schiedsrichter Sascha Stegemann den Hanseaten zwei Elfmeter zusprechen können. Einmal stoppte Wilson Kamavuaka den HSVer Gideon Jung mit unlauteren Mitteln (28. Minute), einmal Patrick Banggaard den Verteidiger Mergim Mavraj (43.). Beide Male rissen die Darmstädter am Trikot, doch zweimal blieb die Pfeife stumm. Je länger es 0:0 stand, das wusste 98-Kapitän Aytac Sulu, "desto zittriger würden die Hamburger werden". So kam es, und die Folge waren zwei Gästetore. Erst kam Sulu in der 51. Minute nach einem Eckball von Mario Vranic völlig allein an die Kugel. Dadurch wurde das Zittern beim HSV noch größer. Schon zwei Minuten später spielte Mavraj einen verheerenden Fehlpass vor dem eigenen Strafraum, Vrancic passte zu Jérôme Gondorf, der wiederum brachte Felix Platte ins Spiel. Der vollendete dann zum 2:0 für die Gäste.

Darmstädter Doppelschlag: Erst trifft Aytac Sulu (Mitte) zum 1:0 gegen den HSV - zwei Minuten später lässt Platte das 2:0 für die Lilien folgen. (Foto: Daniel Reinhardt/dpa)

Kein Hamburger erreichte Normalform. Der sonst so bedächtige Kapitän Gotoku Sakai schimpfte schon früh, was das Zeug hielt. Es war ja keineswegs so, dass die Darmstädter den Gastgebern keine Chance ließen. Obwohl sie wie üblich sehr defensiv standen, "hatten wir durchaus Räume", befand Lewis Holtby. Aber besonders der umworbene Stürmer Bobby Wood war irgendwie nicht bei der Sache. Und auch die Fans trugen womöglich mit ihren Pyros zur Desorientierung bei. Schon nach drei Minuten musste der Referee die Partie wegen Rauchschwaden aus dem Hamburger Fanblock unterbrechen, weil kaum noch etwas zu sehen war. "Da haben die Fans wohl etwas falsch verstanden", sagte Kapitän Sakai, der sie in einem Offenen Brief aufgefordert hatte, alles für das Team zu geben.

Selbst das 1:2 in der Nachspielzeit machte der HSV nicht selber, es war ein Eigentor von Fabian Holland in den eigenen Torwinkel. Trotzdem jubelte Holland hinterher: "Wir sind wieder nicht abgestiegen." Wobei 98-Coach Torsten Frings in seiner Ansprache an die Mannschaft von einer Wahrscheinlichkeit "von 1:800 Millionen" auf den Nicht-Abstieg sprach. Der HSV-Keeper Christian Mathenia, der in der vergangenen Saison im Lilien-Trikot noch viel zum Klassenerhalt der Darmstädter beigetragen hatte, scheint sich aber auf das nächste Spiel am kommenden Sonntag beim Konkurrenten FC Augsburg regelrecht zu freuen: "Das ist Abstiegskampf pur", sagte er. Da kennt er sich aus.

© SZ vom 23.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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