Hallesche Werfertage:Zu aggressiv im Oberkörper

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Kein guter Tag: Der deutsche Kugelstoßer David Storl ist mit 20,63 Metern zum Saisonstart unzufrieden. (Foto: Sebastian Willnow/dpa)

Kugelstoßer David Storl gewinnt den ersten Wettkampf der Saison, übetrifft die Weite für die WM-Qualifikation - und ist dennoch unzufrieden. Auch, weil die Weltbesten derzeit in andere Weiten vordringen.

Von Joachim Mölter, Halle (Saale)

Der erste Versuch war noch ungültig, mit dem zweiten übertraf der Kugelstoßer David Storl dann aber umgehend die Weite, die der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) als Voraussetzung sieht für die WM-Teilnahme in London (4. bis 13. August). 20,63 Meter wurden für den Athleten vom SC DHfK Leipzig gemessen an diesem Samstag bei den Halleschen Werfertagen, weiter kam er nicht mehr in den restlichen vier Durchgängen.

Die 20,63 waren 20 Zentimeter mehr als der Zweitplatzierte erzielt hatte, der Australier Damien Birkinhead, und 13 Zentimeter mehr als der Verband für die WM-Nominierung verlangt. Vor allem aber waren es viel weniger als Storl von sich selbst erwartet. "Die Technik war einfach noch schlecht", haderte der dreimalige Europa- und zweimalige Weltmeister mit seinem Saisoneinstieg. Sven Lang, als Heim- und Bundestrainer quasi in Doppelfunktion für Storls Leistungen verantwortlich, gab unumwunden zu: "Das war schon enttäuschend und nicht annähernd das, was er im Trainingslager angedeutet hat."

Dort, in Südtirol, hatte Storl zuletzt immer zwei Meter zugelegt, wenn er erst aus dem Stand stieß und anschließend Schwung holte mit seiner Angleit-Technik. Am Samstag in Halle hatte er die 7,25 Kilo schwere Kugel beim Aufwärmen aus dem Stand auf 20 Meter gewuchtet, "wenn man dann im Wettkampf nur auf 20,63 kommt, spricht das nicht unbedingt für Lockerheit. Da sollte schon eine 21 vor dem Komma stehen", fand Lang und resümierte: "Er will vielleicht zu viel." Der Coach hatte jedenfalls beobachtet, dass sein Athlet den Oberkörper so aggressiv eingesetzt habe, dass die Hüfte nicht richtig hinterherkam - dadurch habe er die Kugel nicht optimal beschleunigen können.

Vielleicht glaubt David Storl ja tatsächlich, er müsse schnellstmöglich aufholen, was er zuletzt versäumt hat, und überstürzt die Dinge dabei. Im vorigen Jahr hatten ihn bekanntlich langwierige Knieprobleme zurückgeworfen, für die Verteidigung seines EM-Titels reichte es zwar noch, aber bei den Olympischen Spielen in Rio nicht mehr: Mit 20,64 Meter wurde er Siebter, erstmals in diesem Jahrzehnt brachte der 1,99 Meter große und rund 120 Kilo schwere Mann keine Medaille von einem Großereignis mit nach Hause.

Konkurrent Joe Kovacs stößt mit 22,57 Metern in einer anderen Liga

"Aber jetzt ist er wieder gesund, im Training läuft's, da hat er Werte wie 2015", berichtet sein Coach. Vor zwei Jahren stellte Storl seine persönliche Bestmarke auf, mit 22,20 Meter; seinerzeit war er in Halle (Saale) mit 21,72 in die Saison gestartet. "Das ist der Wert, an dem man sich orientieren muss", findet Sven Lang.

Womöglich hat sich David Storl am Samstag aber an einem ganz anderen Wert orientiert - an den 22,57 Meter, die der aktuelle Weltmeister und Olympia-Zweite Joe Kovacs (USA) am Donnerstag in Tucson der Konkurrenz vorsetzte. Seit Kevin Toth (ebenfalls USA) 2003 auf 22,67 Meter kam, ist weltweit kein Kugelstoßer mehr in diese Dimension vorgestoßen. "Ein großartiger Start ins Jahr 2017", kommentierte Kovacs auf Twitter.

David Storl war sichtlich bemüht, sich von dieser Leistung nicht beeindrucken zu lassen, aber sie beschäftigte ihn ja doch. Die Amerikaner würden ja häufig so früh in der Saison schon weit stoßen, vor allem zu Hause, beschwichtigte Storl. Er kann sich demnächst selbst ein Bild von Kovacs Form machen und auch von der seines Landsmannes Ryan Crouser, dem Olympiasieger. David Storl wird die beiden am nächsten Wochenende treffen beim Diamond-League-Meeting in Eugene (US-Bundesstaat Oregon). Es ist schon ein kleiner Vorgeschmack auf die WM in London.

© SZ vom 21.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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