Halbfinale im FA-Cup:Phobie vor Wembley

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Entscheidender Mann: Tottenham kommt zweimal gegen Chelsea zurück, das 3:2 durch Hazard können die Hotspur dann allerdings nicht mehr kontern. (Foto: Richard Heathcote/Getty Images)

Ein kühner Plan von Chelseas Trainer Antonio Conte entscheidet das Halbfinale gegen Tottenham. Während sich die Spurs lange austoben, stechen Contes spät eingewechselte Ausnahmekönner Eden Hazard und Diego Costa am Ende zu.

Von Sven Haist, London

Fluchtartig verließen die Fans der Tottenham Hotspur weit vor Abpfiff ihre Sitzplätze. Keiner von ihnen wollte es ertragen, die eigene Mannschaft mal wieder verlieren zu sehen im Wembley-Stadion. Noch dazu gegen den FC Chelsea, den Stadtrivalen, der den Spurs in der jüngeren Vergangenheit schon einige Niederlagen zugefügt hatte.

Auf einmal erinnerten sich die Menschen im Stadion wieder ans verlorene Ligapokalfinale im März 2015, als Chelsea den Spurs in der Debütsaison ihres Trainers Mauricio Pochettino den ersten Titel wegschnappte. Dazu die Schmähgesänge in der Vorsaison, als ein Unentschieden an der Stamford Bridge den Titelhoffnungen Tottenhams ein Ende bereitete.

Und nun, am Samstag folgte dann dieses 4:2 (2:1) Chelseas im Halbfinale des FA-Cups. Es zerstört Tottenhams Hoffnungen auf den ersten Pokalsieg seit 1991. "Wir sind sehr enttäuscht. Ich finde, dass wir mehr verdient hätten, weil wir das Spiel dominiert haben. Aber Chelsea war abgezockter als wir", sagte Pochettino. Das Bittere an der achten Halbfinalniederlage nacheinander: die psychologischen Auswirkungen auf die Entscheidung in der Meisterschaft. Zeitweise hatte Chelsea schon einen Vorsprung an der Tabellenspitze von 13 Punkten, aber Tottenhams sieben Siege nacheinander - der beste Lauf seit 1967 - und die Heimstärke an der White Hart Lane (noch ungeschlagen in dieser Saison) reduzierten den Rückstand auf nur noch vier Punkte. Das Momentum schien mit den Spurs zu sein.

Tottenham verliert schon wieder in Wembley - und muss dort künftig noch öfter ran

Mit diesem Schwung wollte Tottenham seine Phobie überwinden. Die Phobie vor Chelsea, die Phobie vor Wembley. Bloß eines der vergangenen acht Spiele hat Tottenham im englischen Nationalstadion gewonnen. Das kostete in dieser Spielzeit schon das Überstehen der Gruppenphase in der Champions League und jede Ambition in der Europa League. Die internationalen Spiele trägt der Verein im Wembley aus, weil die Umbaumaßnahmen an der eigenen Arena zu einschneidend sind. In der kommenden Saison droht das Szenario gar für jede Partie.

Die Spieler Tottenhams werden sich also ans Stadions gewöhnen müssen. Der gravierendste Unterschied besteht in der Spielfeldgröße, die Tottenhams frühes Attackieren erschwert, weil sich der Weg zu den Gegenspielern erhöht. Gleichzeitig steigert der ausgeweitete Freiraum hinter der Abwehr das Risiko vor Kontern.

Lange tobt sich Tottenham aus, dann folgt Contes taktischer Coup

Was dabei Chelsea zupass kam: Es ist ein unerfahrenes Team, das Tottenham derzeit stellt. In seinem jungen Aufgebot fand sich niemand, der in einem internationalen Wettbewerb oder zumindest in England schon einen Titel gewonnen hat. So schafften es die Spurs zumindest durch Tore von Kane (18.) und Alli (52.), jeweils das 0:1 und 1:2 durch Chelseas Willian (5./43.) auszugleichen. Aber nach dem zweiten Ausgleich konterte Chelseas Antonio Conte mit einem taktischen Coup.

Tottenham durfte sich lange austoben, das war Contes kühner Plan. Doch dann wechselte er Eden Hazard ein, der lediglich eine Viertelstunde für den vorentscheidenden Treffer (75.) benötigte. Arm in Arm stand er da mit dem ebenfalls eingewechselten Top-Stürmer Diego Costa vor den eigenen Fans, am Seitenrand drehte sich Conte zur Haupttribüne, um sich den Applaus für seine kühne Idee abzuholen, die endgültig aufging mit dem 4:2 durch Nemanja Matic (80.).

Während Chelsea in der ersten Saison unter Conte nun die Chance auf gleich zwei Titel besitzt, scheint die Misere für Tottenham auch in dieser Spielzeit weiterzugehen.

© SZ vom 23.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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