Hängende Spitze:Resturlaub und Rentenpunkte

Eine Beschäftigung als Fußballtrainer schließt nicht aus, einem ordentlichen Beruf nachzugehen, wie im Fall eines Essener Trainers. Doch dieses Geschäftsmodell hat seine Tücken.

Von Claudio Catuogno

Die Bevölkerung macht sich ein falsches Bild vom beschwerlichen Alltag des Fußballtrainers, wenn sie davon ausgeht, dass ihn Jobangebote grundsätzlich in der Penthouse-Wohnung am Central Park, beim Mountainbiken am Gardasee oder beim Golfspielen auf Kreta erreichen. Das mag vorkommen, ist aber nur bei jenen Trainern üblich, die nichts Ordentliches gelernt haben - oder die zwar etwas Ordentliches gelernt, es danach aber versäumt haben, das Gelernte in der Praxis weiter zu vertiefen. Pep Guardiola, Jürgen Klopp oder Thomas Tuchel sind Belege für diese Fehlentwicklungen am Arbeitsmarkt, aber man sollte nicht von ein paar schwarzen Schafen auf all jene schließen, die auf eine lückenlose Erwerbsbiografie Wert legen.

Der Fußballtrainer Jürgen Lucas, 45, zum Beispiel hat dereinst auf die Berufsberater vom Arbeitsamt, seine Eltern und Norbert Blüm gehört und etwas Ordentliches gelernt, deshalb erreichte ihn das Jobangebot des Traditionsvereins Rot-Weiss Essen an seinem Arbeitsplatz in einer Firma für Zahnmedizintechnik, wo er sich als Arbeitnehmer Meriten und Rentenpunkte gleichermaßen erwirbt. So gehört es sich. Wobei nun zugegebenermaßen auch ein Nachteil dieses Regelmodells offen zu Tage tritt: Nur 16 Tage nach seinem Amtsantritt musste Lucas den Regionalligisten wieder verlassen. "Meine Urlaubstage für dieses Jahr sind aufgebraucht", teilte er mit. "Ich konnte mich mit meinem Arbeitgeber nicht auf eine weitere Freistellung einigen. Ich muss jetzt Prioritäten setzen."

Essen, ein Einzelfall? Im Bundesarbeitsministerium ist man jedenfalls der Meinung, dass man zunächst den kritischen Dialog mit der Zahnmedizintechnischen Industrie suchen müsse, anstatt gleich das System des dualen Trainerwesens in Frage zu stellen.

© SZ vom 20.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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