96 hadert nach dem 1:1 -:Spuk im Kopf

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Lange geführt, viele Chancen nicht genutzt: Hannover verschenkt gegen Bremen den ersten Rückrundensieg. Die Spieler stellen ernüchtert fest: "Die Tabelle sieht für uns schrecklich aus."

Von Frank Hellmann, Hannover

Am Ende kauerte fast die komplette Viererkette auf dem Rasen. Marcelo, Miiko Albornoz und Christian Schulz hatten sich gleich mit Schlusspfiff hingelegt, frustriert die Hände über den Kopf geschlagen oder das Gesicht in den Boden gedrückt. Kollektive Fassungslosigkeit griff in der Arena am Maschsee um sich, weil Hannover 96 abermals ein befreiendes Resultat verpasst hatte. Mit dem 1:1 (1:0) gegen den SV Werder verlängerte sich die Serie des Klubs auf 16 sieglose Partien. "Es ist legitim, dass viele Leute den Kopf runternehmen. Ich hoffe, dass ich bald hier mal sitze und wir nach einem schlechten Spiel drei Punkte geholt haben", sagte der als Notretter installierte Trainer Michael Frontzeck.

Frontzeck hatte eine über lange Zeit couragierte wie engagierte Vorstellung seiner Mannschaft bezeugt, die ganz und gar nicht wie ein Abstiegskandidat antrat. Die Niedersachsen hatten vor Kurzem ein Kurztrainingslager im ostwestfälischen Harsewinkel-Marienfeld verbracht, nun spielten sie in der ersten Hälfte wie aus einem Guss, waren spielerisch wie kämpferisch fast eine Klasse besser. Keine Frage, den Bremern schmeichelte das Resultat. "Das war die schlechteste erste Halbzeit der Saison", wetterte Geschäftsführer Thomas Eichin, er ergänzte: "Das war unterirdisch. Erstaunlich, dass wir trotzdem einen Punkt holen. Und der im wochenlangen Überlebenskampf der Liga gestählte Werder-Trainer Viktor Skripnik hatte Hannoveraner gesehen, "die Zweikämpfe geführt haben, als seien es die letzten ihrer Bundesliga-Geschichte".

Wieder enttäuscht nach eigener Führung: Hannover holt gegen Bremen nur einen Punkt und hängt weiter unten drin. (Foto: Nigel Treblin/Getty Images)

"Nicht einfach, wenn man für die Leistung nicht belohnt wird"

Tatsächlich haben Hannovers Spieler Dienstleistungen wie Mut, Leidenschaft und Entschlossenheit mittlerweile wieder in ihr Portfolio aufgenommen, auch die Stimmung im Stadion ist nach der Rückkehr der treuen Fans wieder prächtig. Allein, es fehlen vorzeigbare Resultate. Als Kapitän Lars Stindl nach Vorlage des fleißigen Jimmy Briand das 1:0 erzielte (21.), schien alles auf den dringend benötigten Heimsieg hinauszulaufen. Dann ermöglichte ein Foul von Marcelo an Davie Selke den bis dahin harmlosen Gästen einen Freistoß, den Spezialist Zlatko Junuzovic in den Winkel zirkelte (78.). "Es ist nicht ganz einfach, wenn man für die Leistung nicht belohnt wird. Jeder in der Mannschaft will den Klassenerhalt, das hat man gesehen", erklärte der fassungslose Stindl. Auch sein Torwart Ron-Robert Zieler starrte lange ins Leere, ehe er sich zu einem Statement aufraffte, das er im monotonen Tonfall vortrug: "Da ist extrem bitter. Wir hätten zwei Punkte mehr benötigt, um Ruhe zu haben, um mal durchzuschnaufen. Wir werden aber weiter an uns glauben."

Die Fehleranalyse für den Ausgleich zum 1:1 dürfte sie in Hannover etwas länger beschäftigen. Edgar Prib löste sich aus der Mauer und eilte Richtung Tor, kurz, bevor Junuzovic den Freistoß ausführte. Doch anstatt den Ball zu klären, schien Prib seinen Torhüter auf der Linie zu stören. "Er hat mich nicht behindert. Der war perfekt ausgeführt", sagte der bei Freistößen durchaus anfällige Zieler, der auch sich selbst von jeglicher Mitschuld freisprach. Prib stellte etwas ratlos fest: "Ich wollte da noch hin, komme aber nicht richtig ran." Für den Linksfuß waren andere Versäumnisse schwerwiegender: "Ich weiß nicht, warum wir vorher nicht den Sack zumachen. So ein Spiel geistert einem jetzt zwei, drei Tage im Kopf herum. Die Tabelle sieht für uns schrecklich aus."

"Vor zwei, drei Monaten waren wir fast unter der Erde"

Für Frontzeck war die Schuldfrage beim verhängnisvollen Freistoß schnell geklärt: "Kein Vorwurf. Wir müssen mal akzeptieren, dass dieser Schuss - mit viel Zug - perfekt getreten war." Überhaupt habe sein Team vieles richtig gemacht - selbst die notorischen Aussetzer in der Hintermannschaft seien ausgeblieben. Und weil Frontzeck um eine positive Sicht bemüht war, sagte er noch: "Ich bin überzeugt, dass wir uns am Ende für den Aufwand belohnen." Für Sportdirektor Dirk Dufner ist zumindest "definitiv klar, dass wir am letzten Spieltag ein Endspiel gegen den SC Freiburg haben".

Zunächst aber gilt der Fokus dem Auswärtsspiel beim FC Augsburg. "Die kämpfen noch um die Europa League, das wird für uns schwer genug", gab Dufner zu Protokoll, der sich später an einem Absperrgitter aufstützte. Irgendwie hatten bei 96 alle ein bisschen Halt dringend nötig. Hannover bleibt weiterhin auf Relegationsplatz 16 stecken, an diesem Sonntag könnte sogar Paderborn vorbeiziehen. "Echt Wahnsinn, was da unten im Tabellenkeller abgeht", sagte Skripnik, er konnte sich in die Lage des Gegners durchaus einfühlen. "Vor zwei, drei Monaten", erinnerte er, "waren wir fast unter der Erde."

© SZ vom 10.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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