Greenkeeper:Es war einmal ein Platzwart

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Dem Faulen vorbeugen: Die Greenkeeper entfernen daher nach den FCA-Spielen Rasenfetzen. (Foto: MIS/imago)

Die Bundesligaklubs halten sich heute ganze Abteilungen an Greenkeepern - weil der Rasen über den Erfolg eines Klubs entscheiden kann. In Augsburg kümmert sich Arndt Valbert darum.

Von Anna Lammers

Es ist still im Augsburger Stadion, keine Fans stehen auf den Tribünen, keine Fußballer auf dem Platz. Das letzte Spiel der Saison ist gespielt, nichts ist zu hören außer der Sprinkleranlage, die das 105 mal 68 Meter große Spielfeld mit Wasser versorgt. Die Torturen der vergangenen 17 Heimspiele sind dem Rasen kaum anzusehen. Das liegt an Arndt Valbert, 48, Greenkeeper, Rasenversteher, und, das auch: Wissenschaftler fast.

Der Rasen ist die Grundlage eines Fußballspiels, er ist Spielfeld und Bühne, für Pässe, Grätschen, Tore. Manche Spieler berühren ihn andächtig, Fans nehmen ein Stück davon als Trophäe mit nach Hause. Doch wie bei einem Parkettboden bemerkt man den Rasen erst, wenn eine Macke drin ist. Wenn wie beim Testspiel der DFB-Elf gegen die Slowakei der Platz in Augsburg unter Wasser steht. Erst dann macht man sich Gedanken über den Rasen.

Arndt Valbert macht sich jeden Tag Gedanken über den Rasen, es ist sein Job. Seit dem Dezember 2015 arbeitet er beim FC Augsburg als "Head Greenkeeper" und er gehört zu den Menschen, die Wert darauf legen, dass sie im Team arbeiten. Fünf Greenkeeper sind in diesem Team, sie kümmern sich um den Rasen im Stadion, um den auf den Trainingsplätzen, um den des Nachwuchsleistungszentrums. Um neun Plätze insgesamt.

Nicht immer läuft alles rund: Im vergangenen Jahr kämpfte etwa der FC Bayern mit Pilzbefall

Vorbei sind die Zeiten, als der Greenkeper noch Platzwart hieß und die Spielfeldmarkierungen aus Kreide waren. Vorbei sind auch die Zeiten der Wasserschlacht von Augsburg. Heute liegt in der Arena Hybridrasen: eine Mischung aus Kunstfaserhalmen und Naturrasen. Alle zwei Zentimeter steckt ein Kunstfaserhalm 18 Zentimeter tief in einem Erd-Sand-Untergrund. Wenn Valbert über seine Arbeit spricht, sagt er Sätze wie: "Die Kunstfasern stabilisieren, und es gibt kaum Schäden." Es geht in seiner Welt um Spindelmäher, Vertikutierer, Aerifizierer, Besander oder Natriumdampflampen. Greenkeeping hat den Status einer Wissenschaft erreicht.

Fußfallbans kennen die Rückennummern der Spieler, sie wissen, wer wann wohin wechselte. Aber über das Offensichtlichste im Spiel, den Rasen und über die Arbeit mit ihm, weiß kaum jemand etwas. Also, Herr Valbert, was genau tun Sie eigentlich? Er sitzt auf der Tribüne des Stadions und betrachtet sein Werk. Er hatte vor Jahren Greenkeeper bei der Arbeit beobachtet und sich gedacht: "Das kann ich auch." Irgendwann fragte er nach einer offenen Stelle, besuchte Weiterbildungen und Seminare. Schon bald wurde daraus ein Vollzeit-Job, erst in München, nun in Augsburg.

Valberts Arbeit beginnt und endet mit jedem Heimspiel. "Wir haben einen langfristigen Plan für die Pflege des Rasens, aber natürlich reagieren wir täglich auf die unterschiedlichen Wetter-Bedingungen." Eine Woche vor der Partie mäht sein Team den Rasen täglich. Je öfter das geschehe, desto schöner werde das Muster, das später zu sehen sei, sagt Valbert. Durch das Mähen "stocke" der Rasen zudem, das mache ihn breiter und optimal bespielbar.

Ob Sieg oder Niederlage, sofort nach Spielende mähen Valbert und sein Team das Feld mit Handmähern. Sie entfernen die ausgetretenen Rasenfetzen, damit der Rasen nicht fault. Mit Handgabeln schließen sie Löcher oder sähen Gras nach. Im Winter müssen sie das Beleuchtungssystem ausrollen: Meterlange Gestelle mit goldgelbem Licht sind das, sie regen in dunklen Monaten das Wachstum an. Ein Wachstum, das eigentlich gegen die Natur abläuft. Denn für einen ganzjährig bespielbaren Platz ist ausgerechnet die Natur der größte Feind. Lichteinfall und Witterung sind die größten Faktoren, gegen die ein Greenkeeper-Team kämpft, mit Beleuchtung, Rasenheizung und ständiger Pflege.

Valbert weiß, dass ein Spielfeld längst nicht mehr bloß reiner Rasen, sondern ein Faktor für Erfolg ist. Es ist ein offenes Geheimnis, dass Vereine ihr Feld je nach Gegner bewässern oder stutzen. Ein feuchter und kurzer Rasen macht das Spiel schnell und ist vor allem bei Mannschaften wie dem FC Bayern oder Borussia Dortmund beliebt. Je länger und trockener die Halme, desto mehr wird der Ball gebremst und das Kurzpassspiel des Gegners verlangsamt.

Nicht immer läuft alles rund. Vergangenes Jahr im September hatte der FC Bayern wochenlang mit einem ramponierten Platz zu kämpfen. Pilzbefall machte aus dem Rasen einen Acker. Der Rasen wurde ausgetauscht. Valbert kennt die Beschwerden über den Rasen: "Wir können es nicht allen recht machen." Es ist aber schon so, dass die Plätze in den Bundesliga-Stadien über eine gute Qualität verfügen, so sagt es jedenfalls Harald Nonn, der Vorsitzende der Deutschen Rasengesellschaft: "Die Spielfelder brauchen aus meiner Sicht keinen internationalen Vergleich zu scheuen."

Das liege an der richtigen Pflege, aber auch an neuen Technologien. Der Hybridrasen gehört dazu. Daneben gibt es Dinge wie Watte und Kork im Boden, es gibt Maschinen, die Luft in den Boden pumpen sollen. Es ist nicht ganz klar, was davon Sinn ergibt und was nicht. Es geht auch ums Geld. Und trotz aller Wissenschaft, Rasenheizungen und Pflege hat auch ein perfekter Stadionrasen seine Grenzen: die Natur.

© SZ vom 08.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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