golf reisen:Seltene Eisblüten

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Beim Wintergolf in St. Moritz verlieren Minusgrade ihre Schrecken.

Als geradezu profan gilt es, in der Metropole des Wintersports die Berge lediglich auf allen möglichen Gerätschaften wie Ski, Snowboard, Bob, Rodel- oder Skeletonschlitten herunter zu fahren oder zwischen den Dreitausendern langzulaufen. In St.Moritz und Umgebung muss es schon ein bisschen mehr sein, um der Tradition und dem Ruf des Einmaligen, des Exklusiven, des Skurrilen und Außergewöhnlichen gerecht zu werden. Im Oberengadin zwischen Corvatsch, Corviglia, Diavolezza und Piz Julier wird auf Schnee Polo und Cricket gespielt. Es werden auf dem St.Moritz-See Pferderennen, Springreit-Turniere, Schlittenhunde- und Windhundrennen organisiert, um die Reichen und ihre Schönen mit teurem Amüsement bei Laune zu halten. In dieser Umgebung ist Golfen auf Schnee schon beinahe wieder normal. Die Idee stammt ausnahmsweise nicht aus England, wie so manche andere wintersportliche Schrulle in St.Moritz, sondern aus den USA. Dort hatte der ehemalige Kurdirektor Peter Kasper an einem frostigen Gauditurnier zu Weihnachten teilgenommen und die Idee in seiner Region prompt umgesetzt. St. Moritz war um eine Attraktion reicher.

(Foto: Foto: Chivas Regal)

Seit 1979 sind die kälteresistenten Unentwegten mit den Golfschlägern im Oberengadin. So zirka 100 davon, die meisten Wiederholungstäter, treffen sich an einem Wochenende im Januar zum Engadiner Wintergolf-Turnier. Da sind Fairways und Grüns eben weiß, die Bälle rot, und wenn die Sonne scheint, was sie angeblich in dieser Gegend über 300 Tage im Jahr tut, macht es tatsächlich einen Heidenspaß. Vor allem als Gast des neuen Sponsors dieses etwas anderen Wintersports, Chivas Regal, der Premium-Whisky-Destillerie, deren Image so perfekt zu St.Moritz passt. Mit einer guten Portion Hochprozentigem im Bauch als Starter für eine Neun-Loch-Runde an den Gestaden des Silvaplana-Sees, ein paar Kilometer vor St.Moritz, verlieren die 16 Minusgrade morgens um halb Zehn am ersten Abschlag viel von ihrem Schrecken. Eine Stunde später, wenn sich die Sonne über den Corvatsch erhebt und das Tal zum Glänzen bringt, stellt sich die Frage nach Sinn und Zweck der Veranstaltung nicht mehr, es ist schlicht großartig. Und es ist Golf. Richtig erfreulich, dass hier Geld eine eher untergeordnete Rolle spielt und sich Claudio Chiogna, der Direktor der Ferienregion Oberengadin, die zirka 10.000 Euro leisten kann, die es kostet, für eine Trainingsrunde und zwei Turniertage mittels Pistenraupen den Schnee so fest zu walzen, dass geriffelte Fairways entstehen und planierte, leicht angeeiste Grüns mit einer festgefrorenen Fahne in überdurchschnittlich großen Löchern.

Bald soll es eine Turnierserie für Wintergolf geben - mit einem Finale in Grönland.

Auf den neun Bahnen mit einer Länge zwischen 90 und 250 Metern lassen sich alle Eisen-Schläge, Hölzer sind unter Männern verpönt und nur Damen gestattet, relativ normal ausführen. Es wird nach den üblichen Golfregeln gespielt mit der einzigen Ausnahme: Die roten Bälle dürfen überall aufgeteet werden. Ein verzogener Schlag in den unplanierten Schnee endet unweigerlich mit Ballverlust. Gewöhnungsbedürftig und weitgehend unkontrollierbar sind lediglich die Annäherung und das Putten. Qualität im Spiel setzt sich trotzdem auch hier durch. Kaum einmal, dass ein Außenseiter gewinnt. Obwohl es natürlich Spezialisten gibt, die wissen, dass die Bälle in der dünnen Höhenluft auf 1.800 Metern weiter fliegen, besonders, wenn sie in der Hosentasche auf annähernd Körpertemperatur gebracht worden sind. Jener Schlaumeier allerdings, der mit dem Stiel des Schabers, mit dem üblicherweise das Grün nachplaniert wird, eine tiefe Putt-Linie in den Schnee zog, wurde gnadenlos disqualifiziert. Bei allem Spaß, ein bisschen Ernst möchte schon sein, wenn in St.Moritz der Wintersport seltene Eisblüten treibt. Und schließlich lockten veritable Whisky-Flaschen als Siegerpreis. Die Chivas Regal- Leute erwägen ernsthaft, das Wintergolf auch in anderen geeigneten Alpenregionen zu fördern, eine entsprechende Turnierserie ins Leben zu rufen und das Masters in Grönland austragen zu lassen, dort, wo das Golfen auf weißem Grund naturgegeben schon lange heimisch ist.

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