Golf in Eichenried:Kaymers Vertreter

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Das prominenteste Gesicht des Turniers ist verkniffen: Nach einem Schlag ins Wasser scheitert Martin Kaymer in München am Cut. (Foto: Paul Thomas/Getty Images)

Der prominenteste Golfer verlässt frustriert die BMW Open. Ins Rampenlicht rücken weniger bekannte Gesichter: Marcel Schneider ist bisher bester Deutscher, sein Start scheitert schon mal an der Internetverbindung.

Von Frieder Pfeiffer, Eichenried

Ein paar Stunden nach seinem enttäuschenden Aus hatte sich Martin Kaymer den größten Frust aus den Knochen geschüttelt. Frisch geduscht schaute er auf der Players Party der BMW International Open vorbei. Es war mehr Ablenkung als Feier nach seinem verpassten Cut im Heimspiel auf der European Tour. Das prominenteste Gesicht des Turniers zeigte sich in der Münchner Innenstadt ein letztes Mal in dieser Turnierwoche in der Öffentlichkeit, er schüttelte Hände, lächelte, hielt sich sonst im Hintergrund und versuchte im kleinen Kreis, diese "sehr, sehr frustrierenden" Ereignisse zu vergessen. Zum dritten Mal in vier Jahren scheitert er in Deutschland vor den Finalrunden.

Von außen betrachtet wird das einem zweimaligen Major-Sieger nicht gerecht. Doch Golf ist ähnlich vorhersehbar wie die Ziehung der Lottozahlen. In einem Feld mit 156 Spielern sind Woche für Woche gut 120 mit einem Schwung ausgestattet, der sie zum Sieg tragen kann. In diesem Rennen entscheiden Details. Und bei Kaymer, 30, fügen sich diese Winzigkeiten derzeit nicht zu einem passenden Ganzen zusammen. "Ausbaufähig", nennt er das. Seine zweite Runde in Eichenried am Freitag erinnerte an das einseitige Fußballspiel, bei dem der Reporter irgendwann warnt: "Wenn sie die Chancen nicht reinmachen, bekommen sie selbst noch einen rein." Kaymer verlegte auf den letzten Löchern machbare Putts zum Birdie und verpasste es so, sich ein Polster zu verschaffen. Irgendwie folgerichtig landete sein Ball am letzten Loch im Wasser. Die Folge: Bogey, Schlagverlust, das Aus.

"50 Prozent sind gut, 50 Prozent nicht - ein schmaler Grat"

"Extrem enttäuschend", ist das für Kaymer, der nun auf Monate zurückblickt, die ihn auch in Vor-Weltklasse-Zeiten nicht glücklich gemacht hätten. Seit Ende März hat er fünf Cuts verpasst und nur dreimal alle vier Runden absolviert. Die Platzierungen dabei: 56, 18, 69. Ein Jahr nach seinem Sieg bei der US Open ist Kaymer wieder dort, wo er vor dem Frühsommer 2014 war. In einer Ergebniskrise, die den Golfer auch schnell in ein Labyrinth der Schwunggedanken schickt. "50 Prozent sind gut, 50 Prozent nicht", sagt er. "Es ist ein schmaler Grat gerade." Im Golf könne sich alles innerhalb einer Woche ändern, hatte er vor acht Tagen nach seinem Aus bei der US Open doziert. Nun muss er hoffen, dass er in den kommenden Wochen nicht auf der falschen Seite des Grats herunterpurzelt.

Kaymers Kurzauftritt verlängerte die Verweildauer der Kollegen im Rampenlicht. Die Wechselhaftigkeit des Golfsports mischte das Feld auch in Eichenried wild durcheinander, so dass deutsche Spieler nach oben gespült wurden, deren Namen vor dieser Woche unter Zuschauern nur Achselzucken hervorgerufen hätten. Auf der Anlage in Münchens Norden war ein gewisser Marcel Schneider nun aber plötzlich allgegenwärtig. Vor so vielen Zuschauern habe er noch nie gespielt, verriet der Schwabe, den dieses ungewohnte Szenario jedoch nicht ins gefährliche Gedanken-Labyrinth schickte. "Ich spiele so immer besser", sagte er, als seien mehrreihige Zuschauermassen Alltag. So behauptete sich Schneider, 25, trotz allen Drucks dank einer 71 als bester Deutscher im Feld.

Normalerweise ist Schneider auf der zweitklassigen Challenge Tour unterwegs, in diesem Jahr hat er nun aber zum zweiten Mal die Chance auf eine Top-Ten-Platzierung in Liga eins, nachdem er in Marokko im März einmal bereits als Neunter überraschte. Den großen Kaymer nun als große deutsche Hoffnung zu vertreten, "das macht mich schon stolz". Allerdings ist auch ihm bewusst, dass er dafür in diesem Jahr keine Wunder vollbringen muss. Als 26. fehlen ihm derzeit drei Schläge auf die besten Zehn. Würde ihm am Sonntag der Sprung dorthin gelingen, dürfte er in der kommenden Woche beim stark besetzten Turnier in Paris abschlagen. Wenn nicht, hat er eine Woche Pause. Denn auch beim anstehenden Challenge-Tour-Event im niederbayerischen Bad Griesbach ist er dann nicht auf der Startliste - seine Anmeldung scheiterte an einer schlechten Internetverbindung im Ausland. Ein anschauliches Beispiel für die Unwägbarkeiten des Tour-Alltags in den Randbezirken des Sports, wo Manager, teure Hotelzimmer und Planungssicherheit Utopien sind.

Siem freut sich: "Ich kann noch Golf spielen"

Der zweite Deutsche auf dem Leaderboard hat noch einen weiteren Weg ins Zentrum des Interesses hinter sich. Anton Kirstein aus Frankfurt ist Mitglied der drittklassigen Pro Golf Tour und schaffte es nur über eine Einladung ins Feld. Dort navigiert er sich nun seit drei Tagen sehr ordentlich durchs ungewohnte Terrain, am Samstag aufgrund ungerade Spieler-Anzahl sogar alleine. Nach seiner 69er Runde ohne Schlagverlust am Samstag ist der 24-jährige Kirstein einen Schlag hinter Schneider auf Rang 32 zu finden. Weitere Stunden Aufmerksamkeit sind garantiert.

Schlaggleich mit Kirstein kämpft sich ein müder Maximilian Kieffer in Richtung Ziel. Deutschlands bester Golfer der vergangenen Monate hat in München viel vom Rummel abbekommen, den Kaymer früher selbst auf sich gezogen hatte. "Ich wollte es zuletzt vielen recht machen, dabei habe ich es mir selbst manchmal nicht recht gemacht", sagte Kieffer, 25, nun. Doch nach 15 Cuts in Folge stimmen Selbstvertrauen und Schwung: "Das Spiel ist gut."

Marcel Siem, der ausgerechnet auf dem Heimatplatz zum ersten Mal den Cut auf der europäischen Tour in diesem Jahr überstand, freut sich auf Platz 44 bescheiden über die gestiegene Form: "Man sieht, ich kann noch Golf spielen." Daran zweifelte Florian Fritsch, der fünfte Deutsche im Wochenende, in Runde drei ein wenig, er fiel auf Rang 55 zurück. Besser machte es am Nachmittag der Engländer James Morrisson, der nach einer 67 mit zwei Schlägen Vorsprung vor seinem Landsmann Chris Paisley ins Finale am Sonntag geht. Paisley ist die Nummer 758 der Welt. Außenseiter ist in Eichenried nur ein hohler Begriff.

© SZ vom 28.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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