Golf in Bad Griesbach:Therapie in Connecticut

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Hat bisher keine gute Saison gespielt: Der Ire Graeme McDowel, 36, aus Portrush lebt in Florida und redet amerikanisch wie ein Amerikaner. (Foto: Stuart Franklin/Getty)

Bei der European Open suchen globale Golf-Größen ihre Form. Bernhard Langer hat entspanntere Sorgen: Er strebt Profi-Titel Nummer 99 an.

Von Gerald Kleffmann

Der Gürtel hält, das ist gut so, denn als Graeme McDowell, 36, um die Ecke biegt als erster Referent an diesem wettermäßig feuchten Mittwoch, schiebt er ein knuffiges Bäuchlein vor sich her. Wenn der Nordire ab Donnerstag abschlägt bei der reaktivierten European Open, bis 2009 ein renommiertes Turnier in Europa, werden ihn möglicherweise nicht alle Zuschauer kennen. Es ist ja eine Weile her, dass er bei einer kleineren Veranstaltung der European Tour vorbeigeschaut hat, zudem war er dieses Jahr im Fernsehen nicht oft im Bild. "Das war keine gute Saison für mich", gibt der 36-Jährige aus Portrush zu, der in Florida lebt und amerikanisch spricht wie ein Amerikaner. Die große weite Golfwelt gastiert im beschaulichen Bad Griesbach, das ist in dieser Woche eine erstaunliche Kombination.

Später wird der deutsche Profi Maximilian Kieffer sagen, die Porsche European Open seien zunächst mal "ein weiteres Turnier für uns", was für den golfenden Tross nach Routine klingt. Aber für alle Aktiven trifft das nicht zu, das konnte Kieffer auch nicht wissen, denn er konnte sich nicht zweiteilen: hier das Pro-Am-Event spielen und dort den anderen Topprofis in den Pressekonferenzen zuhören. Wenn nur ein bisschen von dem stimmt, was McDowell oder der Südafrikaner Charl Schwartzel verrieten, kommt nun auf den Beckenbauer Course eine therapeutische Aufgabe zu.

Formal geht es um zwei Millionen Euro Preisgeld - also um keinen Cent weniger als in München

Formal geht es um zwei Millionen Euro Preisgeld, damit ist die Veranstaltung keinen Cent geringer dotiert als Münchens etabliertes Turnier. Für einen wie den charismatischen McDowell, vermögend als Major-Sieger und Ryder-Cup-Champion, geht es aber vielmehr darum, sein Spiel wieder auf altbekanntes Niveau zu bringen. Offen, als stünde er bei einem Drink an der Theke, erzählt er, wie bei ihm seit Monaten mentale und schwungtechnische Probleme einhergingen. Vater wurde er zum ersten Mal, aber das lässt er nicht als Entschuldigung gelten. "Für mich beginnt jetzt die 2016-Saison", sagt er, so setzt er sich unter Druck. Und deshalb kommt für ihn das "schwächer besetzte Feld" nun gerade recht, wobei er das mit dem "schwächer" bezogen auf all die Majors und sonstigen Großturniere meint, die er sonst spielt. "Hier kann man sich Selbstvertrauen holen", sagt der zuletzt unter die Bierbrauer gegangene McDowell, aber auch: "Ich weiß, wie schwer Golf ist." Diese Feststellung immerhin dürften alle golfspielenden Zuschauer in Bad Griesbach kennen.

Der Mittwoch war überhaupt ein feiner Tag für Weisheiten. Schwartzel, 31, ergänzte kurz darauf fast schon melancholisch: "Das Spiel ist ziemlich einsam." Anders als McDowell hatte der Johannesburger nicht nur ein schwaches 2015 - seit zwei Jahren krebst er herum. "Es ist frustrierend, immer 20. oder 30. zu werden", berichtet er, vor allem, wenn man weiß, wie sich der Himmel anfühlt. 2011 überraschte er als Sieger des Masters in Augusta. Wie McDowell dokterte er an der Technik herum, "mein Spiel fühlt sich besser an jetzt", sagt er, doch ganz überzeugt klingt er nicht. 2014 hatte er das auch schon mal gedacht, "nichts ging trotzdem". Stars in der spielerischen Krise, es ist nachvollziehbar, dass die European Open nicht auch mit diesem Slogan werben. Aber ein bisschen ist es so.

Bernhard Langer misst sich in Bad Griesbach mit Jungen, die viel weiter schlagen

Auch der Kalifornier Hunter Mahan, 33, als zweimal Ryder-Cup-erprobter US-Beitrag eingeflogen, hat unter seinen Möglichkeiten gespielt in diesem "Lernjahr", wie er es nennt. Zum zweiten Mal Vater wurde er, erzählt er, das sei schön, aber auch er wolle sich nun "refokussieren auf 2016". Zum ersten Mal sei er in Deutschland, er reise gerne, trotzdem wendet er einen kleinen mentalen Trick an, um sich besser auf den Platz einzustellen: "Er ist wie einer aus dem Nordosten der USA, aus New York oder Connecticut", ordnet er für sich ein. Ob sich dort die Menschen wiederum an Bad Griesbach im niederbayerischen Bäderdreieck erinnert fühlen, wenn sie golfen, lässt Mahan offen. Ist wohl nicht zu vermuten.

Zwei Deutsche präsentieren sich vor der ersten Runde auch: der Düsseldorfer Kieffer, der von seinem ungewöhnlichen Einsatz für den GC Hubbelrath schwärmt, mit dem er deutscher Mannschaftsmeister wurde - und der ewige Anhausener Bernhard Langer, der in den USA lebt, aber immer noch an der Heimat hängt und sie am Montag besuchte. 58 Jahre alt ist Langer, auf der Champions Tour der Ü50-Jährigen ist er dominant wie Bayern in der Bundesliga - sein Erfolgsgeheimnis lässt sich diesem Satz entnehmen: "Ich habe 98 Profiturniere gewonnen. Es wäre schön, wenn es 100 werden." Wikipedia sollte beim Begriff Ehrgeiz ein Langer-Foto dazustellen.

Ob Nummer 99 nun dazukommt, ist indes fraglich, in Bad Griesbach misst er sich mit den Jungen, die viel weiterschlagen. Da hilft nicht mal Weisheit. Und dass Langer den Beckenbauer Course entworfen hat, auch nicht: "Das wäre nur ein Vorteil, wenn ich ihn 100-mal gespielt hätte." Fröhlich verabschiedet er sich. Nächstes Jahr feiert er sein 40. Profijahr - eine golferische Therapie braucht Langer nicht mehr.

© SZ vom 24.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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