golf aktuell:Sport, oder was?

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Warum Golf sich aller Vorurteile zum Trotz behauptet. Die Anhängerschaft wächst stetig - mit großem wie mit kleinem Geldbeutel.

Die schwere Limousine rollt vor. "Klack". Der Kofferraum springt wie von Geisterhand auf. Zwei flinke Helfer laden das Golfbag aus, das Elektrocart steht bereit. Schnell noch Greenfee zahlen, los zum ersten Abschlag. Aufteen und drauf mit voller Gewalt. Armer Ball, verschwindet im nahen Gebüsch. Suchen? Nein danke. Bälle gibt's genug und außerdem ist das viel zu anstrengend. So, jetzt vier Stunden Konversation betreiben, ein bisschen mit dem Handy telefonieren und im Clubhaus stöhnen. "Verdammt hart, dieser Sport. Sie wissen schon. Der zwingt einen richtig zur Demut." Ja, ja so isser, dieser verdammte Sport. Keine Kalorien verbraucht, nix abgenommen, nicht geschwitzt und irgendwie trotzdem fix und fertig. Zugegeben, wenn man keine Ahnung vom Golf hat, könnte sich jetzt das Vorurteil "Golf ist kein Sport" manifestieren. Das ist aber der Knackpunkt. Nur wer sich aus dem Tal der Ahnungslosen herausbegibt und es mal versucht, kann begreifen, dass Golf eine unbegreifbare Leibesübung ist.

Eine komplizierte Sportart - selbst für Leistungssportler wie Oliver Kahn (Foto: Foto: Rogmans)

Also fassen wir, die wir als demütige Golfer durchs Leben ziehen, uns alle an den Händen, bilden einen Kreis und schreien es heraus. "GOLF IST SPORT". Oliver Kahn spielt Golf wie er Fußball spielt und muss deshalb manchmal erkennen, dass Sport eben doch nicht Sport ist: "Du hast nur eine Chance, wenn du topfit bist. Denn nur dann kannst du dich 18 Loch lang konzentrieren". Dazu kommt dass eine gewisse Gewaltbereitschaft dem Golfspiel nicht förderlich ist. Wenn es nur 18 Loch wären. Es sind ja leider auch noch fünf Stunden, da vielen Schlägerbesitzern jegliches Tempobewusstsein abgeht. Und trotzdem: Auch beim Spazierengehen mit Gerätschaft wird man müde. Das ist das hinterlistige am Golf. Selbst wenn man es nicht als Sport betreiben will, ist es Sport. Sepp Maier (Handicap 6) kann es nicht fassen, dass der komplizierte Bewegungsablauf nicht reproduzierbar ist. "Du weißt nicht, ob du die nächste Aktion wirklich kontrollieren kannst. Das gibt's bei keiner anderen Sportart so extrem." Aber es geht nicht nur um nicht kontrollierbare Feinmotorik. Es geht auch nicht um Prolo-Schwitzen. Golfer transpirieren höchstens. Und so ein klitzekleines Schweißperlchen, wenn der Putt 100.000 Dollar wert ist, das darf doch wohl erlaubt sein. Es geht um Sieg und Niederlage, nicht nur gegen andere, vor allem gegen sich selbst. Scheren sie sich nicht um die Golfistkeinsportbanausen. Wenn der Golfball die vorgeschriebene und angedachte Linie verlässt, verschwinden zwischen zwei und sieben Euro im Wald. Wenn du beim Ski-Abfahrtslauf die vorgeschriebene Linie verlässt und am Baum oder in der Lawine klebst, ist das nicht zwingend sportlicher. Darüber hinaus bleibt festzuhalten: Bernhardiner werden zur Golfballsuche nicht eingesetzt.

Nicht beleidigt sein, ist nur Sport.

Was sagt der Wissenschaftler: Sport definiert sich durch drei Komponenten. Erstens Ausdauer, zweitens Kraft/Schnellkraft, drittens Motorik. Fein! Wie sportlich ist ihr Golf? Ausdauer 0,5 Prozent, Kraft 95 Prozent, Motorik 4,5 Prozent. Nicht beleidigt sein, ist nur Sport. Nehmen Sie sich doch auch mal ein Elektrocart. Immer schön auf dem Weg bleiben. Aussteigen, sechs Schläger aus dem Bag nehmen, rüber übers ganze Fairway hetzen, rauf auf den Hügel, rein ins Gebüsch, Ball raustoppen, runter über den Hügel, Knie nicht zu sehr belasten, wieder rüber ins Cart, Holz 5 holen. An die Feinmotorik denken. Auf geht's. Wir analysieren: Ausdauer 60 Prozent, endlich weniger Kraft verfügbar, und die Motorik?

Wer sich der endgültigen Herausforderung Golf nicht stellen will, bedient sich gerne des Vorurteils Nummer zwei: Golf ist nur etwas für Reiche. Stimmt, wenn die Schläger grundsätzlich nur in der S-Klasse transportiert werden sollen. Aber auch wenn der Kofferraumdeckel nicht mit einem sanften "Klack" aufspringt, sondern es beim japanischen Kleinwagen ein hohles "Pätsch" macht, die Schläger werden trotzdem ausgeladen. Doch Golf findet nicht nur in Pebble Beach und in Valderrama statt. In den USA bevölkern Millionen Spieler preiswerte Golfplätze und auch bei uns gibt es Greenfee günstiger als eine Tageskarte am Skilift. Schnäppchenjäger Dirc S., ohne Golfmitgliedschaft und Student, der aus finanztechnischen Gründen Mensa-Essen bevorzugt, baut auf Überredungsgabe: "Es gibt viele Plätze, auf denen geht's auch ohne Clubausweis. Wer ganz früh oder am späten Nachmittag auf die Wiese rausgeht, kann eine Menge Geld sparen." Dazu gibt es die "Vereinigung der clubfreien Golfspieler" und es gibt Plätze, auf denen auch ohne karierte Hosen gespielt werden darf.

Golf ist einfach ein herrlicher Sport, nicht teurer als andere Hobbies und wem es nicht passt, der soll doch Schach spielen. Ist ja schließlich auch Sport. Warum eigentlich?

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