Goldsammler Adam Peaty:Her Majesty's Posterbubi

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Und beim Jubel: Bizeps spannen. Adam Peaty feiert nach seinem Weltrekord über 50 Meter Brust im August 2014. (Foto: Hannibal Hanschke/dpa)

Der 20-Jährige Muskelprotz und Weltrekordler über 50 und 100 Meter Brust aus den Midlands könnte zum Star der WM werden. Am Sonntag legt er los.

Von Saskia Aleythe, Kasan/München

Wenn er jubelt, sieht Adam Peaty gefährlich aus. Im normalen Leben ist da nur sein Teenie-Grinsen, Zahnlücken links und rechts von den Schneidezähnen - ein Antlitz wie aus dem Retortenkatalog für Boygroups. Doch wenn Peaty richtig schnell geschwommen ist und sich ordentlich freut, dann breitet er die Arme zur Seite aus und spannt die Muskeln an, dann wachsen die Hügel höher als in seiner Heimat in den englischen Midlands: Wahnsinns-Bizeps links, Wahnsinns-Bizeps rechts. Ein Anblick zum Fürchten.

Diesen Typen darf man sich gerne merken, wenn einem der Schwimmsport am Herzen liegt. Gut möglich, dass Peatys Muskeln die berühmtesten bei der WM in Kasan werden: Der 20-Jährige hat beste Chancen, erfolgreichster männlicher Athlet der Wettbewerbe zu werden. Einen Sporthelden wie ihn, der abseits des Fußballs unterwegs ist, sucht Großbritannien seit Jahren. Nun sind die Hoffnungen gewaltig: Fünf Weltrekorde wurden nach 2009, als die Hightechanzüge verschwanden, überhaupt erst bei den Männern aufgestellt - zwei davon von Peaty in den vergangenen zwölf Monaten.

"Ich erwarte keine Medaillen, nur weil ich zwei Weltrekorde habe", sagt der 1,91 Meter große Mann aus Uttoxeter, "im Rennen selbst kann alles passieren". Allzu viel hatte er sich für 2014 schon nicht vorgenommen, lediglich für die Commonwealth Games wollte er sich qualifizieren. Was am Ende dabei herauskam? Er avancierte zum neuen Posterbubi des Königreichs, wurde von der BBC als Sportler des Jahres nominiert. Peaty gewann sechs Goldmedaillen bei den Commonwealth Games und den Europameisterschaften in Berlin zusammen - nur ein Jahr nach seinem ersten internationalen Rennen bei den Senioren.

Selbst ein Weltrekord macht ihn nicht zufrieden

Im EM-Halbfinale über 50 Meter knackte er seinen ersten Weltrekord - nach 26,62 Sekunden schlug er an und musste erst ein paar Mal zur Anzeige gucken, um zu begreifen, was er geschafft hatte. "Mein Anschlag war ziemlich schlecht, ich kann noch schneller sein", sagte er damals, "ich will nicht übermäßig zufrieden sein. Ich denke, das ist gefährlich." Mit seinem Hang zur Selbstoptimierung hat er im April dieses Jahres den zweiten Weltrekord geschafft: Als erster Mensch schwamm er die 100 Meter Brust unter 58 Sekunden. Bei den britischen Meisterschaften knackte er mit 57,92 Sekunden die drei Jahre alte Bestmarke von Cameron van der Burgh - der Südafrikaner gehört zu Peatys Idolen. "Das war ein großartiger Moment für mich", meinte der Rekordjäger danach.

Nun ist Peaty der Gejagte. Eine Rolle, die ihm selber besser gefällt, "ich genieße das". Der Druck der Öffentlichkeit ist gewachsen, doch Peaty gewöhnt sich daran. "Es hat mich selbstbewusster gemacht", sagt er. Und auch ziemlich stolz, er liebt sein Land, "die letzte Bahn schwimme ich für die Queen und für Großbritannien".

Melanie Marshall trainiert ihn, seit er 14 ist, sie holte selbst einst EM-und WM-Medaillen für Großbritannien. 2004 führte Marshall die Weltrangliste über 200 Meter Freistil an - doch bei den Olympischen Spielen in Athen landete sie nur auf Rang 16. Ob Peaty so etwas auch passieren kann? "Als ich ihn zum ersten Mal gesehen habe, wusste ich: Er ist ein Wettkampftyp", sagt sie, "je größer die Arena, je größer der Kampf, umso stärker tritt er auf".

Erst als Zehnjähriger versuchte er es mit Schwimmen

Dabei bezeichnet sich Peaty selbst als Spätentwickler, früher fürchtete er sich sogar vor Wasser und flüchtete in die Arme seiner Mutter. Mit zehn Jahren versuchte er es doch mit dem Schwimmen, "das war eine gute Möglichkeit, um Abstand von der Schule zu bekommen". Peaty ist mittlerweile zum Trainingsfreak mutiert, an manchen Tagen steht er um vier Uhr morgens auf und absolviert bis zu acht Stunden im Pool und im Kraftraum. "Es gibt Leute, die arbeiten hart. Und es gibt Adam Peaty", sagt Trainerin Marshall, "er ist phänomenal".

Sein Aufstieg hat auch die Konkurrenz angestachelt - am Sonntag trifft die Weltelite zum ersten Mal in Kasan auf den Engländer. Der Südafrikaner Van der Burgh will bei seiner letzten WM über 50 und 100 Meter Brust noch einmal ganz vorne landen - falls er Peaty schlagen kann. Über 200 Meter war dieses Jahr nur der Japaner Yasuhiro Koseki schneller, auch der Deutsche Marco Koch rechnet sich gegen Peaty Chancen aus. Inklusive der zwei Lagen-Staffeln könnte Peaty am Ende fünf Medaillen einheimsen - und den Schwimmsport auf der Insel weiter voranbringen. Nach dem Olympia-Debakel 2012 nahm er eine extrem positive Entwicklung, gleich mehrere Weltklasseschwimmer wie Peaty und Ross Murdoch sind das Resultat gezielter Strukturverbesserungen im Verband.

Peatys Trainerin Marshall scheut vor ungewöhnlichen Methoden nicht zurück: Im Training lässt sie den Sportwissenschaftsstudenten schon mal Traktorreifen durch die Gegend schieben oder einen Schlitten vollgepackt mit Gewichten ziehen. Irgendwo muss der Bizeps ja herkommen.

© SZ vom 01.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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