Glosse:"Schweinsteiger very good!"

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Um in Russland besser verstanden zu werden, ist ratsam, in Versatzstücken zu sprechen. So entstehen prima Dialoge.

Von Claudio Catuogno

Als mir klar wurde, dass ich demnächst eine Verlustanzeige aufgeben muss, stand ich in Jekaterinburg im Pressezentrum und fragte einen der freundlichen Volunteers: "Excuse me, I have question. Can I take Metro with accreditation? Or do I need ticket?" Drei einfache Sätze auf Englisch - und schon wieder waren zwei bestimmte und zwei unbestimmte Artikel spurlos verschwunden!

Wenn man als WM-Reporter in fremde Länder geschickt wird, schnappt man immer ein bisschen was von einer neuen Sprache auf; in Russland ist es aber eher so, dass ich eine andere Sprache, die ich bisher passabel beherrscht habe, sukzessive verlerne. Weil man dort einfach viel besser verstanden wird, wenn man aus der Sache die Komplexität rausnimmt. "Can I buy Cola?", "Can you call taxi for me?", "Best Never Rest", das sind so die schmerzhaften Beispielsätze, die mir spontan in den Sinn kommen.

Ein des Russischen mächtiger Kollege hat mir erklärt, dass es in der russischen Sprache weder bestimmte noch unbestimmte Artikel gibt, das sei der Grund, warum Russen sich damit in westlichen Sprachen so schwer tun und immer ein bisschen klingen wie die Schurken in amerikanischen Klischeefilmen: "Gib mir Pistole!" Das sei keine kulturelle, sondern eher eine sprachwissenschaftliche Sache. Ich weiß nicht, ob das den Leuten in Hollywood klar ist.

Die Verständigung jedenfalls läuft sehr passabel, was auch daran liegt, dass die Russen sich rührend viel Mühe geben mit dieser englischen Sprache, mit der viele von ihnen vor der WM kaum in Berührung gekommen waren. Man muss sich freilich auch selbst Mühe geben, bloß halt anders. Als mich kürzlich der Taxifahrer Alexej von Istra nach Moskau fuhr, ich war auf dem Rückweg von einer Pressekonferenz der Franzosen, da offenbarte er mir gleich zu Beginn, dass er genau zwei englische Sätze beherrsche ("I love Rammstein", "Schweinsteiger very good") sowie außerdem einen deutschen ("Wehrmacht total kaputt"). Um da für den gesamten Zeitraum der Fahrt, also für zweieinhalb Stunden, die Konversation in Gang zu halten, empfahl es sich, neben den Artikeln auch auf die Verben zu verzichten. "Moscow good city?" - "Russia Egypt win tonight?" Auf diese Weise entwickelte sich beinahe so etwas wie ein gutes Gespräch. "I very good Taxidriver", sagte Alexej zum Abschied, und da hatte er keine Spur übertrieben.

Was mein Russisch angeht, so stelle ich bisher leider keine Fortschritte fest. Sobald es so weit sein sollte, schreibe ich Text.

© SZ vom 26.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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