Gladbach feuert Fach:Abschied über Nacht

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Die Borussia entlässt ihren Trainer - einstweilen übernimmt Horst Köppel.

Vielleicht hatte Holger Fach nur der Umstand, dass sein Familienname nur aus einer Silbe besteht, noch lautere Forderungen nach seiner Entlassung erspart. Unüberhörbar waren am Dienstagabend die Rufe im Ruhrstadion, mit denen die Demission des Gladbacher Trainers gefordert worden war.

Aber man hatte den Fans angemerkt, dass ihnen der Ruf "Trainer raus" genauso merkwürdig erschien wie das unter diesen Umständen unpassend vertrauliche "Holger raus", das sie ebenfalls ausprobierten.

Doch wie groß die Enttäuschung in Mönchengladbach inzwischen ist, hatte man daran gesehen, dass nach dem 0:3 in Bochum noch einige Hundert bitterlich enttäuschte Anhänger im Stadion geblieben waren und das Auslaufen ihrer Mannschaft in einen Spießrutenlauf verwandelten.

Nur gut 17 Stunden später zog der Verein Konsequenzen aus der insgesamt äußerst unangenehmen Entwicklung: Holger Fach, 43, wurde tatsächlich entlassen, die überraschend schnell vollzogene Trennung erfolgte "einvernehmlich", wie der Verein am Mittwoch im branchenüblichen Ton verbreitete.

Vergebliches Warten der Fans

"Unsere Bilanz mit neun Punkten aus den ersten zehn Saisonspielen, dazu das Aus im DFB-Pokal, ist nicht gut", erläuterte Klubpräsident Rolf Königs am gestrigen Nachmittag. "Wir mussten uns deshalb fragen, ob wir mit Holger Fach unser Saisonziel - uns ohne Abstiegssorgen in der Bundesliga zu etablieren -, erreichen."

Die Antwort fiel negativ aus, "und das ist die richtige Entscheidung", bekräftigte Königs am Mittwoch. Anstelle Fachs sitzt nun am Samstag gegen den FC Bayern der einstige Nationalspieler, VfL-Profi und Bundesligacoach Horst Köppel, 56, als Interimstrainer auf der Bank. Köppel betreut eigentlich die Gladbacher Oberliga-Amateure.

Holger Fach hatte sein Amt erst vor gut einem Jahr, am 21. September 2003, als Nachfolger von Ewald Lienen angetreten. Unter Fach erreichte die Borussia zwar den Klassenerhalt, doch die mit zahlreichen prominenten Neuzugängen verstärkte und in den neuen "Borussia- Park" umgezogene Mannschaft rutschte mit zuletzt vier Niederlagen aus sechs Spielen in die Abstiegszone.

Nach der nächsten Pleite in Bochum hatte VfL-Sportdirektor Christian Hochstätter noch betont, man wolle die Situation analysieren und gemeinsam lösen. Die nächtliche Krisensitzung beendete dieses Vorhaben jedoch, Fachs Assistent Stefan Mücke wurde ebenfalls beurlaubt.

Die Entlassung Fachs darf auch als Niederlage Hochstätters gewertet werden. Die beiden einstigen Borussia-Profis sind freundschaftlich miteinander verbunden, und Hochstätter hatte Fach nach Lienens Entlassung aus einem erst kurz zuvor geschlossenen Vertrag mit dem damaligen Regionalligaklub Rot-Weiß Essen herausgelöst. In Gladbach war für ihn nach 13 Monaten Schluss.

In Bochum hatte sich der Zorn des Gladbacher Anhangs allerdings nicht nur gegen Fach gerichtet: Die Fans hatten den Spielern lautstark abgesprochen, Gladbacher zu sein. Und sie teilten den Profis mit, man habe nun die Schnauze voll. "Außer Olli könnt ihr alle gehen", sangen die Frustrierten auf den Rängen, womit der in Bochum noch gesperrte Handball-Experte Oliver Neuville gemeint war.

Den Bochumer Spielern hingegen spendeten sie Beifall, und dann riefen die Gladbacher Anhänger nach Holger Fach. "Wir woll'n den Trainer seh'n", hallte es donnernd durchs Ruhrstadion. Nur: Fach kam nicht.

"Mir hat kein Mensch was gesagt", erklärte Fach später in den Katakomben. Er selbst habe die Rufe auch nicht gehört, was insofern glaubhaft ist, als in Bochum die Wege von den Kabinen bis ins Stadioninnere sehr weit sind. Andererseits hatte Fach auch mitgeteilt: "Man wird doch mal ein halbes Stündchen nachdenken können."

Und: "Dann gehe ich eben beim nächsten Mal." Ob er nun wirklich nicht mitbekommen hatte, dass die Kundschaft das Gespräch suchte, oder ob er sich verweigert und hinterher eine Ausrede gesucht hatte - Fach verpasste eine wichtige symbolische Handlung, mit der er viel zur Beruhigung der Gemüter hätte beitragen können. Er wird sie nun nicht mehr nachholen können.

Das grausame 3:0

Dabei hätte Fach gar keine schlechten Argumente gehabt. "Bis zum 0:1 haben wir ein gutes Spiel gemacht, aber das befriedigt einen Fan nicht", sagte Sportdirektor Hochstätter nach dem Abpfiff. Doch auch den Fans war nicht entgangen, dass die Gladbacher trotz aller Nervosität in Bochum lange die dominante Mannschaft waren. Nur nutzten sie einmal wieder nicht die Chancen, die sie hatten, um anschließend "überflüssig zu verlieren", wie Verteidiger Bernd Korzynietz sagte.

Grausam war dieses 0:3 auch, weil Gladbach aus Sicht von Torhüter Darius Kampa "bitterlich für unsere Fehler bestraft" wurde. Aber es gab diese Fehler halt, bei Bochums erstem Treffer von Christoph Preuß, den an der Strafraumgrenze niemand ernsthaft angriff, bei der zweiten Gelben Karte für Jeff Strasser, die Unterzahl bedeutete oder beim zweiten Gegentor, das Korzynietz für Wosz direkt auflegte. Vorne zu viele Chancen vergeben und hinten irgendwann Fehler machen, das ist eine unheilvolle Mischung.

Samstag kommt nun Bayern München, und vielleicht bedient sich dann der Übergangscoach Köppel aus dem Repertoire der ratlosen Trainer, wie es der Bochumer Kollege Peter Neururer am Dienstag gehalten hatte.

"Ungewöhnliche Punktestände erfordern ungewöhnliche Maßnahmen", hatte Neururer hinterher behauptet und dann von einer "Spielersitzung fern dem, was wir bislang gemacht hatten", erzählt. Einfach da gesessen hätte er vor dem Spiel mit seinen Profis und geschwatzt. Neururer glaubte gespürt zu haben, dass die Anspannung sowieso schon fast unerträglich gewesen sei. Also hatten sie nur da gesessen, Kaffee getrunken. Besonders beeindruckt waren die Spieler von dieser Form der Nicht-Besprechung nicht. "Wir hatten uns sowieso nichts zu sagen", witzelte Thomas Zdebel.

Holger Fach redete gestern Morgen, obwohl er die Entwicklung zu ahnen schien. "Man macht sich schon 24 Stunden am Tag Gedanken über die Mannschaft, den Verein und um sich selbst", sagte er vor dem Training, "aber man kennt ja die Gesetzmäßigkeiten in diesem Geschäft." Heute, 10 Uhr, leitet Köppel erstmals die Übungseinheit.

(SZ vom 28.10.2004)

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