Gladbach besiegt Hoffenheim:Heckings schönste Platte

28 10 2017 xtvx Fussball 1 Bundesliga TSG 1899 Hoffenheim Borussia Moenchengladbach emspor v

Jannik Vestergaard (hinten) köpft in der 81. Minute noch das 3:1 für Gladbach.

(Foto: Jan Huebner/imago)

Dank seiner Geduld gewinnt die Borussia abermals beim Offensiv-Wettbewerb in Sinsheim. Als die Kräfte der in dieser Saison dreifach belasteten Hoffenheimer nachlassen, treffen Hazard und Westergaard zum 3:1.

Von Tobias Schächter, Hoffenheim

Dieter Hecking, Jahrgang 1964, reist immer wieder gerne als Trainer mit Borussia Mönchengladbach nach Hoffenheim. Im Stadion des vom Software-Unternehmen SAP gesponserten Klubs legen beide Mannschaften nämlich immer "die gleiche schöne Platte" auf: So sei das beim spektakulären 3:5 der Borussia im März gewesen und nun auch beim 3:1-Sieg an diesem Samstag: "Zwei tolle Mannschaften, die immer nach vorne spielen." Etwas Schöneres kann sich der Fußball-Romantiker in Hecking in Zeiten der digitalen Durchleuchtung des Sports nicht vorstellen. Zumal sich seine Elf nach dem 1:5 vom vergangenen Wochenende gegen Bayer Leverkusen geläutert zeigte. Trotz eines Rückstandes durch ein Tor von Kerem Demirbay (24.) zur Halbzeit behielten die Gladbacher diesmal die Nerven.

"Das war eine tolle Energieleistung, wir wollten Leverkusen ein Stück weit vergessen machen und es unbedingt vermeiden, dem Gegner ins offene Messer zu laufen", erklärte Hecking, der zu diesem Zweck in Weltmeister Matthias Ginter einen Innenverteidiger im zentralen defensiven Mittelfeld aufgeboten hatte. In Strobl und Kramer fehlten dort ja zwei etablierte Kräfte. Der Schachzug funktionierte doppelt: Ginter verdichtete sehr gut das Zentrum des Platzes und brachte mit seinem Tor zum 2:1 (79.) die Borussia nach dem Ausgleich von Thorgan Hazard (61.) auf die Siegerstraße. Jannik Vestergaard köpfte kurz danach noch das 3:1 (81.).

Bis zur 50. Minute muss Nagelsmann schon zweimal wechseln

Hoffenheim verließen nach einer starken ersten Halbzeit zunehmend die Kräfte. Man merkt den Europapokalnovizen die Dreifachbelastung. Die ist zwar nach dem Pokal-Aus in Bremen zur Doppelbelastung reduziert, dennoch haben viele Spieler muskuläre Probleme, und auch am Samstag mussten die bis dahin agilen Mark Uth (37.) und Pavel Kaderabek (50.) vorzeitig vom Platz. "Wenn wir bis zur 50. Minute zwei Mal auswechseln müssen, dann ist das schwer zu verkraften", klagte TSG-Trainer Julian Nagelsmann.

Die TSG Hoffenheim und ihr junger Trainer machen gerade einen Lernprozess durch. Diese wilden Hoffenheimer müssen im richtigen Moment auch mal vom Gaspedal gehen. Und bei allen schönen Geschichten, die sie auch in dieser Saison schreiben, etwa den Einbau von Talenten aus dem eigenen Nachwuchs wie Dennis Geiger, Stefan Posch oder dem gegen Gladbach starken Kevin Akpoguma, so bleibt doch auch festzuhalten: Es fehlt ein Taktgeber wie Sebastian Rudy, der im Sommer zu den Bayern wechselte, und der im richtigen Moment auch einmal Tempo aus dem Spiel nimmt.

Und auch der 30 Jahre junge Coach erlebt in seiner zweiten vollen Cheftrainersaison in der Showbühne Bundesliga einen Reifeprozess nicht ohne Rückschläge. Mit einem unglücklichen Interview mit einem TV-Sender schürte er die Spekulationen um einen möglichen Wechsel in naher Zukunft zum FC Bayern. Und nicht immer hat er seine Emotionen unter Kontrolle. Gestern warf er nach dem Ausgleich eine Wasserflasche (er wollte den Rahmen der Trainerbank treffen) so unglücklich, dass sie in die Zuschauerränge flog und einen Menschen seitlich am Kopf traf. Das war keine Absicht, aber überflüssig. Nagelsmann ging nach dem Schlusspfiff zu dem Mann, umarmte ihn und entschuldigte sich, bevor er später erklärte: "Das war eine dämliche, dumme Aktion. Es tut mir leid, das wird nicht mehr passieren." Damit sollte die Geschichte auch erledigt sein.

Vincenzo Grifo stand erstmals in Gladbachs Startelf - und zählte zu den Besten

Hoffenheim verlor zum ersten Mal nach 22 ungeschlagenen Auftritten wieder ein Heimspiel und zum siebten Mal in dieser Runde konnten die Badener eine Führung nicht in einen Sieg verwandeln. Das lag auch an der starken Leistung von Vincenzo Grifo, der zwei Gladbacher Tore vorbereitet und mit einigen Abschlüssen Pech hatte. Der Techniker kam schon vor der Saison aus Freiburg, aber erst in Hoffenheim stand er in der Startelf. Nach einer Verletzung zum Saisonstart habe sich Grifo im Training nicht immer nachhaltig aufgedrängt, kritisierte Borussen-Trainer Hecking, bescheinigte dem 24-Jährigen aber an seiner Ausbildungsstätte eine "ausgezeichnete Leistung". Grifo, der aus Pforzheim stammt, kommt aus der Nachwuchsabteilung der Hoffenheimer, am Samstag saß seine ganze Familie auf der Tribüne. "Ich liebe den Fußball und habe auch konditionell an vielen Schrauben gedreht", sagte er und hofft nun auf weitere Einsätze.

Am Ende hatten die Gladbacher einfach mehr Kraft und kamen zu einem verdienten Sieg, auch Julian Nagelsmann gestand dies ein. In Dieter Heckings Plattensammlung seiner Bundesligaspiele bekommt die Pressung vom 28. Oktober 2017 in Hoffenheim also sicher einen schönen Platz - auch wenn es keine Platte ist, sondern nur ein Stick.

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