Geschichten aus der Regionalliga:"Super Pipi, super Pipi, hey!"

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Der FC Pipinsried, ein Klub aus einem Dorf im Dachauer Hinterland, spielt in der Regionalliga. Ein Märchen mit einer exzentrischen Galionsfigur und einem 24-jährigen Trainer als Protagonisten.

Von Christoph Leischwitz und Sebastian Leisgang

Fabian Hürzeler war überfordert. 120 Minuten lang war er Herr der Lage im Sportpark Ronhof. Was sich dann aber abspielte, hatte er nicht mehr unter Kontrolle. "Es ist überwältigend", sagte Hürzeler, "es hört gar nicht mehr auf." Nach dem Relegationsspiel bei Greuther Fürth II trudelte beinahe im Minutentakt ein Glückwunsch nach dem anderen auf seinem Handy ein - nach diesem sagenhaften Aufstieg seines FC Pipinsried in die Fußball-Regionalliga.

Ein Dorf feiert: Die Spieler des FC Pipinsried jubeln in Fürth über den Aufstieg. (Foto: imago/Zink)

Bis in die frühen Morgenstunden feierte der Dorfklub den größten Erfolg seiner 50 Jahre währenden Klubgeschichte, zunächst im Mannschaftsbus auf der Rückfahrt, dann im Vereinsheim. Schon im Fürther Stadion hatte es gehallt: "Super Pipi, super Pipi, hey!"

Das Märchenhafte an der Geschichte des Dorfklubs aus dem Dachauer Hinterland speist sich nicht nur daraus, dass der Ortsteil des Marktes Altomünster gerade mal 557 Einwohner zählt. Auch die Pipinsrieder Gemengelage, aus welcher der größte Erfolg der Klubgeschichte erwachsen ist, kann man als abenteuerlich bis skurril beschreiben. Spielertrainer Hürzeler ist gerade einmal 24 Jahre alt und ebenso Novize in seinem Metier wie Manager Roman Plesche. Hürzeler steht exemplarisch für den Kader, der in der Hauptsache mit Spielern bestückt ist, denen der Sprung ins Profigeschäft aus diversen Gründen verwehrt geblieben ist. Viele dieser Akteure verstehen daher ausgezeichnet Fußball zu spielen, der Sport steht aber nicht mehr an erster Stelle. Pipinsried ist für diese Spezies ein Biotop, es wird tatsächlich nur zweimal in der Woche trainiert, eigentlich schon für einen Landesligisten ein Witz. Aber es ermöglicht Zeit für Beruf und Privatleben - und in Pipinsried Fußball auf hohem Amateurniveau.

Höß auf dem Rasenmäher im Stadion: "Der Rasen war immer mein Heiligtum." (Foto: Toni Heigl)

Wer das Phänomen Pipinsried aber begreifen will, kommt am Namen Konrad Höß nicht vorbei. Der 76-Jährige hat diesen Verein erschaffen, er ist seit Anbeginn Präsident, Platzwart, Stadionsprecher, Höß fegt die Kabinen, seine Frau belegt die Wurstsemmeln am Kiosk und wäscht die Trikots der Spieler. Viele sagen: Höß ist der FC Pipinsried. Er leidet für den Klub, hält ihn am Leben, kämpft für ihn, ist seine Galionsfigur. Ohne Konrad Höß gäbe es keinen FC Pipinsried, so einfach ist das. Vor vielen Jahren, in der Landesliga, hat er gesagt: "Einmal will ich Bayernliga spielen, bevor ich verreck." Markige Sprüche, das muss man wissen, sind wichtiger Teil der Folklore des Klubchefs. Im April 2011 hatte Höß einen Herzinfarkt, zweimal wurde er reanimiert auf der Fahrt in die Klinik, vier Tage lag er im Koma. Er wurde wieder gesund, als er das Krankenhaus verlassen durfte, hatte er einen neuen Sponsor: die Klinik. Seit dem vergangenen Montag spielt er Regionalliga, eine Spielklasse, die den Profibereich spürbar touchiert und für einen Klub wie Pipinsried eigentlich nicht möglich sein dürfte. Längst hat das Lebenswerk des Konrad Höß eine Dimension erreicht, die neben einem ungläubigen Staunen auch Respekt verdient. Auf so einem Weg macht man sich nicht nur Freunde, und der 76-Jährige ist ein Mann vom alten Schlag, sein Gusto lautet: "Wer zahlt, schafft an." Viele Trainer und Spieler sind gekommen und gegangen, viele möchten über diese Zeit nicht mehr reden. Alles Vergangenheit, jetzt zählt der Moment.

Einer von Pipinsrieds Leistungsträgern: Fabian Hürzeler. (Foto: Toni Heigl)

Und bald die Zukunft: Nach dem Triumph in der Relegation bei Greuther Fürth II blickte Höß schon mal voraus, es könnte durchaus zum Duell mit dem TSV 1860 München, wohlgemerkt der ersten Mannschaft, kommen. Also sagte Höß: "Die Fans von denen, das sind ja Verrückte, die machen ja die ganze Ortschaft kaputt."

Der FCP-Patriarch hat der Klubhistorie ein weiteres, schier unglaubliches Kapitel hinzugefügt, doch in den vergangenen Jahren hat er sich auch spürbar zurückgenommen, mit Manager Plesche und Spielertrainer Hürzeler junge, erfolgshungrige Menschen in den Klub geholt - das Faustpfand für eine verheißungsvolle Zukunft. "Eigentlich", sagt er, "sollte man ja aufhören, wenn es am Schönsten ist." Natürlich pflege er immer noch den Rasen und passe auf alles auf, aber die "Motivation ist nicht mehr so, wie sie schon einmal war". Abdanken, im Moment des Triumphs? Erst einmal gilt es eine Reihe von Auflagen zu erfüllen, ohne Höß es schwer zu machen.

Zwischen Aichach und Dachau liegt der neue Regionalligist FC Pipinsried. (Foto: SZ-Karte)

"Hauptaufgabe ist der Parkplatz", sagt Plesche, der sich auch mit dem Sicherheitskonzept für das Stadion befassen muss. Beim Relegationshinspiel gegen Greuther Fürth II hatte Höß den Rasen auf der Seite der Haupttribüne mit Holzpflöcken und einem Absperrband abgeriegelt, in der Regionalliga wird das wohl nicht genügen.

Erst recht nicht, wenn 1860 München ins Stadion an der Reichertshausener Straße kommen sollte. Während Höß und Hürzeler derzeit davon ausgehen, dass die Partie in Pipinsried gespielt werden könnte, hat Plesche Bedenken, ihm schwebt ein Tausch des Heimrechts vor. Hürzeler sagt zu alledem: "Das ist Zukunftsmusik. Jetzt sollten wir erst mal den Moment genießen. Wir haben Historisches geschafft." Die Regionalliga, sagt der Spielertrainer mit Münchner Zunge, sei "a Zuckerl". Hürzeler ist sicher, dass sein Team das Format für die vierte Liga hat, die Duelle mit der Fürther Reserve hätten das gezeigt. "Die war mit Profis gespickt, wir haben eigentlich gegen eine Lizenzmannschaft gespielt." Für den Trainer auch eine Bestätigung, von einem Umbruch abzusehen: "Das Gerüst steht." Ein paar Veränderungen in Abwehr und Angriff, das schon, freilich ohne dabei große Sprünge zu unternehmen.

"Es ist Wahnsinn, wie oft heute das Telefon klingelt und ein Spielerberater dran ist", sagt Plesche. Den Anrufern, die ihm Spieler vermitteln wollen, muss er verklickern: An der Bezahlung wird sich auch nach dem Aufstieg nichts ändern.

Und womöglich auch beim Trainingsumfang nicht. Der Erfolg gibt Pipinsried schließlich recht.

© SZ vom 07.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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