Galopp:Heimsieg in Hamburg-Horn

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Nutan (links) wird beim 146. Deutschen Derby in Hamburg von Andrasch Starke schon kurz nach dem Start in Position gebracht. Am Ende gewann das Duo deutlich. (Foto: Markus Scholz/dpa)

Jockey Andrasch Starke gewinnt auf Nutan zum siebten Mal das Deutsche Derby - auch weil Favorit Shimrano den Start verpatzt.

Von Thomas Hahn, Hamburg

Auf der Wiese vor dem großen Videoschirm haben zwei Damen ihre Ruhe gefunden. Sie haben ihre Handtaschen abgelegt, die pedikürten Füße ausgestreckt, die Augen geschlossen, und jetzt liegen sie da in ihren eleganten Kleidern wie zwei Modepuppen, die jemand zwischen den durcheinanderlaufenden Besuchern der Galopprennbahn von Hamburg-Horn vergessen hat. Ein Nickerchen am Sonntagnachmittag kann ja auch nicht schaden - zumindest wenn man rechtzeitig wieder munter wird, und das haben die Damen dann natürlich geschafft. Sie waren hellwach, als wenig später 18 hochbegabte Vollblüter aus der Startbox auf die Strecke schnellten und Andrasch Starke auf Nutan sich auf den Weg zu einem ganz besonderen Heimsieg machte.

Das Deutsche Derby ist das berühmteste Rennen für Dreijährige, Höhepunkt der Deutschen Turfsaison, im Grunde sogar so etwas wie ein deutscher Mythos, wenn man bedenkt, dass das Galopprennen um das Blaue Band zum 146. Mal ausgeritten wurde. Die Strahlkraft dieses Gruppe-I-Rennens ist enorm, die Dotierung von 650 000 Euro stattlich, nicht zu beziffern das Prestige, das ein Sieg dort bringt. Und weil sein Niveau besonders hoch ist, verzeiht es auch klaren Favoriten keinen Fehler, wie diesmal der niederländische Jockey Adrie de Vries leidvoll erfahren musste. Er galt als erster Anwärter auf den Sieg, weil er das Derby im Sattel von Shimrano bestreiten durfte, der vor drei Wochen in Köln das Oppenheim Union-Rennen gewonnen hatte und damit den wichtigsten Vorbereitungstermin für Hamburg. Aber der Hengst aus dem Gestüt Brümmerhof, trainiert von Trainer Paul Harley und im Besitz von Australia Racing Stables, kam nicht richtig aus der Start-Box, versackte im Positionskampf und konnte sich nicht mehr befreien. "Früh versaut", nannte de Vries das Rennen und gab zu, dass er eine solche Niederlage im starken Feld vorher befürchtet hatte: "Shimrano ist ein reiner Galopper." Kein Positionskämpfer. Er braucht Raum, den hatte er nicht und kam nicht über Rang elf hinaus.

Damit war der Weg frei für den Jockey-Routinier Andrasch Starke, 41, der in Nutan den am zweithöchsten gewetteten Hengst unter sich hatte. Starke stammt aus Stade bei Hamburg, die Rennbahn in Horn nennt er "mein Wohnzimmer", er weiß, wie er sich auf dem Hamburger Geläuf verhalten muss. Sechs Mal hatte er hier schon das Deutsche Derby gewonnen, ehe er am Sonntag mit Nutan seinen nächsten Versuch startete. Und dann zeigte er eine taktische Meisterleistung. Hielt Nutan zunächst dezent zurück, platzierte ihn geschickt im frühen Konkurrenz-Kampf mit den Außenseitern und schickte ihn dann auf der Schlussgerade in einen unwiderstehlichen Spurt. Nutans Vorsprung vor Palace Prince mit Eddie Hardouin und dem drittplatzierten Fair Mountain (Eduardo Pedroza) betrug mehrere Längen.

"Er hat ihm ein perfektes Rennen gegeben", lobte Trainer Peter Schiergen. Und auch Nutans Besitzer, der Stall Nizza von Ursula und Jürgen Imm aus Freiburg, war angemessen begeistert.

Es ist insgesamt eine gute Derby-Woche gewesen für den Hamburger Renn-Club mit ordentlichen Wettumsätzen und vernünftigen Zuschauerzahlen. Am Sonntag kamen 12 500 Besucher und gaben dem Ereignis eine entspannte Atmosphäre zwischen Stöckelschuh-Parade und Klappstuhl-Kultur. Elitär ist das Derby allenfalls auf den besten Plätzen, ansonsten wirkt es wie ein großes, buntes Familienfest rund um die Wettläufe sehniger Sportpferde.

Am Montag fällt eine wegweisende Entscheidung

Allerdings darf man wohl davon ausgehen, dass hinter den Kulissen des Derbys ein paar richtungsweisende Meetings stattgefunden haben. Der Galoppbranche in Deutschland geht es nicht überragend gut, sie bleibt auf der Suche nach Strukturen für eine sichere Zukunft, und in dieser Hinsicht dürfte an diesem Montag eine wichtigste Entscheidung fallen. Dann will die Gesellschafterversammlung der Betriebsgesellschaft Galopp (BGG), des Zusammenschlusses der Rennvereine, darüber abstimmen, ob sie Mehrheitsanteile ihrer Wettgesellschaft German Tote mehrheitlich an den französischen Branchenführer PMU verkauft. In Frankreich ist der Galoppsport ein echter Bringer, und die PMU ein langjähriger Vertragspartner der Deutschen, der sich immer mehr für den deutschen Markt interessiert. Nicht alle sind begeistert, wenn German Tote unter französischen Einfluss kommt. Andere sehen darin eine Rettung.

© SZ vom 06.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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