Fußball-WM der Frauen:Visionäre gefragt

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Siliva Neid: Zurück in Deutschland (Foto: dpa)

Es ist wichtig, dass Deutschland nach dem enttäuschenden WM-Abschluss eine Trainerinnen-Diskussion führt. Nur dadurch kann sich der deutsche Fußball weiterentwickeln.

Kommentar von Kathrin Steinbichler

Weltmeisterschaften im Frauenfußball sind auch eine Art Fachmesse ihres Sports. Nirgendwo sonst im Frauen-Leistungssport gibt es so viel geballte Aufmerksamkeit, lassen sich notwendige Veränderungen und mögliche Potenziale besser beobachten und diskutieren. Manche Themen liegen offen auf dem Tisch, andere tragen die Teilnehmerinnen mit nach Hause und kauen darauf herum. Beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) dürfte das Verdauen dieser WM in Kanada noch dauern.

Am Ende sind es drei Themen, die von diesem Turnier hängen bleiben werden: die Rolle des Kunstrasens, der gewerkschaftliche Zusammenschluss der Spielerinnen und die wachsende Verantwortung der Trainerinnen. Das erste Thema dürfte sich vorerst erledigt haben: Tatjana Haenni vom Weltverband Fifa räumte bei der Abschluss-Pressekonferenz ein: Der Kunstrasen, der sich in Kanada oft unmenschlich aufheizte und die Spielerinnen zusätzliche Kraft kostete, "ist ein Thema, dessen Problematik wir erkannt haben" - 2019 in Frankreich wird definitiv auf Naturrasen gespielt. Die Kunstrasenfehde war auch der Auslöser, dass sich die Spielerinnen erstmals unter dem Dach der internationalen Spielergewerkschaft FIFPro zusammenschließen und für ihr Mitspracherecht als Profis eintreten.

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Die wachsende Verantwortung der Trainerinnen ist jedoch das spannendste Thema. Schwedens Pia Sundhage ist überzeugt: "Bei der WM 2007 konnte man sehen, dass das Fitnessniveau überall sehr professionell ist. 2011 war zu beobachten, dass die Topteams alle technisch auf einem hohen Level spielen. Jetzt, wo alle eine gute Fitness und Technik mitbringen, war es spannend zu sehen, wer taktisch in der Lage ist, den Unterschied auszumachen. Nie kam es mehr auf die Trainerinnen an als jetzt."

Vielleicht ist es deshalb nicht schlecht, dass Deutschland trotz geschaffter Olympia-Qualifikation nach dem enttäuschenden WM-Abschluss mit zwei Niederlagen eine Trainerinnen-Diskussion führt. Nicht, weil Silvia Neid eine schlechte Trainerin wäre, im Gegenteil: Sie hat mit ihren Erfolgen oft genug bewiesen, was sie kann. Aber die Diskussion über spielerische Konzepte und taktische Flexibilität muss geführt werden, weil sich der deutsche Frauenfußball nur weiterentwickeln kann, wenn er sich damit auseinandersetzt.

Erfolg allein ist kein Konzept, das - einmal gefunden - auf Dauer zu halten ist. Der moderne Frauenfußball ist in seiner Entwicklung an einen Punkt gekommen, an dem Visionäre gefragt sind. Trainerinnen wie auch Spielerinnen, die in der Lage sind, ungewöhnliche Lösungen zu finden und das Spiel auf ein neues Level zu heben. Silvia Neid, die lange und oft erfolgreich war, kann da bis Rio 2016 nur den Weg bereiten, gehen muss ihn ihre designierte Nachfolgerin Steffi Jones. Die allerdings zog es vor, gar nicht erst nach Kanada zu reisen. Die Fachmesse hat sie so leider verpasst.

© SZ vom 07.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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