Fußball-Regionalliga:Der große Schatten

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Ein seltsames Experiment endet bemerkenswert: Trainer Werner Lorant verlässt Regionalligist Unterhaching.

Hastig wackelte Werner Lorant mit der Zunge hin und her, faltete die Hände, legte sie ans Kinn, fuhr sich mit ihnen durchs weiße Haar und ließ sie wieder auf den Tisch sinken. Er wirkte aufgewühlt - und gezeichnet von den stressigen Wochen in der Vorstadt. Norbert Hartmann schlürfte hingegen ruhig seinen Kaffee. Dann verkündete der Manager der SpVgg Unterhaching, was alle im Raum schon wussten: Lorant war überraschend als Trainer des Fußball-Regionalligisten zurückgetreten - zu einem geradezu absurden Zeitpunkt, einen Tag vor dem Spiel in Reutlingen.

Werner Lorant: ratlos statt beinhart. (Foto: Foto: Reuters)

"Nichts hat geklappt"

So merkwürdig der ganze Versuch war, so seltsam ging er auch zu Ende: Die mutige Idee der SpVgg, mit dem 58-jährigen Trainer alter Schule in die Regionalliga zu gehen, ist schon nach dem zehnten Spieltag gescheitert. Auf die Frage, ob dies auch an seinen Methoden gelegen habe, sagte Lorant: "Ja, ja, nichts hat geklappt. Wir wollten oben mitspielen. Das habe ich so nicht hingekriegt" Auf die Nachfrage, ob er sich dies erklären könne, sagte er nur: "Nein."

Natürlich hat er keine Antwort. Denn das Intermezzo in Haching mit dem Abstieg aus der zweiten und dem grandiosen Misserfolg in der dritten Liga passt nicht zum Selbstverständnis des Werner Lorant. Bisher habe er immer sein Soll erfüllt, betonte er stets, in Haching sei ihm dies das erste Mal in seinem Leben nicht geglückt. Aus seinem Lieblingssatz, "ich habe alle meine Ziele erreicht", war nach dem Abstieg schon die Light-Version geworden: "Ich habe fast alle meine Ziele erreicht." Den Ruf des Erfolgstrainers, der ihm in Deutschland trotz einiger kurzlebiger Engagements im Ausland noch nacheilte, hat er in Haching verspielt.

Es hat sich auch als Fehler der Vereinsführung erwiesen, nach dem Abstieg weiter auf den Trainer zu setzen. "Vielleicht passen die Mannschaft und ich auch nicht zusammen. Ich verlange von jedem einzelnen eine aggressive Spielweise, vielleicht konnten das die Spieler nicht umsetzen", mutmaßte Lorant, betonte aber, keine Vorwürfe machen zu wollen.

Die Frage nach dem ungünstigen Zeitpunkt des Abschieds - kurz vor dem Spiel in Reutlingen, bei dem zudem in den verletzten Stefan Frühbeis und Dennis Polak die Innenverteidigung fehlt - kommentierte Lorant verärgert. Auf den Hinweis, er hätte die Partie abwarten können, schnauzte er: "Was ich kann und was nicht, weiß nur ich." Im Stich lasse er die Mannschaft jedenfalls nicht, meinte er: "Dann könnte man auch sagen, dass sie mich im Stich gelassen hat."

Selbst Frühbeis sieht das ähnlich: "Die Mannschaft hat auf jeden Fall einen großen Anteil an der Misere", sagt er. Er finde es schade, dass Lorant gehe. "Er ist ein, nun ja, sehr emotionaler Mensch, aber auch ein sehr loyaler Trainer." Die Spieler wussten es zu schätzen, dass Lorant noch einmal persönlich in den Sportpark kam und in der Kabine eine Rede hielt. "Ich habe noch nie so einen starken Abgang erlebt", sagt Abwehrspieler Ralf Bucher, der mit 35 Jahren schon zahlreiche Trainer in Haching überlebt hat. "Andere würden sich heimlich davon stehlen." Lorants offensiver Abschied passt ins Bild: Er wollte erhobenen Hauptes gehen und einer möglichen Entlassung zuvor kommen.

"Ich hatte kein schlechtes Verhältnis zur Mannschaft"

Lorant überraschte zum Abschluss noch einmal alle, selbst seinen Manager. "Wir wollten gegen Reutlingen die Wende schaffen - gemeinsam mit Lorant", betonte Hartmann. Beide wiederholten immer wieder, dass es nicht an zwischenmenschlichen Verstimmungen lag. "Ich habe in meiner Karriere noch nie große Probleme mit Spielern gehabt", sagte Lorant, "auch jetzt hatte ich kein schlechtes Verhältnis zur Mannschaft." Mindestens Babacar N'Diaye, Patrick Ghigani und Ivica Majstorovic, die nach dem Abstieg gingen, oder Bruno Custos werden das anders sehen. Es gab allerdings auch Spieler, die den Trainer gerade wegen seiner kantigen Art mochten - aber auch einige von ihnen hatten Zweifel, was Aufstellung und vor allem Taktik anging.

Über einen Nachfolger für Lorant wurde selbst im Umfeld der SpVgg noch nicht gesprochen, denn zunächst zählt nur die Partie am Freitagabend. Auch Interimstrainer Ralph Hasenhüttl wäre ein Kandidat, wenn er in seinem ersten Spiel als Cheftrainer erfolgreich ist. ,"ich will mit der Mannschaft in Reutlingen das Bestmögliche herausholen, alles andere zählt für mich im Moment nicht", sagte Hasenhüttl. "Wir werden alles andere danach sehen." Als Co-Trainer reist Matthias Lust mit, der im Rahmen seiner Trainerausbildung ein Praktikum bei der ersten Mannschaft absolviert. Jedenfalls, betonte Hartmann, haben die Hachinger Spieler jetzt keine Ausreden mehr: "Der große Schatten des Werner Lorant über der Mannschaft ist weg."

© SZ vom 5.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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