Fußball in Spanien:Zahnarzt bohrt wieder

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Der Mexikaner Hugo Sanchez, Stürmerlegende in Spanien, kehrt als Trainer eines Abstiegskandidaten zurück. Einst trieb er Klaus Augenthaler in den Wahnsinn.

Javier Cáceres

Auch der Macho sehnt sich bisweilen nach Beistand. Kaum, dass Hugo Sanchez, Mexikos Macho schlechthin, auf der Trainerbank von UD Almería Platz genommen hatte, da erflehte er den Segen seines Gottes für sein Debüt als Coach in Spaniens Primera División: Mit ineinander verschränkten Händen zeichnete er ein imaginäres Kreuz auf seinen Körper. Drei Mal, jedes Mal küsste er zum Abschluss seine Daumen.

Almerias neuer Trainer Hugo Sanchez: Er hat immer schon allzu gut gewusst, wann die Kameras auf ihn gerichtet waren (Foto: Foto: AP)

Pose? Gläubig war er immer schon. Doch andererseits hat er schon immer allzu gut gewusst, wann die Blicke auf ihn gerichtet waren; früher, als er noch für Atlético und Real Madrid oder Rayo Vallecano spielte, hatte er einen Sensor für jeden Moment, in dem Kameras surrten.

Auch am vergangenen Wochenende, dem ersten Spieltag 2009, wusste er nur allzu gut, wie sehr die Medien nach ihm lechzten. Gäbe es nicht die Chaoseinkäufer von Real Madrid, wäre der laufende Wintermarkt für Beine genauso tot wie Spaniens Immobilienmarkt für Steine. Umso wichtiger geriet die Nachricht, dass er zurück ist: Hugo, der Mythos, der treffsicherste nichtspanische Stürmer in der Historie der Primera División und gleichzeitig der dort am längsten beschäftigte Ausländer. Nun ist er Trainer eines Abstiegskandidaten.

Vom Schlage eines sadistischen Dentisten

Er hatte schon früher angeklopft, doch seine Meriten reichten nicht. Obwohl er die "Pumas", eine Universitätsmannschaft aus Mexiko City, zwei Mal zur Meisterschaft geführt hatte. Erst Almería wagte sich an ihn heran, nachdem er im Oktober als Nationalcoach seines Heimatlandes geschasst worden war. "Wir wollten einen Trainer, der sich seinen Namen in Spanien als Coach erst noch machen muss. Der psychologische Fähigkeiten, aber auch einen starken Charakter hat, um ihn den Spielern weiterzugeben", sagte Almerías Vizepräsident Ricardo Martínez. Er hätte auch sagen können: Wir wollten Hugo!

Es machten ihn ja nicht nur die 234 Tore für Atlético, Real und Rayo zur singulären Erscheinung, sondern besonders seine gnadenlose Art, die Nerven seiner Kontrahenten freizulegen und darin rumzubohren. Nicht umsonst ist er gelernter Zahnarzt. Für Verteidiger und Torhüter des Gegners war er einer vom Schlage des sadistischen Dentisten aus John Schlesingers Thriller Marathon-Mann, bei dem Dustin Hofmann in den Behandlungsstuhl musste.

In einem Spiel des FC Bayern bei Real versetzte Klaus Augenthaler dem Mexikaner einen Nackenschlag; zuvor hatte dieser Augenthaler in den Unterleib getreten. Berichtete jedenfalls Augenthaler, denn wie gesagt: Sánchez wusste nur zu gut, wann die Kameras auf ihn gerichtet waren - und wann nicht. Keiner hatte Hugos Tritt gesehen, Augenthaler musste vorzeitig in die Kabine, wo er "zehn Zigaretten in zehn Minuten" rauchte und "alle sechs Duschen" anstellte, "damit ich nichts mehr mitbekam".

Auf der nächsten Seite: Die Torhüter solidarisieren sich, der Zahnarzt antwortet - mit Worten und Toren.

Amador, Torhüter bei Real Murcia, erklärte nach einer Partie, Sánchez habe ihn beleidigt. "Von der ersten bis zur letzten Minute. Unentwegt. Er hat mich alles mögliche genannt, meine Familie in den Dreck gezogen, und mir angedroht, mir den Kopf kaputtzuschlagen. Und die Zähne auch."

Andere Torhüter solidarisierten sich. Der Zahnarzt antwortete. Mit der scharfen Waffe des Wortes: "Es gibt Torwächter, und es gibt Torwächterinnen." Und mit der ebenso scharfen Waffe des Tores: In einer Saison erzielte er 38 Treffer, er stellte damit den Rekord von Telmo Zarraonaindía alias Zarra (Athletic Bilbao) aus der Saison 1950/51 ein. Mit zwei Unterschieden: Erstens, dass Sánchez alle 38 Tore per Direktabnahme erzielte, kein Dribbling, keine Finte, bloß zackbumm! Und zweitens, dass er stets seine Tore mit einem Handstandüberschlag feierte: Seine Schwester Gilda, Gymnastin bei den Olympischen Spielen von Montreal 1976, hatte ihm die Übung beigebracht.

Hugol nannten sie ihn, eine Wortschöpfung aus seinem Namen und dem spanischen Wort für Tor - gol. Fünf Mal wurde er Ligatorschützenkönig. Als Hugol gefragt wurde, was für ihn ein Tor sei - also das Gehäuse, nicht der Treffer -, sagte er: "Ein Staubsauger."

Schiedsrichter als Schienbeinschoner

"Er war der erste PR-Mann seiner selbst, ein intelligenter Torjäger, der die Gabe besaß, seine Treffer mit Worten zu verkaufen", schwärmte Jorge Valdano, ein im Umgang mit Subjekt, Verb und Prädikat gleichfalls bestens geschulter ehemaliger Stürmer, in einem Willkommensgruß im Fußballorgan Marca. Angst hat Ego Sánchez nie gehabt, nicht einmal vor Raubeinen, die ihn für seine Spuckereien und Knuffe züchtigen wollten: "Der beste Schienbeinschoner ist der Schiedsrichter", sagte er.

Jetzt trachtet er danach, "Almería von meiner Ideologie zu überzeugen", sie nährt sich vor allem aus Selbstüberzeugung. Mag das 1:0 am Sonntag gegen Betis Sevilla auch vor allem Fortune geschuldet gewesen sein, weil der gegnerische Torwart patzte und die Gäste zwei Mal bloß die Latte trafen. Hugo, der Macho, war der einzige von bislang fünf neuen Trainern in der laufenden Saison, der sein Debüt siegreich bestritt.

"Ich träume davon, hier zu triumphieren und zu zeigen, dass ich der beste Trainer des spanischen Fußballs bin", sagt er. Ob er sich nach seiner Erfahrung in Mexiko als gescheitert ansehe, wurde er gefragt. "Das ist was für Mittelmäßige und Komplexbeladene. Wir Sieger erleiden Stolperer, von denen wir uns zu erholen wissen." Anders gesagt: "Ich bin auf gutem Wege, Trainer bei Real Madrid zu werden."

© SZ vom 07.01.2009/mikö - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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