Fußball in Italien:Schande über Mailand

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In der vergangenen Saison qualifizierte sich der AC Mailand nur für den Uefa-Cup. Die Fans geben Clubbesitzer Berlusconi die Schuld. In einer Unterschriftenaktion fordern sie ihren Patron zum Verkauf des Vereins auf.

Julius Müller-Meiningen

Schande. Das ist ein Begriff, der in Italien in diesen Tagen vor allem für den auf den Straßen Kampaniens herumliegenden Müll verwendet wird. Kaum hat man ihn im Zusammenhang mit dem glorreichen Fußballverein AC Mailand vernommen. Jetzt ist es soweit. "Schande", rufen die erbosten Tifosi, "Schande, wenn sich die Fans für die eigene Mannschaft schämen müssen". Was ist nur in Mailand passiert? Der Verein ist aktueller Club-Weltmeister, wurde gerade erst von Manchester United als amtierender Champions-League-Sieger abgelöst, war in den letzten zwanzig Jahren sieben Mal italienischer Meister, gewann in derselben Zeit fünf Mal die Champions League. In der vergangenen Saison qualifizierte sich der AC Mailand allerdings nur für den Uefa-Cup. Wenn schon der FC Bayern München diesen Wettbewerb nicht vollends ernst nimmt, was muss das bloß für Milan bedeuten? Silvio Berlusconi, der Clubbesitzer, hätte diesen Ausrutscher nun mit einer spektakulären Einkaufskampagne korrigieren können, monieren die Fans. Hat er aber bisher nicht. In einer Unterschriftenaktion im Internet haben nun bisher fast 10.000 Milanisti ihren Patron zum Verkauf des Vereins aufgefordert.

Mailands Coach Carlo Ancelotti (links) verlängerte seinen Vertrag bis 2010 - Silvio Berlusconi freuts. (Foto: Foto: AP)

"Milan ist nicht mehr wettbewerbsfähig"

Berlusconi, der seit April wieder einmal Italiens Ministerpräsident ist, lässt die Milan-Präsidentschaft ruhen, bestimmt als Finanzier aber immer noch die Geschäfte im Verein. "Unser Präsident hat keine Intention mehr, in den Verein zu investieren", klagen die Tifosi auf der Internetseite www.firmiamo.it/berlusconivendiilmilan und behaupten: "Seit er Politik macht, ist Milan ökonomisch nicht mehr wettbewerbsfähig in Europa."

War da was? Der Medienunternehmer Berlusconi, der den maroden Verein 1986 kaufte, stieg 1994 in die italienische Politik ein. Milan gewann seither alles und wurde zu einer der stärksten Mannschaften Europas. Wenn Berlusconi von Politik und von Fußball sprach, bezeichnete er erstere schon mal als "profan", den Sport als "heilig" und vermischte seine beiden Lieblings-Sphären auch gerne miteinander. Etwa im vergangenen Wahlkampf, als er ausgerechnet auf einer Veranstaltung in Rom versprach, Ronaldinho vom FC Barcelona nach Mailand zu holen.

Ronaldinho ist immer noch nicht in Sicht. Die Tifosi hoffen, dass der angepeilte Transfer von Emanuel Adebayor von Arsenal London klappt. Bisher verpflichtete der Verein nur den zuletzt mäßig spielenden Außenverteidiger Gianluigi Zambrotta aus Barcelona und den französischen Mittelfeldspieler Mathieu Flamini von Arsenal London. Spektakel sieht anders aus. Den Mittelfeldzauberern Pirlo, Kakà und dem jungen Brasilianer Alexandre Pato (18) traut das Publikum zwar einiges zu.

Saure-Gurken-Zeit

Wenn in der Sommerpause keine spektakulären Transfers verkündet werden, beginnt das Volk jedoch zu murren, besonders in Mailand. Die Fans befürchten nun den sportlichen Niedergang mit einem Team, dessen Galionsfigur immer noch Paolo Maldini heißt und gerade 40 geworden ist.

Was der Verein in den vergangenen zwei Jahren erreicht habe, sei auf eine wundersame Leistung der alternden Mannschaft zurückzuführen, behaupten die Fans. "Bizarr" findet die Vorwürfe der Milan-Geschäftsführer Adriano Galliani. "Berlusconi beschäftigt sich überhaupt nicht mit den Geschäften bei Milan und hat schließlich die wichtigsten Spieler für den Uefa-Cup gehalten."

Beschäftigt er sich nun mit dem Verein oder nicht, fragen sich die Tifosi berechtigterweise. In einem Punkt sind sie sich in Mailand wenigstens einig: "Die Steuern, die Stadien, die hohen Preise", sagt Galliani - die italienischen Teams könnten nicht mehr mit den Mannschaften aus England und Spanien mithalten, meint auch er. Es scheint, als sei die Saure-Gurken-Zeit im italienischen Fußball längst angebrochen.

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