Fußball-Bundesliga:"Ein richtiger Fan macht so was nicht"

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Nürnberger Chaoten sorgen in Frankfurt fast für einen Spielabbruch. Klubpräsident Michael A. Roth zeigt Mut und Körpereinsatz in der Fankurve - und trifft am Ende doch noch eine falsche Entscheidung.

Thomas Becker

Wohl selten war Michael A. Roth so lange so nah am Fan. Eine komplette Halbzeit lang postierte sich der Präsident des 1. FC Nürnberg quasi als fleischgewordenes Schutzschild vor der inkriminierten Fan-Kurve, nach dem Motto: "Wenn ich, Michael A. Roth, höchstpersönlich jetzt hier stehe, wird sich ja wohl keiner von den Chaoten trauen, noch einen China-Böller oder irgendso einen Dreck aufs Feld zu werfen."

Die spinnen, die Nürnberger. FCN-Keeper Blazek mit eindeutiger Geste (Foto: Foto: ddp)

Im August wird Roth 73, vor knapp 30 Jahren war er zum ersten Mal Präsident beim Club, doch so etwas wie bei der Partie in Frankfurt ist ihm in all den Jahren auch noch nie untergekommen. Wäre die ganze Angelegenheit nicht so traurig und armselig, man würde sich fast auf ein süffisantes Statement des Ex-Coaches Hans Meyer zu Roths neuer Fan-Nähe freuen.

Es war aber traurig und armselig, was sich nach einer halben Stunde der Bundesligapartie Frankfurt gegen Nürnberg abspielte. Das Spiel wurde für 20 Minuten unterbrochen und stand nach Angaben von Schiedsrichter Peter Gagelmann kurz vor dem Abbruch, nachdem im Nürnberger Fanblock immer wieder Feuerwerkskörper und Böller gezündet worden waren. "Die Fans hatten wohl untereinander ein Problem. Das alles war höchstpeinlich und hat unserem Image schwer geschadet. Das war eine Katastrophe", sagte Roth, "jetzt müssen wir an zwei Baustellen arbeiten: Im Rennen um den Klassenerhalt und an der Wiedergutmachung nach dieser Aktion."

Den Nürnbergern, aber auch den Frankfurtern droht wegen einer möglicherweise unzureichenden Aufsichtspflicht vom DFB-Sportgericht eine empfindliche Strafe. "Ab Montag wird sich die Sportgerichtsbarkeit mit den Vorfällen beschäftigten", kündigte DFB-Vertreter Rainer Koch an. Von Bedeutung für die Ermittlungen des Kontrollausschusses seien neben den Ausführungen des Schiedsrichters im Zusatzbericht die Angaben der zuständigen Sicherheitsbehörden und -experten, erklärte der für Rechtsfragen zuständige DFB-Vizepräsident: "Es ist klar, dass die Vorfälle unter zwei Aspekten zu beurteilen sind. Im Mittelpunkt steht natürlich die Haftung des Nürnberger Bundesligisten für seine Anhänger und deren Ausschreitungen. Eine weitere Frage ist, wie die aus dem Club-Block geworfenen Feuerwerkskörper ins Stadion gelangen konnten und ob damit Frankfurt die Platzaufsicht eventuell vernachlässigt hat."

Beide Seiten begrüßten nach dem Skandal die Entscheidung Gagelmanns, das Spiel fortzusetzen und nicht am "grünen Tisch" entscheiden zu lassen. "Nach einem Abbruch hätte die große Gefahr von Chaos bestanden", sagte Nürnbergs Coach Thomas von Heesen, der die Franken erst im zehnten Pflichtspiel unter seiner Führung zum ersten "Dreier" führen konnte. Auch Eintracht-Vorstandsboss Heribert Bruchhagen hatte während der Unterbrechung Gagelmann deutlich gemacht, "dass bei einem Abbruch die Situation eskalieren könnte". Er betonte, man wolle in der Bundesliga "keine italienischen Verhältnisse" und es müsse bei den Fans eine "Innenbereinigung" stattfinden: "Der Fußball wird vor solchen Idioten nicht kapitulieren."

Vor allen Dingen Roth konnte durch sein beherztes Eingreifen wohl Schlimmeres verhindern. Nachdem Referee Gagelmann nach den Zwischenfällen beide Mannschaften beim Stand von 1:1 in die Kabine geschickt hatte, schnappte sich der Teppichhändler das Stadionmikrofon und ermahnte die Unverbesserlichen. Roth: "Ihr schadet dem Verein und uns." Bis zum Schlusspfiff stand er wenige Meter vor der Fankurve und sprach mit den Fans. Angst hatte er angeblich nicht: "Ich habe doch den größten Teil meines Lebens schon hinter mir."

Bezeichnend für die Zerrissenheit, dass sich die Nürnberger nach dem ersten Rückrundensieg erst nach einer längeren Beratung im Mittelkreis entschlossen, doch noch in die Fankurve zu laufen und sich zu bedanken - energisch herbeigewunken, wenn nicht gar herzitiert vom Präsidenten. Irgendwie erleichtert winkte er zum Abschluss in die Nürnberger Kurve - und grüßte damit sowohl die Chaoten als auch die richtigen Fans.

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