Frauentennis in Wimbledon:Die Rückkehr der Teenager

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Sie sind auf dem Vormarsch und zeigen wenig Respekt gegenüber den arrivierten Damen im WTA-Zirkus. Auch wenn die Favoritinnen auf dem Rasen von Wimbledon sich durchzusetzen wissen.

Von René Hofmann

Tatiana Golovin begann vielversprechend. Den ersten Return schickte sie so schnell an Serena Williams vorbei, dass die Frau mit dem mächtigen Aufschlag nur staunen konnte. Der Rest des Matches lief dann nicht mehr so gut für Fräulein Golovin. Sie verlor 2:6 und 1:6 im Achtelfinale, worüber sie sich jedoch nicht lange grämen sollte. Auch so hat sie in Wimbledon für Aufsehen gesorgt. Alleine durch ihr Alter. Tatiana Golovin ist im Januar 16 geworden.

So jung sollte bei einem Grand-Slam-Turnier niemand mehr so weit kommen. Zumindest war das das Anliegen der Tour-Organisation WTA, als sie 1999 die "Age Eligibility Rule" einführte. Die regelt, wie viele Turniere Teenager spielen dürfen: mit 15 Jahren acht, mit 16 zehn, mit 17 dreizehn. Das volle Programm gibt es erst mit der Volljährigkeit.

Die Vorschrift ist eine Lehre aus dem Fall des Wunderkindes Jennifer Capriati. 1990 kletterte die, genau 14 Jahre und 235 Tage alt, als bisher jüngste Spielerin in die Top Ten. Drei Jahre später jedoch hatte Capriati die Nase voll. Ihr Abstieg und ihre Eskapaden brachten der Tour viel miese Publicity und fügten sich in das Bild, das Andrea Jäger hinterlassen hatte. 1982 stand die mit 16 bei den French Open im Halbfinale, drei Jahre später war ihre Schulter kaputt und ihre Karriere am Ende.

So konnte es nicht weitergehen. Die Age Rule zeigte schnell Wirkung. Die Teenager wurden weniger. Inzwischen sind sie zurück. In Wimbledon schafften es gleich vier unter die letzten Sechzehn: die 17-jährige Russin Maria Scharapowa, ihre 19-jährige Landsfrau Wera Zwonarewa, die 19-jährige Kroatin Karolina Sprem und die 16-jährige Tatiana Golovin, die über einen bemerkenswerten Lebenslauf verfügt - Tochter eines russischen Eishockeytrainers, geboren in Moskau, aufgewachsen in Frankreich, im Winter zuhause im Trainingslager von Nick Bollettieri in Bradenton/Florida, wo sie dann gut Bälle schlagen kann mit der in Sibirien geborenen und mit sieben in die USA ausgewanderten Maria Scharapowa.

Goldgräberstimmung im Osten

Im Frauentennis herrscht Goldgräberstimmung. Vor allem in Osteuropa. Von den 64 Teilnehmerinnen am Mädchenturnier von Wimbledon stammen in diesem Jahr 24 aus dem ehemaligen Ostblock. Der Drang zum Dollar ist so stark, dass die Frauentour schon wieder über neue Altersregeln nachdenkt. Die aktuelle führt dazu, dass die Teenager mit 18 so viel spielen, wie sie können.

Mit leicht absehbaren Folgen: Die Einnahmen explodieren, doch der Erfolg steht auf schwachen Füßen. Verletzungen und das Burn-Out-Syndrom drohen. Als jüngste Beispiele gelten Daniela Hantuchova und Jelena Dokic (beide 21), die nach ihren frühen Erfolgen jäh abstürzten.

Die WTA hat nun eine Expertengruppe berufen, mit Statistiken und Interviews sollen Sport-Gelehrte und Ärzte ergründen, ob die Age Rule Wirkung hat und die Karrieren länger dauern als vor fünf Jahren. Auch dafür lassen sich Anzeichen finden. Immerhin sind vier Spielerinnen im Viertelfinale 28: Jennifer Capriati, Lindsay Davenport (beide USA), Ai Sugiyama (Japan) und Paola Suarez (Argentinien). Im August soll der Bericht der Experten vorliegen. Der Guardian will erfahren haben, was er vorschlägt: Die Kinder sollen in Zukunft einfach wieder öfter spielen dürfen.

© SZ vom 30.6.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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