Frauenfußballstar Prinz:Sie und der Pokal

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Die Stürmerin Birgit Prinz ist zu einer Marke im Frauenfußball geworden. Man nennt sie Phänomen und Gigantin. Inzwischen hat sie auch gelernt, mit ihrer Bekanntheit zu leben.

Kathrin Steinbichler

Es ist auch in China jedes Mal dasselbe Spiel, und Birgit Prinz weiß, dass sie es immer wieder verlieren wird. ,,Ich werde es nie kapieren'', sagt sie, ,,aber ich akzeptiere es inzwischen.'' Wann immer eine Partie abgepfiffen ist, müssen die Fußballerinnen in den WM-Stadien auf ihrem Weg zwischen Platz, Kabine und Mannschaftsbus an dem immer größer werdenden Pulk von Journalisten vorbei. Kameramänner werfen Scheinwerfer an, Radioleute strecken Mikrofone nach vorne, der schreibende Rest zückt Stifte und Aufnahmegeräte und sucht in der Menge nach der einen Person, auf die bei deutschen Spielen alle warten.

117 Tore in 170 Länderspielen: Birgit Prinz, beste deutsche Stürmerin. (Foto: Foto: AP)

Wie eine Löwin, die so schnell und ungestört wie möglich aus der Arena will, geht die 29-Jährige dann meist durch die Gitter dieser Mixed Zone, wirft ab und zu einen Blick in die Menge und hofft - jedes Mal wieder - die Medien würden einmal auf sie verzichten. Doch es dauert meist nur wenige Sekunden, bis der Name der Stürmerin gerufen wird und Prinz stehen bleibt - sie kann nicht entwischen, seit vielen Jahren nicht. Erst recht nicht bei dieser WM, bei der es Deutschland als Titelverteidiger erneut ins Finale geschafft hat, diesmal gegen Brasilien.

Siegtor mit 16

Es liegt einfach daran, dass Birgit Prinz ist, wer sie ist - die erfolgreichste WM-Torschützin und eine der anerkanntesten Stürmerinnen weltweit. Die Physiotherapeutin und angehende Psychologin ist eine Berühmtheit, die die Menschen kennen und erkennen, auch in China. ,,Die Leute hier sind sehr auf mich fixiert'', sagt Prinz, und ihrer Stimme ist anzuhören, dass sie es mehr erduldet als genießt.

Seit 13 Jahren spielt Prinz in der Frauenfußball-Nationalelf, also seit sie mit 16 Jahren in Montreal gegen Kanada in der 72. Minute eingewechselt wurde und eine Minute vor dem Schlusspfiff das 2:1-Siegtor schoss. Die Statistiken des DFB sagen viel über ihre Klasse: 170 Länderspiele, 117 Tore, dreimal Weltfußballerin, zwei olympische Bronzemedaillen, vier EM- und einen WM-Titel. Mit ihrer Dynamik, ihrer Übersicht und Treffsicherheit ist Prinz zu einer internationalen Marke im Frauenfußball geworden.

Wenn in den Stadien in China vor dem Anpfiff ihr Name vorgelesen wird, braust ein Raunen durch die Menge, und das Klatschen der Menschen wird für einen Moment noch lauter. Wenn die deutsche Nationalelf an einem Flughafen oder auf einer Straße zu sehen ist, stellen sich die Chinesen auf die Zehenspitzen, um die großgewachsene, berühmte Stürmerin aus Europa in der Gruppe der Spielerinnen besser zu erkennen. ,,Mit dieser Bekanntheit muss, darf, kann ich jetzt leben'', sagt Prinz.

Jahrelang sah Prinz nicht ein, dass Zuschauer und Journalisten keinen Unterschied sahen zwischen der Stürmerin Prinz, die sich Spiel für Spiel in der Öffentlichkeit präsentiert, und dem Menschen Prinz, der seine Ruhe mag. Doch inzwischen erkennt sie, dass sie andere nicht ändern kann - ihre eigene Einstellung aber sehr wohl. "Als ich damals angefangen habe, waren solche Größen wie Mohr, Neid, Voss oder Fitschen in der Nationalmannschaft'', erzählt Prinz, "ich kam mir da sehr klein vor und hatte ziemlichen Respekt.''

Seit vier Jahren ist sie die Spielführerin und hat Silvia Neid, die heute Bundestrainerin ist, als bekannteste deutsche Fußballerin abgelöst. Die chinesische Presse schreibt vom "Phänomen Prinz'', Norwegens Aftenbladet nannte sie vor dem Halbfinale eine "Gigantin''. DFB-Präsident Theo Zwanziger, der mit zunehmend aufgekratzter Laune in China den Weg der Fußballerinnen verfolgt, sagt: "Die Birgit ist einfach in jeder Hinsicht etwas Besonderes.''

Was außer Fußball?

Die Mannschaft weiß, was Zwanziger damit meint. "Birgit hat sich über die Jahre enorm entwickelt und ist in jeder Hinsicht ein Vorbild'', sagt Verteidigerin Kerstin Stegemann, die mit Prinz seit zwölf Jahren in der Nationalelf zusammenspielt. Ob im Spiel oder im Training, "sie ist voll konzentriert und gibt immer 100 Prozent, auch privat und was ihre Ausbildung betrifft, ist sie den Jüngeren ein Beispiel''.

Nach dem WM-Erfolg 2003 war Prinz in ein mentales Loch gefallen. "Die Erwartungen von außen waren extrem, und ich habe mir selbst auch total Druck gemacht.'' Sie dachte viel nach, begann ein Psychologiestudium und fragte sich selbst, was neben sportlichem Erfolg eigentlich wichtig ist im Leben. "Fußball ist mir wichtig'' sagt Prinz, "aber ich weiß jetzt, was ich sonst noch will vom Leben. Das hat mich selbstbewusster gemacht.''

So selbstbewusst, dass sie nach dem WM-Finale gerne durch die Mixed Zone laufen würde, und alle sehen sie an - sie und den Pokal. Und so selbstbewusst, dass sie nichts gegen die noch größere Menschenmenge hätte, die Theo Zwanziger angekündigt hat: "Egal, wie das Finale ausgeht'', sagte der DFB-Präsident, "einen Empfang am Römer in Frankfurt wird es auf jeden Fall geben.''

© SZ vom 28.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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