Frauenfußball-WM:Scharmützel vor dem Klassiker

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Die deutschen Fußballfrauen stehen heute im Halbfinale auf dem Platz. Gegner Norwegen ist ihnen nur zu gut bekannt.

Kathrin Steinbichler

Theo Zwanziger wird wieder das Amulett mit ins Stadion nehmen, das er von einem Taxifahrer in Schanghai geschenkt bekommen hat. "Das gebe ich nicht mehr her", hatte der DFB-Präsident nach dem Viertelfinale gegen Nordkorea gesagt. Im Halbfinale der Frauenfußball-WM am Mittwoch gegen Norwegen (14 Uhr MESZ) wird Aberglaube allein Deutschland aber nicht zum Sieg verhelfen.

(Foto: Foto: ddp)

"Für das Spiel gegen Nordkorea würde ich uns eine Zwei geben", sagt Kerstin Stegemann, "gegen Norwegen brauchen wir jetzt eine Eins." Norwegen, das ist eine Macht im Frauenfußball. Eine Mannschaft, welche die vergangenen zwei Jahrzehnte geprägt hat und nicht nur wie die deutsche ebenfalls Europameister, sondern auch Weltmeister geworden ist. Etliche Male bei den bisher 28 Begegnungen haben sich die beiden Teams um Turniersiege und Medaillen gebracht. 1995 war das so, im WM-Finale, als Deutschland noch mit Silvia Neid und schon mit Birgit Prinz spielte und 0:2 verlor. Oder im Jahr 2000, im olympischen Halbfinale, als Deutschland mit einem Eigentor 0:1 unterlag - und Norwegen später Gold holte.

"Wir sind den Norwegerinnen schon so oft begegnet", sagt Spielführerin Birgit Prinz, "wir kennen uns in- und auswendig." Es gibt im Frauenfußball nicht viele Klassiker. Dazu war die Weltelite lange zu klein. Das Halbfinale dieser WM aber ist ein Spiel zwischen zwei Mannschaften, die über den taktischen Schlagabtausch auf dem Rasen eine spezielle Art von Freundschaft geschlossen haben. Manche Spielerinnen kämpfen vor so einem Duell mit ihrer Angst, aber "die dürfen wir gegen Norwegen nicht haben", sagt Birgit Prinz, im Gegenteil: "So ein Spiel, das ist doch das Beste am Fußball. Wenn es um etwas geht, und beide Mannschaften gut sind - das ist es doch, wofür du trainierst."

Das Halbfinale gegen die Skandinavierinnen ist eine Begegnung von Spielerinnen, die in der Lage sind, mit hohem Tempo technische Fertigkeiten und taktisches Gespür zu zeigen. "Wer am Ende gewinnt, wird auch die Tagesform entscheiden", sagt Bundestrainerin Silvia Neid. Der offensive Stil der Norwegerinnen kostet Kraft. Seit Bjarne Berntsen als Trainer das Sagen hat, haben sie vom Schlagen langer Pässe auf schnelle, flache, direkte Zuspiele umgestellt. Ein Vorteil könnte nun für die deutschen Spielerinnen sein, einen Tag länger Erholung gehabt zu haben nach dem Viertelfinale und dem Umzug von Wuhan nach Tianjin. Ingvild Stensland etwa, Norwegens Spielmacherin, hielt sich im Abschlusstraining bewusst zurück und verzichtete auf die letzte halbe Stunde. Die 26-Jährige hat bisher alle vier Spiele bestritten. "Sie brauchte einfach etwas Erholung", sagte Trainer Bjarne Berntsen.

Torhüterin Bente Nordby, die hinter den Mittelfeldspielerinnen Stensland und Solveig Gulbrandsen sowie der schon fünf Mal erfolgreichen Stürmerin Ragnhild Gulbrandsen die erfahrene Achse Norwegens bildet, kennt die deutsche Mannschaft genau. Schon 1995 in Schweden, beim ersten WM-Sieg Norwegens, stand die 33-Jährige im Kader. 2003 in den USA, sagt sie, "war eine bittere Stunde für uns" - Norwegen scheiterte schon im WM-Viertelfinale. Jetzt, 2007 in China, sieht Nordby die Zeit gekommen, dass Norwegen wieder an den Titel denken kann, doch auch sie weiß: "Die Spiele gegen Deutschland waren immer sehr umkämpft und interessant. Es sind beides einfach sehr gute, kompakte Mannschaften, die sehr viel Erfahrung haben und sich stetig weiterentwickeln."

"Es wird es ein 50:50-Spiel", meint auch Bundestrainerin Silvia Neid. Dass der Gegner dennoch versucht, ein bisschen zu verunsichern - "das gehört dazu, das kennen wir schon", sagt Birgit Prinz. "Wir wollen Weltmeister werden. Die Mannschaft ist jetzt reif genug", sagt Trainer Bjarne Berntsen. Und die 19 Jahre alte Stürmerin Isabell Herlovsen, der im Viertelfinale gegen China das entscheidende Tor geglückt war, meint frech: "Die Deutschen sind nicht mehr so stark, und wir sind jetzt so richtig in Schwung gekommen."

Die Tochter des ehemaligen Gladbach-Profis Kai-Erik Herlovsen hat zurzeit einen Lauf. Auch beim 7:2 im Gruppenspiel gegen Ghana hat sie schon getroffen. Birgit Prinz, Deutschlands herausragende Angreiferin, nimmt die Scharmützel allerdings gelassen. Ihre Gegnerin, Norwegens Abwehrchefin Ane Stangeland, hat angekündigt, Prinz werde am Mittwoch "keine schöne Zeit" erleben, weil sie die WM-Rekordtor- schützin so ausdauernd verfolgen werde, bis die frustriert sei. Dazu sagte Birgit Prinz in Tianjin nur: "Ich glaube, mich zu frustrieren, wird mit den Jahren immer schwieriger."

© SZ vom 26.09.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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