Frauenfußball-WM:Madame lässt es krachen

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"Sie ist sehr überzeugend in dem, was sie tut": Als Spielführerin weinte sie 1995, als sie im WM-Finale als Verliererin vom Feld ging. Jetzt ist Silvia Neid als Trainerin endgültig in der Weltelite angekommen.

Kathrin Steinbichler, Schanghai

Niemand konnte wissen, wie dieser Moment sein würde, auch Silvia Neid nicht. Nun war es also so weit, und diese beständige Energie, die Neid ausstrahlt - sie war weg. Die deutschen Fußballerinnen waren gerade ins Halbfinale der WM eingezogen, und die Bundestrainerin Silvia Neid, 43, sagte: "Ich bin total platt."

Monate-, ja jahrelang hatte sie sich damit beschäftigt, wie sie an diesen Punkt gelangen kann, an dem sie und die Frauen-Nationalelf sich vom Druck des WM-Erfolgs 2003 befreien. Als das mit dem Halbfinaleinzug gegen Nordkorea geschafft war, lief die Bundestrainerin eine Weile durch die Stadiongänge in Wuhan, sie wirkte wie gesteuert von einem Autopiloten.

Noch im Bereich der Ehrengäste vor dem Kabinenaufgang kamen die ersten Bewunderer, um sich stolz mit ihr fotografieren zu lassen, und Neid stellte sich bereitwillig in Pose. Es dürften ernste Bilder geworden sein, denn zu dem Lächeln, das sie in China sonst trägt, fehlte ihr die Kraft - zu überwältigend war das Gefühl, es endlich geschafft zu haben.

Kritik an der richtigen Stelle

Am Sonntag, wenn die deutschen Fußballerinnen in Schanghai in ihrem dritten WM-Finale nach 1995 und 2003 gegen den Endspiel-Debütanten Brasilien antreten (14 Uhr MESZ, live in ZDF/Eurosport), gibt es für Neid nichts mehr zu verlieren. "Von Nervosität merke ich nichts, nur von positiver Anspannung. Die Freude ist riesengroß", sagt die ehemalige Rekord-Nationalspielerin.

Sie kann längst sicher sein, sich mit dieser Weltmeisterschaft auch persönlich in der Weltelite der Trainerinnen etabliert zu haben. "Sie ist sehr überzeugend in dem, was sie tut, deshalb können wir auch voll auf das vertrauen, was sie uns auf den Platz mitgibt", sagt die Stürmerin Birgit Prinz, die mit Neid noch selbst gespielt hat und sie als eine der älteren Spielerinnen im Team noch mit "Du" anreden darf. "Sie hat sich weiterentwickelt und macht einen richtig guten Job. Sie weiß, was sie will, und sie übt sinnvolle Kritik", sagt Prinz. Wie es scheint, hat Silvia Neid mit ihrer Kritik die richtigen Stellen getroffen.

Zu Jahresbeginn nämlich war nicht ganz klar, wer und was diese Frauen-Nationalmannschaft des Jahres 2007 auszeichnet. Beim Vier-Nationen-Turnier in China im Januar tat sich die deutsche Mannschaft bei drei torlosen Unentschieden sehr schwer; beim hochklassigen Algarve-Cup im März enttäuschte die Mannschaft als Achter mit fehlender Fitness und fehlender Kreativität - und das, obwohl erstmals ein Psychologe und ein Fitnesstrainer bei der Vorbereitung dabei waren, also alles professioneller werden sollte.

Nach außen hin verteidigte Neid ihre Mannschaft und sprach davon, weiter nach Ansätzen und Lösungen suchen zu müssen. Intern krachte es bei den Besprechungen, jede einzelne Spielerin wurde in die Pflicht genommen, noch entschiedener und konzentrierter die Trainingspläne zu verfolgen. "Das war eine schwierige Zeit für uns, wir kannten so heftige Kritik nicht", sagt Verteidigerin Kerstin Stegemann, "aber man muss sagen: Sie war berechtigt. In den Wochen danach ging es immer besser, und jetzt sind wir dort, wo wir hinwollten."

Als Spielerin blieb der WM-Titel aus

Als Spielerin war die technisch und taktisch beschlagene Neid dafür bekannt, ein Fußballspiel und seine Entwicklung lesen zu können. Dennoch blieb es Neid bei 111 Länderspielen und 48 Toren verwehrt, einen WM-Titel zu holen. Als Spielführerin weinte sie 1995, als sie im WM-Finale als Verliererin vom Feld ging.

Beim ersten WM-Sieg 2003 war Neid noch Assistenztrainerin von Tina Theune-Meyer, der bis heute weltweit erfolgreichsten Nationaltrainerin. Vier Jahre später trägt sie selbst die Verantwortung für das Aushängeschild des deutschen Frauenfußballs und hat mit einer Mischung aus routinierten und jungen Spielerinnen den Sprung ins WM-Endspiel geschafft.

Nach den Rücktritten erfahrener Spielerinnen wie Maren Meinert, Bettina Wiegmann oder Steffi Jones waren die Zweifel groß, ob es Neid gelingen würde, unter den zahlreichen Talenten des DFB diejenigen zu finden, welche die Lücken in der Mannschaft füllen und ihr ein neues Gesicht geben könnten.

Doch Spielerinnen wie Melanie Behringer, Annike Krahn oder Simone Laudehr, die beide unter Neid 2004 die U-19-WM gewannen, gehören schon mit Anfang Zwanzig zur Stammelf, auch Lira Bajramaj hatte bereits drei WM-Einsätze. "Man kann die WM hier gar nicht mit 2003 vergleichen", sagt Neid, "das hier sind andere Bedingungen, andere Gegner, es ist ein anderes Turnier, eine andere Mannschaft." Es ist ihre Mannschaft geworden, und ihr Turnier. Und die Energie, die sie kurz verloren hatte? "Die ist wieder da", sagt Neid. Rechtzeitig zum Finale.

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