Frauenfußball-WM:Applaus im Tempel

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Deutschlands Fußballerinnen erfahren im WM-Land China viel Anerkennung. Jetzt bangen sie vor Nordkorea.

Kathrin Steinbichler

Sich unter 1,3 Milliarden Menschen einen Namen zu machen, ist nicht leicht. Umso mehr staunte Nadine Angerer, als sie im buddhistischen Tempel Guiyuan Si in Wuhan von drei alten Frauen erkannt und angesprochen wurde. ,"Das ist doch die Torfrau der Deutschen", meinten die drei lachenden Damen zur chinesisch sprechenden Kamerafrau. Dass daneben noch Birgit Prinz und Ariane Hingst beim Fototermin durch die 350 Jahre alte Anlage flanierten, ließ die Chinesinnen in die Hände klatschen - es ist Frauenfußball-WM im Reich der Mitte, und wenn hier einer Mannschaft neben dem Gastgeberteam die Sympathien zufliegen, dann den Deutschen. Das 11:0 zu Beginn gegen Argentinien hat China beeindruckt, und das 2:0 gegen den ungeliebten Nachbarn aus Japan zusätzliche Sympathien gebracht. "Schön, dass unsere Leistungen der vergangenen Jahre auch in so einem Land registriert werden", stellt Bundestrainerin Silvia Neid fest.

Die Deutschen Frauen sind bei der Fußball-WM in China sehr beliebt. (Foto: Foto: dpa)

Am Samstag aber wird den Deutschen ihre Beliebtheit nichts nutzen, wenn es in Wuhan gegen Nordkorea um den Einzug ins WM-Halbfinale geht (11 Uhr MESZ, live in ARD/Eurosport). Die Olympiaqualifikation ist durch das Vorrunden-Aus von Schweden und Dänemark zwar geschafft, "das ist auch wichtig für die weitere Entwicklung des Frauenfußballs bei uns, für die jungen Spielerinnen, die solche Turniere und Ziele brauchen", sagt Neid. Doch die 43-Jährige weiß auch, dass ein Ausscheiden vor dem Halbfinale für den amtierenden Weltmeister eine Enttäuschung wäre.

Noch nie hat Deutschland gegen Nordkorea gespielt, und auch wenn nach der WM-Vorrunde nun reichlich Videomaterial zur Spielanalyse und Vorbereitung vorhanden ist, so sagt Neid doch: "Das wird ein sehr schweres, enges Spiel, in dem wir nur bestehen können, wenn alle 120 Prozent geben." Vor allem, weil die Bundestrainerin eine spezielle Sorge umtreibt: "Ich vermisse bei uns noch die nötige Präzision und Aggressivität, das Zupackenkönnen." Eigenschaften, die Nordkorea sehr wohl zeigt. Als Assistenztrainer Kim Pong Il das in den einzigen 15 Minuten erklären soll, die Nordkorea während der Tage in Wuhan den Medien gewährt, muss er auch nicht lange überlegen: "Unser großer Führer Kim Jong Il hat uns mit auf den Weg gegeben, dass wir mit einem Erfolg unserem Land einen großen Schub und Kraft für die Bürger geben können." Das Abschneiden der nordkoreanischen Fußballerinnen in China ist nicht nur ein selbstgewähltes Ziel, sondern ein auferlegtes Politikum. "Die werden rennen wie die Hasen", sagt Torfrau Angerer, "und uns über 90 Minuten das Leben schwer machen."

Vor allem die neue Nummer eins im Tor der Deutschen wird dabei einen anderen Fußballnachmittag erleben als in der Vorrunde. Es ist Angerers erstes großes Turnier im Tor, nachdem sie Silke Rottenberg nach ihrem Kreuzbandriss vorerst abgelöst hat. Bislang aber hatte die Torfrau von Turbine Potsdam noch keine Gelegenheit, sich in China groß auszuzeichnen. Die deutsche Defensive hat in der Vorrunde nicht allzu viele brenzlige Situationen erleben müssen. Das wenige, was zu halten war, schnappte sich Angerer. Ähnlich wie bei der WM 2003, als Rottenberg erst im Halbfinale gegen die USA ihre Bestleistung abrufen musste, ist Angerer bewusst, dass mit dem Viertelfinale nun das erste Spiel für Deutschland kommt, bei dem ihre Leistung entscheidend sein kann. "In so einem Spiel gegen so einen Gegner bekommen beide nicht viele Chancen, da kann eine einzige Szene oder Situation entscheiden", sagt Angerer, "und wenn die kommt, muss ich da sein."

Doch Nordkorea hat bei der WM mit einem Fußball für Unruhe gesorgt, dem als Torhüterin nur schwer zu begegnen ist: Mit schnellen Kurzpässen und hohem Lauftempo überbrücken die Nordkoreanerinnen das Mittelfeld und durchschneiden die gegnerische Abwehrreihe. Selbst aus dem Mittelfeld "schießen die aus jeder Lage und Gelegenheit", sagt Neid. Angerer muss also auf Unerwartetes gefasst sein, das Stellungsspiel der Abwehr allein wird die Offensive Nordkoreas nicht ausschalten können.

Die Spielerinnen haben daher ausführlich den 2:1-Erfolg der Schwedinnen analysiert: "Die sind mit einem unheimlichen Einsatz ins Spiel und haben die Nordkoreanerinnen schon beim Aufbau gestört und nicht ins Spiel kommen lassen'', sagt Silvia Neid, "so müssen wir das auch machen". Für Freundlichkeiten ist es für die Deutschen bei dieser WM vorbei.

© SZ vom 22.09.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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