Frauen-Sprint:"Einer der besten Tage meines Lebens"

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Bronze im Sprint: Laura Dahlmeier bei der Biathlon-WM am Holmenkollen. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Nach einem Fehlschuss hatte Laura Dahlmeier schon ihre Chancen schwinden sehen, dann aber gelingt der Deutschen ein fulminantes Rennen, am Ende gewinnt sie Bronze.

Von Volker Kreisl, Oslo

Bis zu diesem letzten Anstieg war das große Fest für die Deutschen noch fader Alltag. Nicht allzu schlecht, aber doch eher so grau wie der Himmel über dem Holmenkollen hatten sie sich am ersten Einzel-Wettkampftag der Biathlon-Weltmeisterschaft präsentiert. Es war der Tag der Sprints, und bis vor diesem letzten Anstieg im Rennen der Frauen sah es so aus, als gäbe es heute zwar kleine Fortschritte für die Einzelnen, passable Ausgangspositionen für die Verfolgungsrennen am Sonntag, jedoch keine Medaillen. Doch dann hatte Laura Dahlmeier diesen letzten Anstieg vor der Arena erklommen.

Sie bog ab und raste in tiefer Hocke auf der Gegenseite hinunter ins Stadion, sie sprang den Steilhang hinauf auf die Traverse hinter dem Schießstand, sie pflügte hinüber ins nordwestliche Eck des imposanten Stadions und jagte schließlich wieder hinunter gen Osten, Richtung Ziellinie. Die Sekunden verrannen, und im Ziel begannen die schon recht sicheren Top-Platzierten zu schlucken. Mit vielleicht dem längsten Schritt ihres Lebens schnitt Dahlmeier dann über den Strich und fuhr noch dazwischen auf den Bronzeplatz, 4,8 Sekunden hinter der Französin Marie Dorin Habert und 18,0 Sekunden vor der tschechischen Gesamtweltcupführenden Gabriela Soukalova. Gewonnen hatte die Norwegerin Tiril Eckhoff.

Eine große, eine glänzende Trophäe für den DSV

Für den Deutschen Skiverband war es mehr als eine Bronzemedaille, es war eine sehr große, sehr glänzende Trophäe. Die Gesichter der Trainer und Betreuer und der durchaus hochgehandelten Sportler waren zuvor doch recht ernst geblieben. Simon Schempp, der Sprint-Achte am Vormittag, war wegen seines Sturzes kurz vor der Ziellinie zerknirscht. Er war in vollem Tempo über die eigenen Stöcke gelaufen, hatte sich gedreht und lag zehn Meter vor dem Ziel im Schnee. "Dass einem das hier passiert, ist extrem ärgerlich", sagte er. Das Malheur kostete ihn grob zehn Sekunden. Alle Deutschen schossen entweder nicht einwandfrei (Erik Lesser, Benedikt Doll, Vanessa Hinz, Franziska Preuß) oder sie waren zu langsam, wie Franziska Hildebrand und Arnd Peiffer, der als Siebter am Vormittag das beste Ergebnis beisteuerte. Er sagte: "Ich bin ganz zufrieden, ich habe das Optimum rausgeholt, vom Laufen her hatte ich nicht die allerbeste Form."

Laura Dahlmeier sagte: "Das war einer der besten Tage meines Lebens." Ein Tag, an dem auch sie lange auf Kurs Mittelmaß gelegen hatte. Sie hatte ihren dritten Saison-Infekt, eine kurze Magen-Darm-Geschichte vom Anfang der Woche auskuriert, war verspätet zur WM angereist, hatte auf den Einsatz in der Mixed-Staffel verzichtet, präsentierte sich dann voller Zuversicht - und schoss schon die zweite Kugel liegend daneben. "Das war's", so erzählte sie später, seien die Worte gewesen, die ihr durch den Kopf gegangen waren.

"Kampf gegen den inneren Schweinehund"

In die Strafrunde und die ersten Meter der dritten Schleife skatete sie ohne Illusion, aber dann meldete sich der alte Lauf-Trieb in ihr, der Grund dafür, dass sie schon als Jugendliche ihrem Trainer Bernhard Kröll in Mittenwald aufgefallen war, dass sie als 19-Jährige bei der WM 2013 in Nove Mesto schlagartig ins Weltcup-Team aufrückte und im vergangenen Jahr WM-Silber in Kontiolahti holte. Sie nannte es in Oslo "den Kampf gegen den inneren Schweinehund".

Die abgeschlagene Dahlmeier gab nicht auf und startete, zunächst unerkannt, doch noch eine Aufholjagd. Vom Monitor des Stadions war sie verschwunden, weil in etwa zeitgleich mit ihrem Stehendschießen unter großem Getöse die anderen Favoritinnen im Ziel eintrafen. Sie blieb fehlerfrei, hatte aber immer noch 29 Sekunden Rückstand auf die Spitze.

Dahlmeier hatte sich bislang oft genug gegen direkte Konkurrentinnen in der Loipe behauptet, nun war der Konkurrent nur noch die eigene Trägheit, und sie bekam ihn Meter für Meter besser in den Griff. Die Trainer und Betreuer waren selber erstaunt, und riefen ihr von Zwischenzeit zu Zwischenzeit immer lautere, immer frohere Botschaften zu, von: "Nur ein paar Sekunden auf Platz fünf!", über: "15 Sekunden auf drei!!" bis: "Zehn auf drei!!!" und: "Knapp vor zwei!!!!" Das war dann ungefähr die Stelle vor dem letzten Anstieg, an dem Dahlmeier endgültig die Sache in die Hand nahm und aus diesem grauen Eröffnungstag einen der besten Tage ihres Lebens machte.

© SZ vom 06.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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