Frauen-Abfahrt in Garmisch:Hallo Lindsey, tolle Fahrt!

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Garmisch erlebt zwei Rennen in einem: Eines von Lindsey Vonn, eines der Konkurrenz. Bei ihrem fünften Abfahrtssieg der Saison enteilt die US-Amerikanerin auch Viktoria Rebensburg.

Von Johannes Knuth, Garmisch-Partenkirchen

Die Nachbereitung eines Skirennens kann manchmal anstrengender sein als das Rennen selbst, vor allem, wenn die Skirennfahrerin Lindsey Vonn heißt. Vonn hatte am Samstag gerade die Abfahrt in Garmisch-Partenkirchen gewonnen, jetzt schob sie sich lächelnd und winkend durch den Zielraum. Hier ein Erinnerungsfoto mit der Luftrettungs-Crew, dort ein paar Wortspenden, lächeln, winken, noch ein Erinnerungsfoto mit ein paar Helfern, mit Vater Alan plaudern, der eigens aus den USA angereist war, endlich Ruhe. Nein, noch einmal das Lächeln anknipsen, diesmal für den Lindsey-Vonn-Fanklub, der eigens aus Sterzing in Südtirol angereist war, hallo Lindsey, tolle Fahrt!

Vonn ließ es mit der Gelassenheit einer seit wenigen Minuten 76-maligen Weltcupsiegerin über sich ergehen. Nur einmal knipste sie das Lächeln aus, als sie gefragt wurde, ob sie bei ihrer Dominanz nicht manchmal den Spaß verliere. "Es gibt immer Konkurrenz", sagte Vonn, "die Mädels auf dem Podest sind auch super. Im Moment passt bei mir einfach alles, das ist ja nicht immer so. Ich bin wirklich sehr glücklich darüber, wie es gerade läuft."

Vonn lag in fünf der sechs Abfahrten des Winters vorne

Vonns Ausführungen änderten freilich wenig an dem Eindruck, den die Abfahrt der Frauen am Samstag in Garmisch-Partenkirchen hinterlassen hatte. Das Publikum hatte ja zwei Rennen bezeugt: Eines von Vonn, eines der Konkurrenz. Letzteres hatte die Schweizerin Fabienne Suter gewonnen (1,51 Sekunden zurück) vor der Deutschen Viktoria Rebensburg (1,57). Patrizia Dorsch erntete als 29. noch ein paar Weltcup-Punkte, während sich Vonn bereits lächelnd und winkend durch den Zielraum schob. Die 31-Jährige hat fünf von sechs Abfahrten in diesem Winter gewonnen. Sie hat damit einen Rekord eingestellt, mal wieder, die alte Marke stammt aus der Saison 2011/12, sie stammt aus dem Besitz von: Lindsey Vonn. Die US-Amerikanerin reicht ihre Siege in diesen Tagen mit großer Selbstverständlichkeit ein, dass man schnell vergisst, wie außergewöhnlich das scheinbar Gewöhnliche doch ist.

"Das ist Wahnsinn, was sie im Moment zeigt", sagte Tina Weirather, die Vorjahressiegerin aus Liechtenstein. Die Hoffnung, Vonn beizukommen, schwindet, am tapfersten gab sich noch Rebensburg. "Im Skisport können immer Fehler passieren", sagte sie, "Lindsey ist auch nur ein Mensch."

Vonn selbst gestand, mit einem Kichern: "Man darf sicherlich nicht unzufrieden sein bei einem Eineinhalb-Sekunden-Vorsprung." Sie habe viel von ihrem Ausfall in Val d'Isère gelernt, fügte sie an, von der einzigen Abfahrt des Winters, die sie nicht gewonnen hat. "Ich kann nicht immer alles riskieren", so Vonn, "ich muss auch mal mit dem Kopf fahren, nicht immer nur mit dem Herz. Die Balance passt gerade sehr gut."

Fies, dunkel, eisig - die Kandahar wirft viele Läuferinnen ab

Die Abfahrt am Samstag war insofern ein guter Stresstest. Der Samstag war kühl und sonnig, die Kandahar war gut präpariert, und gut präpariert bedeutet in Garmisch: fies, dunkel, eisig. Hinter jeder Kurve wartete eine neue Bosheit, mal eine wellige Gleitpassage, mal ein kurzer, mal ein langgezogener Schwung. Und überhaupt mussten die Fahrerinnen immer ihrem Glück vertrauen, nicht über eine der Wellen und Schläge zu stolpern, über eine der zig kleinen Fallen, die im Schatten des Nordhangs lauerten.

Die ersten Fahrerinnen trieb es weit von der Ideallinie weg, von den ersten Sechs erreichte eine das Ziel. Die Österreicherin Cornelia Hütter erwischte einen Schlag im Eishang, sie musste einen kleinen Spagat vorführen, um nicht zu stürzen. Die Schweizerin Lara Gut, Vonns Verfolgerin im Gesamtweltcup, verlor vor der Einfahrt in die Fis-Schneise die Kontrolle über den linken Außenski, sie wurde 14; so langsam verliert Gut (873 Punkte) Vonn (1000) aus ihrem Blickfeld. Die Kanadierin Larisa Yurkiw, Suter, Rebensburg, sie schlängelten sich dann passabel durch den Kurs. Aber oben stand ja noch die Fahrerin mit der Nummer 22, Lindsey Vonn.

Rebensburg im Gesamt-Weltcup schon auf Platz drei

Rebensburg hat schon recht, Lindsey Vonn ist auch nur ein Mensch. Auf Skiern ähnelt sie in diesen Tagen aber eher einer Maschine, mal wieder. Einer Maschine, bei der jede Schraube gut geölt ist, jedes Rädchen ineinander greift. Sie löst sich selten aus ihrer Abfahrtshocke, weder in Gleitpassagen noch in den Steilhängen. Sie fährt wie ein Intercity, neigt sich in jede Kurve, verliert dabei kaum Geschwindigkeit. "Sie verteilt den Druck ganz gleichmäßig auf beide Skier, während der ganzen Kurve", sagte Rebensburg, auch sie musste zugeben: "Wenn sie so fährt, dann brauchen wir schon einen extrem guten Lauf."

Rebensburg durfte sich am Samstag mit der Gewissheit trösten, dass sie die aktuell zweitbeste Form im Feld mit sich führt. Der dritte Platz in Garmisch war ihr erstes Abfahrts-Podium des Winters, ihr drittes überhaupt. "Es hat zuletzt nie ganz hundertprozentig zusammengepasst", sagte Rebensburg, sie meinte die vergangenen Abfahrten, "heute war es so, dass die Hundertstel mal auf meiner Seite waren." Die beiden Weltcup-Erfolge zuletzt im Riesenslalom, nach mehr als dreijähriger Dürre, die würden schon helfen, sagte sie: "Man geht mit einer gewissen Lockerheit an den Start." Und der Gesamtweltcup, in dem sie sich auf den dritten Platz gedrängelt hat, 133 Punkte hinter Gut? "Ich rechne da gar nichts", sagte sie, "für mich ist wichtig, dass ich abschwinge und sagen kann, okay, ich habe alles gegeben. Wenn dann mal ein Platz weiter hinten rauskommt, dann ist es so."

© SZ vom 07.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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