Frankfurt siegt weiter:Mit neuem Glauben 

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Die Eintracht gewinnt erneut ein Nachbarschaftsduell und kann sich nun wieder aus eigener Kraft vor dem Abstieg retten: "Wir bekommen das Endspiel in Bremen".

Von Frank Hellmann, Darmstadt

Es ist den Baulichkeiten des Uralt-Stadions am Böllenfalltor geschuldet, dass laute Jubelschreie von einem bis ans andere Ende des Kabinenganges zu hören sind. Etwa das infernalische Gebrüll, das Lukas Hradecky beim Verlassen des Platzes ausstieß. "Was für ein Gefühl!" schrie der Eintracht-Torwart, während gleich neben ihm die Spieler des SV Darmstadt 98 mit hängenden Köpfen in die Umkleide schlichen. Der 2:1 (0:1)-Sieg im emotional brisanten Hessenderby könnte ein fast existenzsicherndes Signal gewesen sein. Gerade in einer vorher so dermaßen aufgeladenen Begegnung, in der wegen der Ausschreitungen in der Hinrunde der gesamte Gästeblock verwaist geblieben war, es aber trotzdem zu Ausschreitungen kam (siehe weiteren Text).

"Wir haben uns alle gemeinsam zurückgekämpft", meinte Hradecky. Aus der launischen Diva, die vor wenigen Wochen noch scheinbar hilflos dem fünften Abstieg in den vergangenen zwei Jahrzehnten entgegentaumelte, ist nun ein widerstandsfähiges Ensemble geworden, das nacheinander zwei Nachbarschaftsduelle gewann: Die Willensleistung in Darmstadt wies erstaunliche Parallelen zum Kraftakt gegen Mainz auf. Erneut besann sich die Eintracht nach einem Rückstand auf eine Wehrhaftigkeit, die unter Armin Veh völlig verloren gegangen war.

Klimax eines intensiven Spiels: Frankfurts Aigner bejubelt das 2:1. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Niko Kovac hat die kämpferischen Tugenden wiederbelebt

"Es ist für uns jetzt sehr viel leichter geworden, denn wir brauchen nicht mehr auf die anderen schauen", konstatierte Eintracht-Trainer Niko Kovac, der beim späten Siegtreffer des zur Pause eingewechselten Stefan Aigner (83.) an der Seitenlinie einen Luftsprung vollführte. Kovac hat bei der Eintracht die kämpferischen Tugenden wiederbelebt. Den direkten Abstiegsplatz belegt nunmehr der SV Werder - und in Bremen treten die Hessen am letzten Spieltag an. Für das Montagsspiel zwischen Werder und Stuttgart hat der Kroate keinen besonderen Wunsch: "Wir lassen uns da einfach überraschen."

Vorstand Axel Hellmann sagte: "Wir bekommen das Endspiel in Bremen, mit dem wir alles selbst in der Hand haben." Der spitzfindige Jurist hatte schon vor Wochen vorausgesagt, dass der Abstiegskampf noch irre Wendungen nehmen könnte - und Ereignisse eintreten, die nicht vorherzusagen sind. Sein Team zählt nun zu jenen, die im Schlussspurt besonders tapfer auftreten. "Vielleicht sollten wir den Gang ins Museum mal am Anfang der Saison machen", scherzte Hellmann in Anlehnung an die eigene Historie. Erst kürzlich hat sich der Verein ja an seine wundersame Rettung 1999 erinnert, als an den letzten vier Spieltagen tatsächlich vier Siege gelangen. Treten nun Aigner und Co. in die Fjörthoft-Fußstapfen? Daran glaubt selbst Hellmann nicht, weil der nächste Gegner Borussia Dortmund heißt - "und der ist übermächtig". Dennoch: Auch unter den Verantwortlichen ist der Glaube an die Rettung zurück.

Sandro Wagner scheitert kläglich beim Elfmeter

Doch danach sah es lange nicht aus: In der ersten Hälfte stand die Eintracht-Mannschaft komplett neben den Schuhen. Die Abwehr wirkte wacklig, das Mittelfeld gedanklich zu langsam. Und Stürmer Haris Seferovic hatte nur eine Chance, bei der Darmstadts Torwart Christian Mathenia prächtig reagierte (27.). "Das war die schlechteste Leistung meiner Amtszeit. Wir haben nix auf die Reihe bekommen", kritisierte Kovac. Die Strafe folgte, als Mario Vrancic nach schöner Vorlage des Ex-Frankfurters Marcel Heller den Führungstreffer für die Gastgeber schoss (12.). Und als Haris Seferovic kurz am Trikot von Luca Caldirola zupfte, verhängte Schiedsrichter Manuel Gräfe einen Elfmeter, den allerdings Sandro Wagner fast kläglich vergab: Seinen schwachen Schuss wehrte Hradecky ab (20.). "Ich bin mit unserem Scout Marcel Daum alle Varianten durchgegangen: Sandro hat keine feste Ecke, aber ich habe tief in seine Augen geschaut", erklärte der Keeper.

Es brauchte allerdings erst eine klare Trainer-Ansage in der beengten Gäste-Kabine, damit auch seine Vorderleute wirklich in Fahrt kamen. Die Eintracht belohnte sich durch Makoto Hasebe, dessen 17-Meter-Schuss die Bremen-Leihgabe Caldirola abfälschte (56.). "Mit dem 1:1 ist bei Darmstadt Verunsicherung eingekehrt, bei uns kam Selbstbewusstsein dazu. Die Mischung aus beidem hat zum Sieg geführt", analysierte Frankfurts Vorstandschef Heribert Bruchhagen. Gleichwohl räumte auch er ein: "Nach einem 0:2 hätte mir die Vorstellungkraft gefehlt, wie wir das noch hätten drehen sollen."

© SZ vom 01.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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