Frank Lampard:Magische Leuchte im Mittelfeld

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Frank Lampard verkörpert mit ultra-effektiver Spielweise und unbedingtem Siegeswillen wie kein anderer den FC Chelsea des Jahres 2005.

Von Raphael Honigstein

Die Demarkationslinie zwischen Wahnsinn und Wertarbeit ist im Fußball oft erst nach dem Schlusspfiff erkennbar. Gegen 21.45 Uhr Ortszeit wird man mehr wissen.

Ultra effektiv und extrem torgefährlich - Chelseas Wunderwaffe Frank Lampard. (Foto: Foto: Reuters)

Genauer gesagt, ob José Mourinhos aus akribischer Arbeit, nackter Arroganz, manipuliertem Blut, Rebellenromantik und einer guten Tonne Hybris zusammengeschraubtes Gesamtkunstwerk es auch mit den nicht viel weniger abgeklärten, aber vergleichsweise ruhigen Münchner Pragmatikern aufnehmen kann.

Wie immer das Spiel auch ausgehen mag, es wird sein Resultat sein, obwohl er ja gesperrt auf der Tribüne sitzt.

Größere Reibungsverluste

Fragt man irgendeinen Chelsea-Kicker von Nummer 1 bis 35, hört man, dass die Mannschaft es genießt, im Windschatten des stoppelbärtigen Zampanos spielen zu können. Das Kalkül funktioniert bisher, aber die Reibungsverluste werden größer.

Schade ist besonders, dass bei all dem (inszenierten) Wirbel um den Mann aus Sétubal kaum noch über das extrem starke und darüber hinaus sympathische Team geredet wird.

Das liegt auch ein bisschen an der Spielweise der "Blues", die der nationalen Konkurrenz mit einer nahezu perfekten, aber für Premier-League-Verhältnisse unspektakulären Synthese aus englischem Flügelspiel und italienischer Defensivkunst enteilt sind.

Akzente im Strafraum

Individualisten müssen sich in den Dienst des Kollektivs stellen, und ähnlich wie bei den Bayern ist deswegen auch an der Stamford Bridge ein zentraler Mittelfeldspieler wichtigster Mann auf dem Platz: Frank Lampard, 26, verkörpert mit seiner ultra-effektiven Sachlichkeit, dem unbedingten Siegeswillen und seiner phänomenalen Spielintelligenz den FC Chelsea 2005.

Der Sohn des ehemaligen Fußballprofis Frank Lampard Sr. kam lange vor Abramowitsch, im Jahre 2001, für 15,5 Millionen Euro von West Ham United nach Westlondon und ist schon statistisch gesehen ein absoluter Ausnahmespieler: Im September 2001 hat er zuletzt ein Ligaspiel für die Blauen verpasst.

Sogar unter Mourinhos Vorgänger Claudio Ranieri, dem römischen Großmeister der Rotation, war "Magic Lamps", so sein Spitzname bei den Kollegen, stets gesetzt. Als der überragende "box to box"-Spieler Europas setzt er in beiden Strafräumen Akzente, ist enorm torgefährlich, und findet für komplizierte Probleme einfache Lösungen.

Wohlerzogener Essex-Boy

Seine Kondition hat der Mann mit der zweiten und dritten Luft dem harten Drill des Vaters zu verdanken. Der nahm ihn früher gerne zum Golfen mit, und ließ ihn immer wieder um den Platz laufen, während er an seinem Handicap arbeitete. "Ich habe früh gelernt, hart zu arbeiten", sagt der 26-Jährige, für den Mourinho "der beste Trainer, den ich je hatte" ist.

Der in einer teuren Privatschule erzogene Essex-Boy mit Einser-Abschluss in Latein war als Fußballer allerdings nicht immer so unumstritten. Zyniker meinten, er würde seinen Platz in der West-Ham-Elf weniger seinem Talent als der Tatsache verdanken, dass Trainer Harry Redknapp sein Onkel und sein Vater dessen Assistent war. Darüber hinaus schien ihm der frühe Ruhm nicht zu bekommen.

Nach der EM 2000 war er zusammen mit den Nationalmannschaftskollegen Rio Ferdinand und Kieron Dyler in einen landestypischen Skandal verwickelt - das Trio hatte sich und eine junge Frau auf Zypern heimlich beim Sex gefilmt - und im September 2001 pöbelte er in betrunkenem Zustand amerikanische Touristen an, die wegen des Terroranschlags in New York in einem Londoner Hotel festsaßen. Chelsea verdonnerte ihn zu 80 000 Pfund Strafe.

"Ich kann sogar kochen"

Lampard landete damals mehr Treffer in der Nobeldisko "China White" als im gegnerischen Strafraum, doch im ersten Jahr der Ära Abramowitsch entwickelte er sich zum Musterprofi: "Ich esse jetzt die richtigen Sachen zum richtigen Zeitpunkt, kein Fast-Food mehr wie bei West Ham. Und ich kann sogar kochen."

Für Mourinho ist die magische Leuchte aus Romford der verlängerte Arm auf dem Feld. Als der Coach vergangene Woche in Tel Aviv eine 90-minütige Rede vor israelischen und arabischen Trainern hielt, schloss er nicht zufällig mit einem Diabild, das ihn und Lampard in einer herzlichen Umarmung zeigte. "Wir lachen zusammen, vielleicht weinen wir bald auch zusammen", sagte Mourinho.

Heute Abend muss es Lampard jr. alleine richten. Im Erfolgsfall dürfte er schon bald zum zweiten echten Superstar seines Vereins werden. Der bisherigen Nummer eins würde er damit einen großen Gefallen tun - José Mourinho könnte dann in Zukunft vielleicht etwas kürzer treten.

© SZ vom 6.4.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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