Formel 1:Unkomplizierter Platzhalter

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Der Brasilianer Felipe Massa, bei Ferrari der neue Mann an Michael Schumachers Seite, fügt sich bereitwillig in die Rolle des Lehrlings.

René Hofmann

Madonna di Campiglio - Felipe Massa ist die Nummer acht auf der Liste, und er weiß, dass ein entscheidendes Jahr vor ihm liegt. Nelson Piquet, Martin Brundle, Riccardo Patrese, JJ Lehto, Johnny Herbert, Eddie Irvine und Rubens Barrichello sind in der Formel 1 an der Seite von Michael Schumacher angetreten. Für die meisten war die Karriere daraufhin bald vorbei. Wer auf Dauer eine Chance bekommen will, darf den Vergleich mit dem Teamkollegen nicht dauerhaft verlieren. Gegen Schumacher ist das schwer. Als Rubens Barrichello den Platz von Eddie Irvine bei Ferrari einnahm, sagte Irvine: ¸¸Gott stehe Rubens bei. Neben Michael Schumacher zu fahren, ist so, als ob dir vier Tage lang jemand mit dem Cricketschläger auf den Kopf haut."

Noch ist Felipe Massa zuversichtlich: ¸¸Das ist eine große Gelegenheit für mich. Ich hoffe, dass ich ein gutes Jahr habe", sagt er vor den knapp hundert Journalisten, die sich im größten Saal von Madonna di Campiglio getroffen haben, um den ersten Auftritt des Brasilianers als Ferrari-Pilot zu erleben.

Felipe Massa ist 24 Jahre alt. Wenn er spricht, stößt seine Zungenspitze manchmal leicht gegen die Zähne. Er hat ein weiches Bubengesicht. Auf die dunklen Haare, die so lang sind, dass sie links und rechts hinter seinem Kopf hervorlugen, hat er eine rote Schildkappe geschoben. ¸¸Unter dem Helm fühle ich mich wohler", sagt er. Aber mit dem Cricketschläger habe das nichts zu tun. ¸¸Bisher ist Michael immer nett gewesen", sagt er. Einiges habe er sich schon abschauen können beim siebenmaligen Weltmeister. ¸¸Ich bin hier, um zu lernen - in allen Bereichen", sagt Massa. Freche Sätze klingen anders. Der neue Mann an Schumachers Seite fügt sich bereitwillig in die Lehrlingsrolle.

Rubens Barrichello bezeichnete sich als ¸¸Nummer 1b". Welchen Stellenwert gibt sich Massa? ¸¸In meinem Vertrag steht keine Zahl. Dort steht, dass ich alles für das Team tun muss, und dass es alles für mich tun wird", sagt Massa. Vierter - in der Qualifikation wie im Rennen - waren bisher seine besten Platzierungen. Fernando Alonso ist jünger und war schon Weltmeister, Kimi Räikkönen hatte in seinem Alter schon ein Rennen gewonnen. ¸¸Aber ich sitze jetzt zum ersten Mal in einem konkurrenzfähigen Auto", verteidigt Massa sich gegen derlei Zahlenspiele. Dass er ein Jahr lang den Ferrari bewegen darf, nennt er eine ¸¸goldene Chance". Siege in Rot fallen besonders auf. Niederlagen allerdings auch.

¸¸Es war immer mein Traum, für dieses Team zu fahren", sagt Massa. Sein Tretauto, sein Go-Kart, sein erster richtiger Wagen - alle waren rot. Als er sechs Jahre alt war, bekam er von seinem Vater ein Motorrad geschenkt, doch als der sah, wie rabiat der Sohn zu Werke ging, setzte er ihn schnell auf vier Räder. So kam Felipe Massa zu den Go-Karts, wo er sich schnell nach oben arbeitete - wieder mit der Unterstützung seines Vaters. Der tauschte immer wieder einige der Plastikteile, die seine Firma für die Autoindustrie presste, gegen bessere Kart-Teile. So wuchs das Talent. Mit 19 war es so groß, dass Felipe Massa von seiner Heimat Brasilien nach Italien zog.

Ein Jahr später durfte er für das Team des Schweizers Peter Sauber seinen ersten Formel-1-Test absolvieren. Der Privatier war beeindruckt. ¸¸Felipe hat einfach diesen zusätzlichen Gang", staunte Sauber und engagierte Massa als Nachfolger für Kimi Räikkönen, der ohne große Erfahrung in die Formel 1 gestartet war, alle überrascht hatte und für eine gewaltige Ablöse zu McLaren weitergezogen war. Massa sollte der zweite Räikkönen werden. Sogar die Wohnung des Finnen übernahm er.

Ungestüm zog er los. Zu ungestüm. Das Aufsehen, das er erregte, war so groß, dass Ferrari ihn langfristig an sich band - allerdings als Testfahrer. Zwölf Monate drehte er brav Übungsrunden, bevor er für zwei Jahre erneut an Sauber ausgeliehen wurde. Dass er jetzt tatsächlich Ferrari fahren darf, hat viele Gründe. Der wohl wichtigste: Michael Schumacher hat sich noch nicht entschieden, ob er seine Karriere über das Jahr 2006 hinaus fortsetzen möchte. So lange er Ferrari fährt, sind aber kaum anderen Spitzenkräfte nach Maranello zu locken. Der Gedanke, einen unkomplizierten Platzhalter zu engagieren, lag deshalb nahe. Der ist Massa. Noch dazu lässt er sich durch familiäre Bande besonders gut am kurzen Zügel führen. Sein Manager ist Nicolas Todt, der Sohn von Teamchef Jean Todt.

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