Formel 1:Und läuft und läuft und läuft

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Das neue Reglement verlangt den Motoren viel ab.

Von René Hofmann

Ein Verlierer der Formel-1-Saison steht bereits fest. Die Abteilung Collectors bei BMW. Im vergangenen Winter gossen die Sammlerfreunde Teile siegreicher Formel-1-Motoren in Glas und boten die Kolben, Pleuel und Drosselklappen nebst der Dokumentation, welchem Fahrer das Teil zu welcher Ehre gereicht hatte, für einige Tausend Euro feil.

Bald jedoch könnte der Nachschub ausgehen. "In diesem Jahr", sagt Sportdirektor Mario Theissen, "werden wir rund zehn Prozent weniger Motoren bauen." Unglücklich ist er darüber nicht. "Der einzelne Motor wird zwar teurer", sagt Theissen, "unser Gesamtbudget aber sinkt."

Teure Spielchen

Vor zwei Jahren beschloss der Automobilweltverband, der die Formel-1-Spielregeln festlegt, dass die Triebwerke ab 2004 vom ersten Training am Freitag bis zum Rennende am Sonntag halten müssen. Es sollte Schluss sein mit den teuren Wechselspielchen. Bis zum vergangenen Jahr schraubten die Spitzenteams für jede kleine Ausfahrt ein neues Aggregat ins Auto. Wer das in diesem Jahr tut oder - nach einem Motorschaden - tun muss, wird in der Startaufstellung zehn Plätze zurückgesetzt.

Die neue Regel sollte Geld sparen. "Dabei", sagt Theissen, "ergeben sich gegenläufige Wirkungen. Die Planung und die Entwicklung der Motoren wird teurer, weil wir sie auf 800 statt auf 400 Kilometer ausgelegen müssen. Weil wir jedoch weniger Motoren bauen, reduzieren sich die Teilekosten, die in unserem Budget der größte Posten sind."

Aus rund tausend verschiedenen Puzzelstücken besteht jeder Zehnzylinder. Im abgelaufenen Jahr schraubten alleine die Münchner in ihrer Formel-1-Fabrik mehr als 200 davon zusammen. Stückpreis: rund eine Viertel Millionen Euro - schätzungsweise. Genaue Zahlen gibt kein Hersteller bekannt.

Brüllendes Kind

Als gesichert darf aber gelten, dass die teuren Stücke weniger als hundert Kilogramm auf die Waage und rund 900 PS auf die Straße bringen. Beim Qualifying zum Großen Preis von Italien brüstete sich Theissens Truppe vor zwei Jahren, ihrem brüllenden Kind zum ersten Mal mehr als 19000 Umdrehungen entlockt zu haben. Eine Zahl, die bis heute als Richtgröße gilt.

In den vergangenen zwei Jahren bestand die Herausforderung für alle sieben Formel-1-Motoren-Bauer (Mercedes, Ferrari, Renault, Toyota, BMW, Honda, Ford-Cosworth), ihren Modellen die doppelte Ausdauer beizubringen und ihnen dabei so wenig Kraft wie möglich zu nehmen. "Wir haben unser Entwicklungsprogramm einige Monate vorverlegt", sagt Theissen. "Die Konzeption des Motors für 2004 hat Ende 2002 begonnen. Wir haben dabei zunächst zwei Pfade parallel beschritten. Wir wollten herausfinden, ob wir generell robuster bauen müssen, oder ob es reicht, unser bisheriges Konzept zu modifizieren."

Einige Monate und etliche Computersimulationen später fiel die Entscheidung: Das Prinzip bleibt das alte. Bei Konkurrent Renault führte die gleiche Rechnung zu einem ganz anderem Ergebnis. Die Franzosen wandten sich von ihrem extrem großen Zylinderwinkel ab und konventionellen 72 Grad zu. Bei Ferrari wiederum blieb die Philosophie die alte, wofür Motorenkonstrukteur Gilles Simon, 45, eine einfache Erklärung hat: "In meinem Alter", sagt er, "wechselt man nicht mehr so leicht die Philosophie."

Allen Teams gemein war das Streben, ihre Konstruktionen extra früh fertig zu bringen, um ihre Haltbarkeit auf Prüfständen und in Testfahrten zu kontrollieren. Michael Schumachers neuer Antrieb grollte im Oktober 2003 zum ersten Mal. Das BMW-Aggregat, das seinen Bruder zum Titel befördern soll, erlebte seine erste Ausfahrt gar schon Mitte September.

Weniger Zeit

"Weil die Motoren nun doppelt so lange halten müssen, dauern die Probeläufe natürlich auch doppelt so lang", rechnet BMW-Mann Theissen vor. "Die Entwicklung findet zunehmend auf dem Prüfstand statt, weil dazu bei den Rennen immer weniger Zeit bleibt", sagt Ferrari-Motorenchef Paulo Martinelli.

Um die Triebwerke zu schonen, werden die Piloten die ersten Testrunden am Freitag vor einem Grand Prix, bei denen die Grundabstimmung der Autos ermittelt wird, von sofort an mit gedrosselter Drehzahl drehen. Die Rennen selbst aber dürften kaum beschaulicher werden. "Als die Regel kam, gingen wir davon aus, dass sie uns zehn Prozent Leistung kostet. Inzwischen bin ich mir sicher, dass wir im Laufe der Saison die Höchstwerte des vergangenen Jahres wieder erreichen werden", sagt Theissen.

© SZ v. 3.3.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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