Formel 1:Rosberg spürt den Druck vor dem ersten Matchball

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Nico Rosberg (l.) und Lewis Hamilton nach dem Qualifying. (Foto: Mark Thompson/AFP)

Der Noch-Champion Lewis Hamilton kommt zum Endspurt besser in Form. Sein deutscher Rivale aber kann am Sonntag den Titel womöglich perfekt machen. Ein Vergleich von Stimmung und Taktik in beiden Lagern.

Von Elmar Brümmer, Mexiko-Stadt

Generalprobe für den Showdown im WM-Titelkampf: In der Qualifikation zum Großen Preis von Mexiko hatte Lewis Hamilton mit 0,254 Sekunden die Nase vorn vor Spitzenreiter Nico Rosberg. Hammer-Time, der Brite kommt zum Endspurt immer besser in Form und holt seine zehnte Pole-Position in dieser Saison. Der Deutsche tat sich zwar schwerer als sonst im Autodromo Hermanos Rodriguez, fand dann aber auf der letzten Runde doch noch die nötige Schubkraft, um sich vom vierten auf den zweiten Startplatz zu verbessern.

Vor 100 000 Zuschauern kann am Sonntagabend (20 Uhr MEZ) zum 14. Mal in der Formel-1-Geschichte die Titelentscheidung schon im drittletzten Grand Prix fallen. Matchball für Rosberg, und der Druck auf ihn wächst. Am Samstag zeigte er sich zunächst erleichtert: "Ich bin ganz zufrieden, dass ich es am Ende noch das richtige Tempo gefunden habe. Es hat etwas länger gedauert, aber aus der ersten Startreihe ist noch alles möglich." Lewis Hamilton weiß, was er tun muss: "Ich geh einfach da raus und mach meinen Job."

Die Ausgangslage

In den ausstehenden drei Rennen kann ein Fahrer maximal 75 Punkte gewinnen. Bei einem Gesamtpunktestand von 331:305 für Nico Rosberg kann Lewis Hamilton aus eigener Kraft nicht mehr Weltmeister werden, es kommt auf die Resultate des Wiesbadeners an. Dem würden auch zwei zweite und ein dritter Platz reichen, selbst wenn Hamilton alle Rennen gewinnt. 26 Punkte Vorsprung bedeuten, dass Rosberg schon am Sonntagabend deutscher Zeit zum ersten Mal Weltmeister werden könnte, wenn er das Rennen gewinnt und Hamilton punktlos ausgeht, also etwa bei einem Ausfall. Holt der Brite einen Punkt, wäre Rosberg auch Weltmeister, weil Hamilton dann maximal einen Gleichstand erzielen könnte. Dann würde die die Anzahl der Siege entscheiden, Rosberg hätte einen mehr. Um das Rennen offen zu halten, wünscht sich Hamilton, dass - einen eigenen Sieg vorausgesetzt - sich zumindest Ferrari- oder Red-Bull-Piloten vor Rosberg setzen und diesen wichtige Punkte kosten. Die letzten beiden Rennen finden in Sao Paulo (13. November) und Abu Dhabi (27. November) statt.

Die Stimmung

Die Umfragen im Fahrerlager des Autodromo Hermanos Rodriguez schwanken wie bei der US-Wahl. Auch Bernie Ecclestone, seit Freitag 86 Jahre alt, revidiert seine Langweiler-Kritik an Rosberg etwas: "Es ist immer gut, einen neuen Champion zu haben. Und Nico ist in diesem Jahr aus seinem alten Selbst herausgewachsen." Sebastian Vettel sagt, ihm sei es "egal", ob Rosberg als dritter Deutscher Formel-1-Weltmeister wird, aber er hat Tipps für die Kontrahenten parat: "Es ist ein Duell auf Augenhöhe. Lewis kann man den Titel immer noch zutrauen, aber Nico steht ihm in nix nach. Jeder muss seinen Kopf freihalten, abrufen, was er nur kann."

Die Taktik

Mercedes-Teamchef Toto Wolff betreibt Entspannungspolitik: "Die beiden gehen offen miteinander um, keiner geht in den Tunnel. Psychologisch ist es einfacher für Hamilton, weil er voll fahren kann. Für Nico ist es deshalb schwieriger, weil man nicht planen kann, auf Platz zwei zu fahren. Zudem muss er alles tun, um eine Kollision zu vermeiden." Rosberg selbst befindet die Situation als "cool". Trotzdem wird er in der ihm eigenen Art jedes mögliche Szenario und die richtige Reaktion darauf mit den Taktikern und Ingenieuren durchspielen. Hamilton speist die nötige Aggressivität aus seiner Routine: "Wenn es einen Moment gibt, um zu zeigen, was ich in meinen Formel-1-Jahren gelernt habe, dann sind es diese drei Rennen."

Das Rosberg-Lager

Es ist das Rennjahr des positiven Denkens für den WM-Spitzenreiter. "Ich habe noch nicht daran gedacht, dass ich verlieren kann. Das wären mir definitiv zu negative Gedanken, die würden mich sicher nicht schneller machen." Auch in den Kampf mit Hamilton, in dem er am Ende schon zweimal unterlegen war, will er keine Energie verschwenden: "Das ist einerseits so intensiv wie immer, andererseits aber auch easy-going." Man kennt sich, man gönnt sich nichts, jeder macht sein eigenes Ding. Rosbergs Mantra, immer nur von Rennen zu Rennen zu denken, verhindert natürlich den Blick aufs große Ganze nicht: "Ich bin mir schon bewusst, wie es steht. Ich habe zwar vor drei Wochen das letzte Mal selbst die WM-Tabelle angeguckt, aber ich werde jeden Tag 25 Mal darauf angesprochen, wie es steht." An seiner Einstellung ändere sich nichts: "Ich konzentriere mich lediglich auf die Dinge, die ich selbst kontrollieren kann: Ich bin hier, um das Rennen zu gewinnen." Immerhin gibt er schon zu, dass der Titelgewinn "die Erfüllung eines Kindheitstraumes" wäre.

Das Hamilton-Lager

Sollte er verlieren, will Lewis Hamilton die Niederlage "wie ein Mann" nehmen: "Ich hatte schon so viele frustrierende Momente in diesem Jahr, ich bin vorbereitet. Meine Mannschaft und ich werden alles dafür geben, dass es mit dem Titel noch klappt, so können wir auf jeden Fall mit einem guten Gewissen in die Winterpause gehen." Aber so lange auch nur ein Prozent Chance bestünde, werde er versuchen, diese auch zu nutzen. Der Triumph in Austin hat ihm sichtlich neuen Schwung gegeben, Glücksbringerin Serena Williams steht wieder in der Mercedes-Box. Hamilton glaubt nicht, dass sich irgendwas an Nico Rosberg geändert habe: "Der einzige Unterschied ist, dass ich eine Menge technischer Probleme hatte."

© SZ vom 30.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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