Formel 1:Nervenkitzel im Schottenrock

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Nach einem spektakulären Zwischenfall siegt der Ferrari-Pilot Rubens Barrichello in Silverstone. Weltmeister Michael Schumacher landet wieder im Feld der Geschlagenen.

Silverstone - Der Nachmittag sollte unter einem anderen Motto stehen. The Rise of the Machines - der Aufstand der Maschinen heißt der Film, für den Arnold Schwarzenegger dieser Tage anscheinend alle europäische Sportereignisse abklappert. Am gestrigen Sonntag führte den ehemaligen Muskelmann seine Promotion-Tour zum Großen Preis von England, wo das Jaguar-Team den Slogan als Willkommensgruß schon auf die Haube seiner Flitzer lackiert hatte. Einen Aufstand der Maschinen erlebte Schwarzenegger beim Sieg von Rubens Barrichello vor Juan Pablo Montoya und Kimi Räikkönen allerdings nicht. Ganz im Gegenteil.

Der Start lief noch wie programmiert: Jarno Trulli im Renault schob sich an Barrichello vorbei an die Spitze. Zwischen den Italiener und den Brasilianer mogelte sich der Finne Räikkönen, so dass die Spitze nach dem ersten Umlauf hübsch bunt daherkam: 1. Trulli (Renault/hellblau), 2. Räikkönen (McLaren/silber), 3. Barrichello (Ferrari/rot), 4. Ralf Schumacher (Williams/ dunkelblau). Seit dem Rennen in Monaco haben diese Rennställe die ersten fünf Plätze stets unter sich ausgemacht. Die Distanz zwischen den etablierten Konzern- und den unabhängigen Teams, sie wächst immer weiter. Ohne besondere Vorkommnisse lässt sich an den Machtverhältnissen kaum mehr rütteln.

Es hat allerdings etwas Tröstliches, dass selbst in der Welt, in der jeder Handgriff zigmal trainiert wird, gelegentlich etwas Ungeplantes vorkommt. In Silverstone trug das Unerwartete Schottenrock. Als die 20 Piloten ein Dutzend der 60 vorgesehenen Runden hinter sich gebracht hatten, stürmte auf der Hangar-Straight ein Demonstrant auf die Strecke: im Quilt, auf dem Kopf eine dunkelgrüne Kappe, in den Händen ein Plakat. Was ihn trieb, blieb zunächst unklar.

Angst vor dem Fortschritt kann es nicht gewesen sein. Furchtlos rannte er auf die herandonnernden High-Tech-Geschosse zu, das Plakat in seiner Hand flatterte dabei wie ein Tuch im Wind - ein Torero, der sich todesmutig einer Herde schnaubender Gegner stellt. Michael Schumacher musste ausweichen und gestand: "Ich habe mich erschrocken." Nachdem der 56-jährige Mann einigen weiteren Autos erschreckend nahe gekommen war, ließ er sich von einem Ordner widerstandslos von der Straße ziehen. Im Polizeigewahrsam offenbarte er sein Anliegen: Die Menschen sollten häufiger die Bibel lesen.

Proteste rund um die Grand-Prix-Rennen haben eine kleine Tradition. In Hockenheim lief vor drei Jahren ein Franzose auf die Strecke, um dagegen zu protestieren, dass Mercedes ihn nach 22 Jahren entlassen hatte. Passender Weise kostete das Mercedes-Pilot Mikka Häkkinen den Sieg und bescherte Rubens Barrichello die begehrte Trophäe. "Ich hoffe nur, dass es kein Brasilianer war", scherzte der Brasilianer Barrichello deshalb über den Torero von der Hangar-Straight, dessen Auftritt das Klassement reichlich durcheinander brachte. Weil die Stewarts das Safety Car ins Rennen schickten, um die Einlage in aller Ruhe zu beenden, bog annähernd das gesamte Feld ungewöhnlich früh zu einem ersten Tankstopp ab. In der Boxengasse brach daraufhin ein Tohuwabohu aus.

Von wegen Aufstand der Maschinen! Aus dem Kuddelmuddel, das der Mann im Schottenrock ausgelöst hatte, gingen Cristiano da Matta und Olivier Panis als Sieger hervor. Zwischen den beiden Toyota-Fahrer spülte das muntere Wechselspiel Kimi Räikkönen auf die Strecke zurück. Dessen WM-Konkurrent Michael Schumacher hingegen musste vor dem Reifenwechsel warten, bis die Boxenbelegschaft seinen Teamkollegen Barrichello abgefertigt hatte; so rangierte der Weltmeister nur auf Rang 14, als das Safety Car die Hatz freigab.

Was dann passierte, dürfte vor allem Max Mosley gefallen haben. Der Präsident des Automobilweltverbandes hatte sich im Winter ja eine Reihe neuer Regeln überlegt, um die Wettfahrten ein wenig abwechslungsreicher zu gestalten.

Durch den Zwischenfall in Silverstone entwickelten sich im Feld ungewöhnlich viele muntere Überholmanöver. Als die beiden Toyotas ihre zweiten Stopps einlegten, übernahm Kimi Räikkönen die Spitze, bis Rubens Barrichello forsch heranbrauste und sich in einem wilden Ritt vorbei schob. Wenig später zeigte Juan Pablo Montoya ein ähnliches Manöver, was ihm am Ende den zweiten Platz einbrachte.

Weniger auffällig kämpfte sich Michael Schumacher an zehn Kollegen vorbei. Im Ziel wies ihn die Ergebnisliste als Vierten aus; trotz all der Aufregung hat sich damit in der Weltmeisterschafts-Wertung wenig getan. Statt mit acht Punkten Vorsprung führt Schumacher jetzt mit eben sieben Zählern vor Kimi Räikkönen.

René Hofmann

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