Formel 1:Lächelnd im Orkan

Lesezeit: 2 min

Nach zwei zweiten Plätzen erlebt Nick Heidfeld aufregende Tage - seine Formel-1-Zukunft ist trotz der Erfolge ungewiss.

Von René Hofmann

Nick Heidfeld ist angekommen. Endlich. Nach fünf Jahren in der Formel 1 darf er nun so richtig mitspielen. Am Morgen ist er mit dem Auto aus Zürich gekommen. Gleich darauf hat er begonnen, Autogramme zu schreiben. Jetzt steht er in einem frisch gebügelten BMW-Hemd in einem gläsernen Pavillon in der Münchner Innenstadt und gibt Interviews. Um ihn tobt ein Orkan. Blitze zucken, Mikrofone recken sich ihm entgegen, rund 200 geladene Gäste versuchen, einen Blick auf ihn zu erhaschen. Hostessen zwängen sich durch die Menge. Auf den Tabletts balancieren sie Ölfässchen mit Caipirinha und Traubensaft-Prosecco, in dem blinkende Eiswürfel schwimmen. Verrückter als die Formel 1 ist nur der Hype, der sie umgibt. Gleich muss Heidfeld weiter. Sich umziehen. Das Fernsehen wartet. Auch dort soll der 28-Jährige im Mittelpunkt stehen, bei Blickpunkt Sport. Danach: zurück auf die Autobahn. Am Dienstagmorgen startet sein Flieger nach Montreal, wo am Sonntag das nächste Rennen ansteht.

Nick Heidfelds Leben hat sich gründlich gewandelt, seit ihm zuletzt zwei zweite Plätze glückten und er in der WM-Wertung an den Schumacher-Brüdern vorbei auf Rang vier rückte. "Derzeit bester deutscher Formel-1-Pilot", die Floskel bekommt er an diesem Tag bestimmt hundert Mal zu hören. Heidfeld reagiert darauf immer gleich: gelassen lächelnd.

"Grundsätzlich ist es mir egal, wen ich hinter mir lasse", sagt er. Seine Aussichten bei den nächsten Rennen? "Aus eigener Kraft können wir noch nicht gewinnen. In Frankreich bekommen wir ein neues Aerodynamik-Paket. Damit sollten wir ganz vorne dabei sein." Sein prägendstes Erlebnis in dieser Saison? "Wie gut das Team das Auto seit den ersten Tests weiterentwickelt hat." Wann er seinen ersten Sieg feiert? "Hoffentlich noch in diesem Jahr." Impulsives sollte niemand erwarten. Heidfeld tritt auf, wie er fährt: besonnen, ein wenig zurückhaltend und deshalb leicht zu unterschätzen. Er sagt: "Im Moment erlebe ich die beste Zeit seit langem!" Er sagt nicht: "die beste Zeit meines Lebens." Die vergangenen Jahre haben ihn gelehrt, wie schnell sich die Dinge ändern können.

Etliche Male ist er schon zwischen politische Fronten geraten, einige Male sah es schon so aus, als sei seine Formel-1- Karriere zu Ende. Mercedes protegierte Heidfeld in die Königsklasse, doch als er bei den Mausgrauen nicht fahren durfte, erfuhr er, welchen Nachteil ein langfristiger Vertrag haben kann: Für alle anderen Top-Teams war er tabu. Drei Jahre lang zeigte er bei Sauber recht ordentliche Leistungen. Gehen musste er danach trotzdem, weil sich der Schweizer Privatier frischen Wind in seinem Rennstall wünschte. Für ein Jahr verdingte sich Heidfeld bei Jordan, wo er kaum Geld bekam und so manch' böse Überraschung erlebte: Als sich in der Saison plötzlich Williams für ihn interessierte, verlangte Jordan für einen kurzen Test eine saftige Leihgebühr. Williams lehnte dankend ab.

Nick Heidfeld kennt schon einige Tiefen des Geschäfts, und eine weitere könnte er bald kennen lernen. Trotz seiner zuletzt erlesenen Ergebnisse ist seine Zukunft unsicher. Williams hat für das kommende Jahr eine Option auf Jenson Button. Ob der britische Rennstall den Briten verpflichten kann, hängt von dessen Abschneiden bei BAR-Honda ab, und wohl auch davon, wie es mit der Partnerschaft mit seinem Münchner Motorenlieferanten weitergeht. BMW erwägt, Sauber ab 2006 ebenfalls mit Triebwerken zu beliefern. Über eine weitergehende Partnerschaft, womöglich gar eine Übernahme der Firma, wird in der Fachpresse heftig spekuliert. Einen "Poker um Power" nennt es die AutoBild motorsport, in der auto motor und sport geht es romantischer zu: "Partnerwechsel - Der Ehe mit Williams droht die Scheidung." Die Motorsport aktuell hat erfahren, dass Teamchef Frank Williams bereits einen Kurztrip nach Japan antrat, dem Land, aus dem unter anderem die Honda-Motoren kommen.

Die Lage ist gerade ein wenig unübersichtlich, und mittendrin steht Nick Heidfeld, der derzeit beste deutsche Formel-1-Pilot. "Für mich", sagt der gelassen lächelnd, "ist das eine recht bekannte Situation."

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: