Formel-1-Kolumne: Abgefahren:Ruhm für die Heimat

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Bei der Fußball-EM erlebt man gerade wieder, wie schnell die Stimmung hochkocht, wenn Sportler nicht nur Geld jagen. In der Formel 1 scheint das nicht anders zu sein - außer bei den Deutschen.

René Hofmann

Am Freitag war die Aufregung groß am Circuit de Nevers. Lewis Hamilton hatte anklingen lassen, dass er die Gebühren für den Formel-1-Führerschein zu hoch findet und es für gar keine schlechte Idee halte, wenn die Kollegen deswegen über einen Streik nachdächten. Findige britische Boulevard-Journalisten bastelten daraus die Schlagzeile, der bekannteste Autofahrer des Landes erwäge einen Boykott des nächsten Rennens, das ausgerechnet sein Heim-Grand-Prix in Silverstone ist. Nein, nein, nein, so sei das nicht gemeint gewesen, beeilte sich Hamiltons Arbeitgeber McLaren-Mercedes umgehend zu dementieren. Der WM-Zweite des vergangenen Jahres denke keinesfalls daran, die Wettfahrt auszulassen. Im Gegenteil: Er werde alles daran setzen, sie zu gewinnen. Für sich. Fürs Team. Fürs Vaterland.

Force-India-Pilot Adrian Sutil fuhr beim Rennen in Magny Cours als Letzter über die Ziellinie. (Foto: Foto: Getty)

Deutsche Fahrer enttäuschten

Nach dem Großbritannien-Grand-Prix steht das Rennen in Deutschland an. Das wird dieses Mal auf dem Hockenheimring ausgetragen, der zu dem Anlass ganz gut gefüllt sein soll. Der Kartenvorverkauf schnurrt. Auch, weil es dieses Mal gleich fünf Deutsche zu bewundern gibt: Timo Glock (Toyota), Nick Heidfeld (BMW), Sebastian Vettel (Toro Rosso), Nico Rosberg (Williams) und Adrian Sutil (Force India).

Über einen Boykott redeten die nicht in Magny-Cours, was sie auf der 4,4 Kilometer langen Asphaltschleife zeigten, war aber beinahe genauso geschäftsschädigend für ihren Heimatauftritt. Sutil: mit Abstand Letzter. Rosberg: überrundeter Sechzehnter. Heidfeld: Dreizehnter, acht Plätze hinter dem Teamkollegen. Vettel: Zwölfter. Glock: Elfter - eine halbe Minute langsamer als Mannschaftskamerad Jarno Trulli. Zum zweiten Mal nach dem Großen Preis von Spanien hieß es damit: Deutschland? Null Punkte!

"Das ist eine Katastrophe", stöhnte Nico Rosberg. "So schlecht wie seit einer Ewigkeit nicht mehr", grummelte Heidfeld. Die Ewigkeit reicht zumindest bis zum Türkei-Grand-Prix im Jahr 2005. In der Nationenwertung ist Schwarz-Rot-Gold jetzt deutlich zurück hinter Finnland (63 Punkte dank Kimi Räikkönen und Heikki Kovalainen), Brasilien (55/Felipe Massa, Rubens Barrichello, Nelson Piquet) und Großbritannien (47/Lewis Hamilton, David Coulthard, Jenson Button).

Ruhm für die Heimat

In Polen hat nur einer eine Formel-1-Lizenz: Robert Kubica. Er alleine kommt auf so viele Punkte - 46 - wie die fünf deutschen Piloten zusammen. Die Zahlen sind bloß eine Spielerei. Offiziell gibt es zwar eine Fahrer- und eine Konstrukteurs-, aber keine Nationenwertung - was schade ist. Impresario Bernie Ecclestone sollte sich überlegen, die Nummer ins Programm zu nehmen.

Bei der Fußball-EM lässt sich ja gerade wieder einmal erleben, wie schnell die Stimmung hochkocht, wenn Sportler nicht nur Geld jagen, sondern auch Ruhm für die Heimat. Auf diesem Weg ließe sich auch eine schöne alte Idee wiederbeleben. Ganz früher gingen die Rennwagen nicht so an den Start, wie es irgendeinem Sponsor gefiel, sondern in Nationalfarben. Die italienischen Mobile trugen Rot, die englischen Grün, die französischen Blau, und was aus Deutschland kam, war weiß.

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