Formel 1 in Hockenheim:"Nicht so schlimm!"

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McLaren-Chef Ron Dennis entschuldigt sich nach dem Rennen in Hockenheim bei Lewis Hamilton für den Fehler, in nicht an die Box zu holen. Der Sieger reagiert gelassen.

René Hofmann, Hockenheim

Im Ziel bekam der Sieger als Erstes eine Entschuldigung zu hören. Als Lewis Hamilton seinen McLaren-Mercedes beim Großen Preis von Deutschland nach 1:31.20,874 Stunden vor Nelsinho Piquet (Renault), Felipe Massa (Ferrari) und Nick Heidfeld (BMW) an der Zielflagge vorbeisteuerte, meldete sich am Funk Teamchef Ron Dennis zu Wort: "Entschuldige, dass wir es dir ein bisschen schwerer gemacht haben als nötig." - "Okay", gab der Pilot gelassen zurück: "Nicht so schlimm. Ich habe es genossen."

Sieg für Lewis Hamilton: Nach der Entscheidung von McLaren musste er hart für den Erfolg kämpfen. (Foto: Foto: dpa)

Wie schon vor zwei Wochen im Regen von Silverstone war Hamilton in Hockenheim wieder der dominierende Akteur. Zunächst sah es nach einem unaufgeregten Erfolg für ihn aus. Beim Start schob Hamilton sich als Qualifikations-Bester unbedrängt in Front. Sein Teamkollege Heikki Kovalainen wäre von Startplatz drei aus gerne an Ferrari-Fahrer Felipe Massa vorbeigezogen, schaffte es aber nicht. Der große Gewinner der ersten Runde war BMW-Fahrer Robert Kubica. Der Pole - als Siebter gestartet - zog auf der ersten Schleife an Kimi Räikkönen (Ferrari), Fernando Alonso (Renault) und Jarno Trulli (Toyota) vorbei und reihte sich als Vierter in den Autokorso ein.

Der Hockenheimring ist eine schöne Rennstrecke. Es gibt lange Geraden, enge Kurven und entlang der Start- und Zielgeraden ein Stadion wie sonst nur beim Fußball. Eine Garantie für Spannung ist all das aber nicht. In der ersten Viertelstunde meldete die Rennleitung nur einen außergewöhnlichen Vorfall: einen Dreher von Adrian Sutil im Force India. Hamilton bestimmte an der Spitze mühelos das Tempo. Nach neun Runden war er sechs Sekunden voraus, nach 14 gut neun. Als Hamilton in Umlauf 18 zum Reifenwechsel abbog, waren es elf. Massa fuhr zwei Umläufe mehr. An der Reihenfolge änderte das nichts. Bis zur Runde 36 ging es an der Spitze in der gewohnten Reihenfolge dahin.

Dann sorgte ein spektakulärer Unfall für Aufregung. In der Rechtskurve vor der Zielgeraden lassen sich die Piloten auf dem Hockenheimring weit nach außen tragen. Oft preschen sie dort mit einem Rad durchs Gras, was viel Staub aufsteigen lässt. So hielt es auch Timo Glock. 35 Mal. Beim 36. Ritt über den Randstein brach die Aufhängung des rechten Hinterrads. Glocks Toyota schleuderte mit hoher Geschwindigkeit rückwärts in die Mauer zwischen Strecke und Boxengasse. Die Folge war ein weit ausgedehnter Trümmerteppich. Damit die Helfer Zeit hatten, ihn sorgfältig aufkehren zu können, wurde das Safety Car losgeschickt, um das Feld zu zügeln.

Glock überstand den Einschlag auf den ersten Blick ohne größere Verletzungen. Benommen ließ er sich von zwei Helfern aus dem Wrack ziehen. Er hielt sich den Steiß und wurde vorsichtshalber zur Untersuchung ins Streckenkrankenhaus gebracht. An den Kommandoständen löste sein Unfall hektisches Treiben aus. Die Strategen rechneten flugs hoch: Ist es clever, in der Phase des gezügelten Tempos so viel Benzin zu fassen, um das Rennen beenden zu können? Ferrari kam zu der eindeutigen Antwort "ja" und bestellte Massa und Räikkönen ein. McLaren kalkulierte mit einer kurzen Safety-Car-Phase, ließ Spitzenreiter Hamilton weiterfahren und tankte lediglich Kovalainen auf. Ein Fehler. Der aber sorgte für ein furioses Finale.

Da war noch Piquet

Das Tankfestival hinter dem Safety Car würfelte das Feld durcheinander. Als Hamilton 16 Umläufe vor dem Ziel ein zweites Mal Benzin fassen musste, fiel er auf Position fünf zurück. Auf frischen Reifen und mit seinem überlegenen Auto griff er von dort aus an. Sein Teamkollege Heikki Kovalainen ließ ihn auf Geheiß von Ron Dennis vorbei, der seinen Angestellten dafür lobte: "Heikki ist ein Gentleman. Das war ein sehr sportliches Verhalten." Ob das die Sportkommissare auch so sehen? Eigentlich ist eine Team-Order verboten.

Gegen Heidfeld und Massa hatte es Hamilton nicht so einfach. Gegen die beiden musste er zeigen, wie wild entschlossen er war, den ersten Mercedes-Erfolg in Hockenheim seit Mika Häkkinens Sieg 1998 einzufahren. Weder der Deutsche noch der Brasilianer konnte den Briten lange aufhalten. "Danach habe ich gedacht, dass ich es geschafft hätte", sagte Hamilton. Hatte er aber nicht. Vor ihm lag noch Nelsinho Piquet. Der Brasilianer, der in seinem Renault als Siebzehnter ins Rennen gegangen war und kurz vor Glocks Unfall randvoll getankt hatte, glückte der überraschendste Coup des Nachmittages: Ohne Hamilton hätte er dank der gewagten Strategie gewonnen.

Sieben Runden vor Schluss stürmte Hamilton aber auch an ihm vorbei. "Überirdisch", lobte Mercedes-Sportchef Norbert Haug. Mit seinem vierten Saisonerfolg setzt Hamilton sich in der Fahrerwertung mit 58 Punkten nun eindeutig an die Spitze vor den beiden Ferrari-Fahrern Massa (54 Punkte) und Räikkönen (51). Ein richtungsweisendes Ergebnis wollte Berater Michael Schumacher am Ferrari-Kommandostand darin aber nicht sehen. "Das Kräfteverhältnis hat sich in diesem Jahr schon einige Male verschoben", sagte er. Das nächste Rennen findet in zwei Wochen in Budapest statt.

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