Formel 1 in China:Die Gladiatoren haben Spaß

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Einer liegt ganz vorne, aber zwei sind zufrieden: Lewis Hamilton mag es, von Sebastian Vettel herausgefordert zu werden.

Von Elmar Brümmer, Shanghai

Der Große Preis von China ist die Probe aufs Exempel: Bestätigt Sebastian Vettel die Ferrari-Frühform von Melbourne und holt auch auf dem Shanghai International Circuit die Sterne vom Himmel? Zunächst liegt bei der Revanche unter erschwerten Bedingungen und nach einer Wunder-Runde von Lewis Hamilton in der Qualifikation die gleiche Ausgangsposition wie schon zum Saisonauftakt vor: Silber vor Rot in der ersten Startreihe, und mit Valtteri Bottas und Kimi Räikkönen auch in Reihe zwei farblich genauso gemischt. Das perfekte Quartett für den Rennstart am Sonntag (8 Uhr MESZ/RTL).

Zweite Pole der Saison, sechste in Serie, sechste insgesamt für ihn in Shanghai, die 63. seiner Karriere: Lewis Hamilton hatte nach dem ersten Rennen angekündigt, dass jetzt noch mehr Feuer in ihm brenne - exakt das hat er im Yangtse-Delta unter Beweis gestellt. "Der König des Qualifyings", heißt es bei der BBC. Der 32-Jährige ist einer, der das Limit immer weiter herausschiebt. "Ein interessantes Wochenende, eine richtige Herausforderung. Aber wir haben den Nagel auf den Kopf getroffen, die richtige Balance gefunden. Die Ferraris sahen so schnell aus, da wussten wir, das wird eine enge Kiste", bilanzierte der Brite über den Druck auf die Silberpfeile: "Also mussten wir alles rausholen und eine perfekte Runde hinlegen." Was ihm gelang. Sebastian Vettel war ähnlich gut gelaunt, dass sich das Duell fortsetzt: "Das hat Spaß gemacht! Ich habe mir zwar gewünscht, schneller zu sein, aber ich kann zufrieden sein. Ich habe auf der entscheidenden Runde vielleicht ein bisschen zu früh gebremst, aber es war unheimlich eng."

Dreieinhalb Sekunden schneller als im Vorjahr

Eine Qualifikation ohne große Tests, damit war tatsächlich ein Stück von dem Gladiatorentum gefragt, das sich die Herren Rennfahrer in diesem Jahr so ersehnen. Die Piste mit ihren langen und schnellen Kurven und den extensiven Geraden fordert körperlich viel - und viel mehr als in der vergangenen Saison. Genau das, was Sebastian Vettel und Lewis Hamilton wieder den Spaß an ihrem Berufsstand zurückgebracht hat. Und so haben die beiden Favoriten auch um die Pole-Position gekämpft, mehr als dreieinhalb Sekunden schneller als im Vorjahr.

Spornen sich gegenseitig zu Höchstleistungen an: Ferrari-Fahrer Sebastian Vettel und Mercedes-Pilot Lewis Hamilton. (Foto: Andy Wong/AP)

Rot und Silber in ihrer eigenen Champions League, gut eine Sekunde schneller als die Besten des Rests. Ein solcher Zweikampf ist genau das, was sich die Regelhüter vom neuen Reglement erhofft hatten - und die ersten beiden Abschnitte der Qualifikation haben das auf muntere Art und Weise bestätigt. Denn im letzten Versuch der zweiten Ausscheidungsrunde legte Kimi Räikkönen, der in Shanghai noch nie ganz vorn stand, vor - und unterbot als Erster den Rundenrekord von Michael Schumacher aus dem Jahr 2004, dahinter dann Vettel, Hamilton und Bottas. Ein Quartett für den Sieg im zweiten Rennen der Saison?

Im entscheidenden Abschnitt legte Hamilton vor, so aggressiv, dass sein Silberpfeil einmal kurz querstand. Doch die Runde war so gut, dass er am Ende locker die Bestzeit behielt, vor Vettel, Bottas und Räikkönen. Auf den letzten Versuch würde es also ankommen. Wieder geht der Brite als Erster raus, fährt absolut am Anschlag in der brutalen, wie eine Schnecke aus Asphalt geformten Kurve. Vettel hinkt da schon hinterher. Hamilton unterbietet seine Bestzeit nochmal um zwei Zehntel, da kommt der Heppenheimer trotz Steigerung zum Schluss nicht mehr ran, schafft es aber erneut in die erste Startreihe, um die Winzigkeit von 0,001 Sekunden. Dahinter Bottas und Räikkönen. "Das war superknapp, genau wie es sein soll", frohlockt Mercedes-Teamchef Toto Wolff, der erfolgreich gegen Niki Lauda auf diesen Ausgang gewettet hatte. Mit Insider-Wissen: "Der Lewis macht einfach den Unterschied, wenn es richtig um die Wurst geht..."

In der Prognose für Sonntag: Regen und kühlere Temperaturen

Shanghai bietet außerdem eine (unfreiwillige) Probe für die Pläne, die Rennwochenenden zukünftig auf Samstag und Sonntag zu konzentrieren, damit den Zuschauern mehr Action geboten wird. Die Formel 1 ohne ihren Zahlen-Fetischismus, das wäre etwas Neues. "Uns fehlen schon eine Menge an Daten", gesteht Renault-Werksfahrer Nico Hülkenberg, nachdem am Freitag nur 22 statt der üblichen 180 Trainingsminuten bestritten wurden, "das kann das Feld schon etwas durcheinanderwirbeln, ich hätte jedenfalls nix dagegen." Der Emmericher startet immerhin vom siebten Platz.

Mr. Pole Position: Zum sechsten Mal in Folge sicherte sich Lewis Hamilton die Spitzenposition in der Qualifikation. Der Rekord von Legende Ayrton Senna steht bei acht. (Foto: Andy Wong/AP)

Einfach drauflosfahren, wie schön wäre denn das? Aber natürlich ging es in der Probestunde vom Samstag auch wieder um Reifennutzung und die anderen komplizierten Mechanismen, die die Königsklasse schwerer verständlich machen. Tatsächlich unterliefen vielen Fahrern Fehler, der schwerste dem Ersatz für Pascal Wehrlein beim Sauber-Team, Antonio Giovinazzi. Der Italiener verlor in der Schlussrunde des ersten Abschnitts in der letzten Kurve die Kontrolle über den Sauber-Ferrari, der in den Reifenbarrieren landete, anschließend blockierte das Wrack die Piste - was zum Abbruch von Q1 führte.

Der Große Preis von China wird eine Fahrt ins Ungewisse bleiben, denn für den Sonntag sind weitere Regenfälle und eine starke Abkühlung angekündigt, die Karten könnten also wieder neu gemischt werden. Typisches Aprilwetter, multipliziert mit dem obligatorischen Smog. Der Automobilverband hat mitgeteilt, dass am Sonntag in jedem Fall gefahren wird - zumindest so lange der Rettungshubschrauber starten kann. Das hat finanzielle Gründe, weil man den Fernsehsendern und dem Veranstalter ein Rennen garantiert, aber auch rein logistische: Am Osterwochenende steht in Bahrain schon der nächste WM-Lauf auf dem Programm.

© SZ vom 09.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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