Formel 1:Dummer Zufall

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Mit Honda wollte Rubens Barrichello den Zenit seiner Karriere erreichen. Daraus wird wohl nichts.

René Hofmann

Natürlich ist es Zufall, aber für Rubens Barrichello ist es ein dummer. Im vergangenen Herbst entschloss sich der 33-Jährige, es im Herbst seiner Karriere noch mal bei einem neuen Team zu versuchen.

Wollte nicht mehr der ewige Zweite sein: Rubens Barrichello (links) mit Michael Schumacher, damals noch beide im roten Ferrari-Anzug. (Foto: Foto: AFP)

Weg von Ferrari, hin zum Honda-Team, das zuletzt Aufwärtstrend zeigte und jetzt, da der japanische Autokonzern den Rennstall komplett übernommen hat, auf den ganz großen Wurf hofft.

"Ich glaube fest daran, dass uns in diesem Jahr unser erster Sieg glückt", hat Rubens Barrichello im Winter gesagt, und wem er die Hauptrolle bei der Premiere zudachte, daran ließ er auch keinen Zweifel.

"Ich trete nicht an, um am Ende die meisten Rennen bestritten zu haben. Ich will mir meinen Traum erfüllen und gewinnen", hat er gesagt: "Noch habe ich meinen Zenit nicht erreicht, mit Honda kann ich das schaffen."

Davon kann bislang nicht wirklich die Rede sein. In kaum einen Training landete er vor seinem Teamkollegen Jenson Button. Drei Rennen sind bestritten. Rubens Barrichello wurde Fünfzehnter, Zehnter, Siebter.

Vor drei Wochen, beim Großen Preis von Australien in Melbourne, musste er vom sechzehnten Platz starten, weil er sich in der ersten Runde der Qualifikation von Yuji Ide im unterlegenen Super Aguri aufhalten ließ, im Rennen kam er dann sechs lange Runden lang nicht an Scott Speed und seinem in die Jahre gekommenen Toro Rosso vorbei.

Und ausgerechnet jetzt steht der Große Preis von San Marino an, in Imola, mitten in der Emilia Romagna, wo die Wagen mit den aufbäumenden Pferden auf der Haube gebaut werden, und die Ferrari-Leidenschaft leuchtend rot glüht.

Der Empfang in der alten Heimat dürfte ein hämischer werden. Sechs Jahre lang fuhr Rubens Barrichello für den Rennstall; seitdem er nicht mehr für ihn fährt, hat er sich auffallend oft auffallend zweideutig geäußert.

"Honda hat ein konkurrenzfähiges Auto, aber was noch wichtiger ist: Dort denkt man frei." - "Man will zwei guten Fahrern die Möglichkeit geben, anzugreifen. Auf diesen Weg hat man mehr Chance, Erfolg zu haben." -

"Als ich zu Ferrari gekommen bin, war ich aufgeregt, weil es das erste Mal war, dass ich in einem wettbewerbsfähigen Auto saß. Als ich von Ferrari wegging, hatte ich verstanden, dass es dort lediglich begrenzte Möglichkeiten gab. Michael Schumacher war länger dort, er konnte sagen, was er haben wollte. Ich bekam zwar das gleiche Material, musste mich zu Beginn jedes Wochenendes damit aber erst einmal zurechtfinden."

Gegen die Ehre

In einem Land, in dem die Familienehre viel gilt, kommt derlei schlecht an, zumal die Scuderia Barrichello aus seinem Vertrag entließ, bevor der abgelaufen war.

Der dringende Wunsch des Brasilianers nach Veränderung gab Teamchef Jean Todt die Gelegenheit, ein Talent auszuprobieren. Die Wahl fiel auf Felipe Massa.

Mit einem neunten und einem fünften Rang hat der zwar bislang ebenfalls noch nicht geglänzt, doch Jean Todt sagt: "Felipe ist ein sehr guter Fahrer, mit der Zeit werden die Menschen das begreifen", was wiederum indirekt als Stichelei gegen die alte Nummer zwei verstanden werden darf.

102 Rennen hat Rubens Barrichello für Ferrari bestritten, neunmal siegte er, 24 Mal wurde er Zweiter. So oft wie er hat in den vergangenen Jahren kaum ein anderer Pilot bei der Siegerehrung auf dem Platz rechts neben dem Sieger gestanden, weshalb es zu Saisonbeginn schon reichlich komisch wirkte, als Honda mitteilte, man habe einen Fahrer verpflichtet, "der weiß, wie man gewinnt".

Die letzte Meisterschaft, die Rubens Barrichello gewonnen hat, war 1991 die britische Formel 3. Warum es auch in diesem Jahr kaum klappen wird?

"Das Auto muss man anders fahren, als ich je gefahren bin", sagt Barrichello. Die Traktionskontrolle funktioniert anders als im Ferrari, "jedes Mal, wenn wir zu einem Rennen kommen, muss ich mich erst einmal daran gewöhnen."

"Ich erwarte nicht, dass es über Nacht besser wird", sagt der Teamchef Nick Fry, der über die Empfehlung seines Kollegen Gil de Ferran inzwischen wenig glücklich sein dürfte.

Der Brasilianer stieß im vergangenen Frühjahr als Sportdirektor zu Honda. Wenig später wurden die Verhandlungen mit seinem Landsmann und Freund Barrichello konkret. Beziehungen sind wichtig. Auch in der Formel 1.

© SZ vom 21.4.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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