Formel 1:Dilettanten-Ball

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Nach dem Ferrari-Triumph beim ersten Großen Preis herrscht bei den Herausforderern große Ernüchterung.

Von Elmar Brümmer

Die Frage, ob er vom Tempo der Konkurrenz überrascht war, mochte Kimi Räikkönen nur durch eine Gegenfrage beantworten: "Ich glaube, die waren eher von unserem Tempo überrascht..." Ein ähnlicher Entwicklungssprung wie bei der Schlagfertigkeit des finnischen Piloten ließ sich zum Saisonauftakt bei den Autos von McLaren-Mercedes nicht feststellen.

Mehr als sein Ausscheiden nach zehn Runden - mit dem ersten Motorschaden im Feld - ärgerte den WM-Zweiten von 2003 die Tatsache, dass er zu diesem Zeitpunkt nur auf Rang elf lag: "Das ist nicht der Platz, um den ein McLaren fahren sollte."

Ein Ehrenpunkt

Kollege David Coulthard holte als Achter lediglich einen Ehrenpunkt, nachdem sich das Team den Luxus geleistet hatte, ein ganzes Jahr an einem Silberpfeil zu basteln. Dem Schotten reicht schon niedere Mathematik, um vorzurechnen: "Wir müssen einfach mehr Leistung finden, denn den Speed von Michael Schumacher konnten wir nur als Traum ansehen."

Der Titelverteidiger eilte in seinem Ferrari mühelos vom besten Startplatz unbedrängt bis ins Ziel, wobei er den Teamkollegen Rubens Barrichello um 13,6 Sekunden distanzierte, Renault-Chauffeur Fernando Alonso um 34,6 und die beiden als Favoriten angerückten BMW-Williams von Ralf Schumacher und Juan Pablo Montoya um mehr als eine Minute. RTL-Lautsprecher Niki Lauda urteilte: "Die von den so genannten Top-Teams müssen sich alle genieren, sie sehen wie Dilettanten aus."

Ralf Schumacher gab zu: "Wir haben zwei blaue Augen und einen Tritt in den Hintern bekommen. Anderthalb Sekunden Rückstand pro Runde sind für einen, der Weltmeister werden will, durch nichts zu entschuldigen. Letztes Jahr wussten wir, dass wir nicht gut sein würden, diesmal dachten wir, wir wären schneller." Scheinbar aus dem Nichts heraus hat es Ferrari wieder auf die Spitze getrieben. Das neue rote Renncabrio ist effizient, leichtläufig und zuverlässig.

Rote Rivalen

Die Herausforderer hingegen hadern noch mit ihrem Zusammenspiel von Motor, Reifen und Fahrzeug. Mercedes-Sportchef Norbert Haug gestand in Hinsicht auf die roten Rivalen: "Das waren zwei Ligen, wie wir sie schon lange nicht mehr gesehen haben."

Auch BMW-Kollege Mario Theissen sagt: "Wir haben viel zu tun. Das Ergebnis entspricht nicht ganz unseren Erwartungen, insbesondere nicht der Abstand auf Ferrari." Trost findet Theissen beim Blick zurück: "Im vergangenen Jahr waren wir trotz eines zweiten Platzes in Melbourne sicher weiter weg vom Schuss als heute. Mitten in der Saison hatten wir dann das stärkste Auto. Wir werden im Laufe der nächsten Rennen sicher ebenso ordentlich nachlegen."

Mercedes-Sportchef Norbert Haug bleibt ebenfalls nur die Beschleunigung in eigener Sache: "Unser Ziel war es, vom ersten Rennen an um den Sieg zu fahren. Das haben wir ganz deutlich verfehlt. Ich will beim nächsten Rennen zumindest einen Trend nach oben sehen."

Der Silberpfeil vom Typ MP 4/19 ist ein "zweiter Aufguss" (auto, motor und sport), im Vorjahr war die Premiere mehrfach verschoben worden und fiel schließlich ganz aus. Das wurde noch damit gerechtfertigt, dass man eben "kein spätes Auto für 2003, sondern ein frühes für 2004" habe.

Konstanz fehlt

Doch offensichtlich fehlt es jetzt wieder an der nötigen Stärke und Konstanz. Zur Jahresmitte sind bereits neue Entwicklungsstufen angekündigt. Das alte, neue Drama? Haug räumt ein: "Wir sind vielleicht einen Weg gegangen, der nicht ans Ziel geführt hat, zumindest hat unsere Idee hier nicht funktioniert."

Das Tauziehen zwischen Fahrzeugbauern und Motorenmachern, im Vorjahr nicht selten halb-öffentlich ausgetragen, darf sich nach dem 150.gemeinsamen Grand Prix von McLaren und Mercedes nicht wieder einstellen. Haug: "Ich muss die Situation nicht kritischer schildern, sie ist kritisch genug. Alle sind ganz weit weg von Ferrari, aber wir sind dazu auch noch ein Stückchen weg von BMW und Renault. Doch Enttäuschung hilft uns nicht weiter - sonst fehlt die Kraft."

Nachteil Michelin

In Melbourne hatte sich zudem der Vorjahres-Vorteil der Michelin-Reifen in einen Nachteil für die Rennwagen von McLaren und Williams verwandelt. Die französischen Pneus waren starken Leistungsschwankungen unterworfen und wiesen das so genannte Graining auf, eine tückische und leistungsmindernde Körnchenbildung.

Ferrari-Lieferant Bridgestone schaffte seinen Durchbruch in der schwarzen Magie erst in der Woche vor dem Abflug nach Australien. War dieses Resultat denn ein harter Schlag für Sie, Herr Theissen? "Ich würde eher von einer Herausforderung sprechen. Ferrari hat gezeigt, dass es weiterhin der Maßstab ist."

Was macht Ferrari denn anders, Herr Haug? "Gewinnen."

© SZ v. 8.3.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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