Formel 1:Der Wirbelwind zieht weiter

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Mit Bowling und Backgammon zur Revanche: Nach einer ungewöhnlichen Vorbereitung hat Michael Schumacher auch den vorletzten WM-Lauf im japanischen Suzuka vor seinem Bruder Ralf (BMW-Williams) gewonnen- den ersten Grand Prix in der Formel-1-Geschichte, bei dem sich an einem Tag kein Rad drehte.

Der Taifun "Ma-on", Nummer22 in diesem Jahr, hatte am Wochenende Kurs auf den Kurs in Suzukaland genommen. Am Freitag peitschte heftiger Regen über die Strecke. Aus Furcht vor Windböen mit bis zu 220 km/h untersagten die Behörden am Samstag jegliche Ausfahrten, die Kommandostände, die Werbetafeln und alle Fernsehkameras wurden flugs abgebaut, das Qualifying auf den Sonntagvormittag verschoben, so dass Michael Schumacher fürchtete: "Sollte es ganz schlimm kommen, müssen wir am Montag oder am Dienstag fahren."

Doch so schlimm kam es nicht. In der Nacht auf den Sonntag änderte Ma-on seine Richtung. Als die Sonne aufging über Suzuka, war der Asphalt noch nass, aber Regen und Wind hatten sich nach Tokio verzogen. Pre-Qualifying, Qualifying, Rennen - binnen sieben Stunden mussten die Piloten das Programm von zwei Tagen bewältigen, und das unter recht unterschiedlichen Bedingungen.

Als Rubens Barrichello als Sieger des WM-Laufes in China den Reigen eröffnete, lag eine geschlossene Wolkendecke über ihm und eine durchgängig nasse Fahrbahn vor seinem Ferrari. Vorsichtig tastete sich der Brasilianer um die 5,807 Kilometer lange Schleife. Die nach ihm kamen, hatten es deutlich besser. Die Wolkendecke bekam Risse, die Strecke wurde trockener und damit schneller.

Bereits in dieser - an sich bedeutungslosen Runde - deutete Michael Schumacher an, dass an diesem schwülwarmen Sonntag wieder mit ihm zu rechnen sein würde: Er schob sich vor seinem Bruder Ralf an die Spitze. Lediglich einer war noch schneller als die beiden Brüder aus Kerpen: Jarno Trulli, der ehemalige Renault-Pilot. Zu seinem ersten Auftritt im Toyota spendierte ihm die Marke ein paar Kolben-Umdrehungen mehr und ein paar Liter Sprit im Tank weniger als üblich - so konnte sie beim Heimspiel zumindest kurz glänzen.

Head grummelt

Als es ernst wurde, reichte es für Trulli lediglich zu Startplatz sechs hinter den Honda-Rivalen Jenson Button und Takuma Sato. Rang drei ging überraschend an Mark Webber im Jaguar. Ganz vorne nahmen die Brüder Schumacher Aufstellung, in der Reihenfolge M. vor R. Der zuletzt so starke Rubens Barrichello musste sich mit Position 15 begnügen, womit bereits Vieles klar war.

"Wir haben das Rennen im Qualifying entschieden", gab Michael Schumacher hinterher an: "Dass wir im Rennen gut unterwegs sein würden, war mir klar." Der Konkurrenz ebenfalls, weshalb Williams-Technikchef Patrick Head von Ralf Schumachers zweitem Auftritt nach langer Verletzungspause nicht wirklich angetan war. "Die Pole Position wäre möglich gewesen", grummelte Head, der wohl schon ahnte, was im Rennen folgen würde: Eine weitere große Show des großen Schumachers.

Vom Start weg setzte der sich an die Spitze des Feldes. Nach einer Runde lag er 1,1 Sekunden vor seinem Bruder, nach der zweiten waren es 1,6, nach der dritten 1,8, nach der vierten 2,3. Die 18 anderen Fahrer spielten bereits zu diesem Zeitpunkt nur noch Nebenrollen. Die wechselnden Bedingungen hatten dafür gesorgt, dass in der Startaufstellung manch ein Schneller hinter vielen Langsamen stand.

Im ersten Drittel des Rennens entspannen sich deshalb einige nette Duelle: Jacques Villeneuve im Renault bremste als Neunter seinen Teamkollegen Fernando Alonso, Mercedes-Mann Kimi Räikkönen, BMW-Chauffeur Juan Pablo Montoya, Toyota-Recke Olivier Panis und Ferrari-Nummer-Zwei Rubens Barrichello. McLaren-Aussteiger David Coulthard legte sich mit Noch-Jaguar-Fahrer Mark Webber an.

Schumacher: Ein interessanter Sonntag

An der Spitze jedoch ging es unspektakulär zu. Als sich Michael Schumacher in der 13. Runde sieben Sekunden lang Sprit in den Ferrari schießen ließ, hatte er schon so viel Vorsprung gesammelt, dass er trotz des Boxenstopps in Führung blieb.

Ein deutlicher Beleg, dass an diesem Tag der beste Fahrer im besten Auto auf den besten Reifen unterwegs war. Bereits nach der Hälfte der zu absolvierenden 53 Kreisfahrten konnte Schumacher damit beginnen, sein Gefährt zu schonen. Nach 1:24:26,985 Stunden lenkte er es über die Ziellinie. Sein Bruder folgte mit einem ordentlichen Sicherheitsabstand von 14 Sekunden. 20 Sekunden zurück: Button im BAR-Honda.

"Ein interessanter Sonntag", fand Michael Schumacher. Ferrari-Stratege Ross Brawn vermutete: "Nach den letzten Rennen war er voll entschlossen, allen zu zeigen, dass er noch da ist." Nach der Krönung zum Weltmeister in Spa, hatte Michael Schumacher in Monza und in China gepatzt. Für ihn ging es in Japan deshalb weniger um WM-Punkte als um den Ruf - wie für seinen Bruder auch. "Ich war dem Team noch etwas schuldig", sagte der nach seiner besten Platzierung in diesem Jahr, und - an Teamkollegen Juan Pablo Montoya gerichtet: "Vielleicht gebe ich mein Bestes und er nicht mehr."

Montoya sucht das Spektakel

Montoya, der Siebter wurde, hatte bei einem Manöver recht dämlich ausgesehen. In der 20. Runde versuchte der Kolumbianer, sich am Toyota von Jarno Trulli vorbeizuschieben; dabei verbremste er sich und verlor zwei Plätze. "Das ist nunmal sein Wesen, er macht die spektakuläre Aktion", sagte BMW-Sportchef Mario Theissen auffällig gelassen.

Im kommenden Jahr darf Montoya das Spektakel für McLaren-Mercedes suchen - als Ersatz für David Coulthard. Der brillierte in seinem vorletzten Rennen für die Grauen auch nicht gerade. Im 38. Umlauf geriet er mit Rubens Barrichello aneinander. Die Folge der Berührung: Barrichello schied zum ersten Mal in dieser Saison aus, Coulthard zum vierten Mal. Die womöglich letzte Gelegenheit, etwas für sein Renommee zu tun, bekommt er in zwei Wochen beim Großen Preis von Brasilien in Sao Paulo.

© SZ vom 11.10.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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