Formel 1:Der Mann, der alles kann

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Formel-1-Rennfahrer Adrian Sutil ist erst einmal ins Ziel gekommen, sieht sich selber aber schon als künftigen Siegfahrer.

René Hofmann

Adrian Sutil hat ein Problem. Er kann angeblich alles. Und das auch noch so richtig gut. Klavierspielen zum Beispiel. Mit vier Jahren hat er damit begonnen. "Ich war ein guter Klavierspieler", sagt Adrian Sutil: "Ich hatte viele Auftritte." Konzertpianist ist er trotzdem nicht geworden. Lieber tobte er sich auf Inline-Skates aus. "Schon so richtig", sagt Adrian Sutil, "fast professionell." Die Narben an seinen Unterarmen erzählen davon. Irgendwann hat er auch Computerspiele für sich entdeckt, Renn-Simulationen im Internet. "Einige meiner Rekorde", sagt Adrian Sutil, "stehen heute noch." Richtig Auto fahren kann er auch. Richtig gut sogar, überall und unter allen Bedingungen.

Daumen hoch: Adrian Sutil. (Foto: Foto: dpa)

Findet Adrian Sutil zumindest selbst. "Stadtkurse liegen mir allgemein sehr", sagt er. Und: "Im Regen bin ich immer gut gewesen." Auch die Technik schreckt ihn nicht. "Ich traue mir schon zu, das Auto weiterzuentwickeln", sagt er. Im Sport gibt es ein Phänomen: Wenn Talente zum ersten Mal die ganz große Bühne betreten, verschlägt es vielen die Sprache. Weil die Kulisse sie überwältigt.

Bei Adrian Sutil ist das nicht so. Bei Adrian Sutil ist es eher umgekehrt. Seit Anfang des Jahres darf der 24-Jährige aus dem Münchner Vorort Gräfelfing in der Formel 1 antreten, beim niederländischen Spyker-Team, das nach fünf Rennen in so gut wie jeder Statistik ganz hinten geführt wird. Sutil selbst hat erst einmal die Zielflagge gesehen: beim Großen Preis von Spanien, als Vorletzter. In den ersten drei Saisonrennen kam er nicht einmal über die erste Kurve hinaus, in Monaco irritierte ihn zuletzt der nachlassende Druck auf dem Bremspedal; an der Kurve vor dem berühmten Casino setzte er seinen orange-farbenen Wagen gegen die Leitplanke.

Gerade einmal 225 Rennrunden hat Adrian Sutil bislang unfallfrei absolviert, aber er spricht schon wie einer, der seit Jahren dabei ist. Wem Stadtrennen zu gefährlich sind, "der hat in der Formel 1 nichts zu suchen", hat er jüngst den Kollegen bestellt, die die Frage aufgeworfen hatten, ob es eine kluge Idee sei, künftig häufiger durch dicht besiedelte Gebiete zu rasen. Zum zweiten Spyker-Fahrer, dem früheren Tourenwagen-Piloten Christijan Albers, sind Sutil auch einige kecke Sätze eingefallen. "So lange ich diesen Teamkollegen noch habe, muss ich sehen, dass ich ihn schlage", sagt Sutil. Irgendwann müsse man allerdings schauen, "dass das ganze Team nach vorne kommt". Im Klartext heißt das: Der Trödler hält den ganzen Laden auf und sollte so schnell wie möglich entlassen werden!

Solch wenig bemäntelte Forderungen sind selten in dem Geschäft. Von anderen Neulingen sind ähnliche Äußerungen nicht überliefert. Wer den Weg in die Formel 1 gefunden hat, muss als nächstes schauen, dass er seinen Teamkollegen hinter sich lässt. Der gilt stets als der erste Maßstab, und gemessen an dieser Marke ist Adrian Sutil tatsächlich ein guter Einstand geglückt: Viermal parkte er am Start vor Albers. Auch in den Trainingsläufen wirkt der Niederländer bisweilen wie ein Wohnwagen-Urlauber, der mit seinem Gespann auf der Autobahn wild ins Schlingern gerät, weil auf der Überholspur einer entschlossen mit Lichthupe ankommt. Seit dem Saisonauftakt im März in Melbourne unterliefen Albers so viele Fehler, dass er sich in der Tat um seinen Arbeitsplatz sorgen muss. Geschickt ließ Sutil ihn alt aussehen.

In Monaco beispielsweise, indem er sich mit dem unterlegenen Auto einmal überraschend an die Spitze der Zeitenliste setzte. Zwar nur im Training am Samstagmorgen, als es regnete und die meisten Top-Piloten die Zeitenjagd nicht mehr ganz so ernst nahmen. Aber immerhin: Die Nummer ließ aufhorchen und brachte Sutil gleich so viel Aufsehen, dass ihn Bild als Nachfolger für den bei Toyota chronisch glücklosen Ralf Schumacher ins Gespräch brachte. Ein Gerücht, das Sutils Manager am nächsten Tag umgehend dementierte, was seinen Klienten aber nicht davon abhielt, wenige Tage später beim Fitnesstraining mit der Münchner Abendzeitung durchblicken zu lassen, dass er sich für viel besser trainiert halte als Schumacher. Und zu sagen: "In der Formel 1 kann das schnell gehen und plötzlich sitzt man in einem Siegerauto."

Adrian Sutil plaudert gerne, und er hat auch einiges zu erzählen: Sein Vater ist Berufsmusiker, und natürlich gab es zunächst einmal Ärger, als der Sohn zu verstehen gab, dass er sich mehr zum schmierigen Motorsport hingezogen fühlte als zur feinen Musik. Mit dem professionellen Kartfahren hat Sutil vergleichsweise spät begonnen: mit 16 Jahren. Seitdem versucht er, die fehlende Erfahrung aufzuholen. Ein Jahr lang ist er in Japan angetreten, in einer Nachwuchsklasse. Adrian Sutil wäre nicht Adrian Sutil, wenn er beim Bericht darüber unerwähnt ließe, wie leicht sich viele Asiatinnen von einem 1,83 Meter großen Europäer in einem 220 PS starken Auto beeindrucken lassen.

Die Szene giert nach derlei Typen - vordergründig. Als Angestellte bevorzugen die großen Rennställe dann aber doch eher verschwiegene Diener. Wer es vom Ende der Boxengasse zu den Top-Teams nach ganz vorne schaffen will, muss nicht nur auf der Strecke die Ideallinie finden, dazu braucht es auch Geschick in der komplizierten Fahrerlager-Diplomatie. Aber das wird Adrian Sutil bestimmt auch noch lernen. Schließlich treibt ihn nach eigenen Angaben seit Kindestagen eine Sucht nach Perfektion, die ihn keinen Schlaf finden lässt, wenn die Schuhe nicht penibel nebeneinander stehen. "Ich bin ein extremer Perfektionist", sagt Adrian Sutil, "das kommt mir in der Formel 1 jetzt natürlich zu Gute."

© SZ vom 8.6.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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