Formel 1:Der Feind in meinem Team

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Halbzeit in der Formel 1: Das Gerangel um neue Verträge spitzt sich zu. Aufgrund der bisherigen Ergebnisse scheint sich einiges zu tun.

Von Elmar Brümmer

Rosenzüchter gelten als einfühlsame Menschen, weshalb anzunehmen ist, dass Ferrari-Stratege Ross Brawn etwa zur Mitte des Großen Preises von Kanada am vergangenen Wochenende einen fürsorglichen Funkspruch ins Cockpit von Wagen eins gejagt haben dürfte. Etwa in der Art: "Äh, Michael, erschrick' nicht, wenn Du gleich in den Rückspiegel guckst..."

Für viele Teams läuft es alles andere als rund (Foto: Foto: AP)

Es kommt schließlich nicht allzu häufig vor, dass Weltmeister Michael Schumacher das erlebt, was für den Rest des Feldes im Zuge der Überrundungen erschreckender Formel-1-Alltag ist: Dass von hinten ein rotes Auto heranschießt, sich in den Windschatten klebt und mal links, mal rechts nach einer Lücke sucht. So überlegen, dass er sich selbst überholen kann, ist der Sieger von sieben der bisherigen acht WM-Läufe nun doch noch nicht.

Es war also wirklich Rubens Barrichello, der für elf Runden richtig Druck auf den späteren Montreal-Sieger ausübte und erstmals seinen Vorsatz ausleben konnte, den viele nur für einen Selbsttrost halten: "Wenn ich gewinnen kann, darf ich gewinnen." Am Ende wurde der Schattenmann Dritter im Rennen, weil er zwar durfte, aber nicht konnte. Ein Fehler kostete Barrichello schließlich den zweiten Platz, den ihm Ralf Schumachers Disqualifikation wegen zu großer Bremskühlungen dann doch noch bescherte.

"Ich hätte mir den Sieg gewünscht", sagte Barrichello dazu: "Ich habe allen gezeigt, dass ich so hart kämpfe wie jeder andere auch." Trotzdem fällt der Il Messaggero das klare Urteil: "Der wahre Verlierer von Montreal ist nicht Ralf Schumacher, sondern Rubens Barrichello, der ewige Zweite."

Die Begründung findet sich im direkten Vergleich aus dem Qualifikationstraining: Acht zu Null steht es in dieser Statistik für Michael Schumacher, so klar ist kein anderes Binnenverhältnis in der Formel 1 geregelt. Rubens Barrichello, 32, scheint dem Champion zwar wirklich so nah zu sein wie nie zu vor - und ist dennoch so fern. Alles beim Alten also.

Komplizierte Beziehungskisten

Für die Formel 1 bedeutet das Gastspiel in Indianapolis am Wochenende Halbzeit, und die Jagd durch die Steilkurve taugt als Symbol für die Taktik in der entscheidenden Hälfte des Rennjahres. Von nun an geht es um neue Verträge, zumindest aber um die Position im Team fürs nächste Jahr.

Vereinfacht gesagt - um Alles oder Nichts, und ein Blick auf die aktuellen Beziehungskisten offenbart folgende Ausganglage: Alles anders bei Renault. Fernando Alonso, der Überflieger des Vorjahres und mit erst 22 Jahren immer noch in der Lage, jüngster Weltmeister zu werden, hat in dem um biblische sieben Jahre älteren Jarno Trulli plötzlich jemanden vor sich, mit dem er nicht gerechnet hat.

Mit dem überhaupt niemand gerechnet hat. Nicht mal Renault-Statthalter Flavio Briatore, der beide auch privat managt. Aus einem typischen Bei-Fahrer, der mehr mit sich selbst zu tun hatte als mit den anderen kämpfte, ist ein Winner-Typ geworden, mit seinem ersten Sieg in Monte Carlo als vorläufiger Krönung. Die Konkurrenzfähigkeit bei Renault bezieht sich nicht nur aufs Auto.

Alles Frust bei BMW-Williams: Nicht den Bremsen, sondern dem Druck auf sich selbst müssten die ehemaligen Titelfavoriten dringend Luft verschaffen. Das Ergebnis in Montreal war ein Anfang, doch die Disqualifikation ist typisch für das Schicksal von Juan-Pablo Montoya und Ralf Schumacher.

Weit hinter den eigenen Erwartungen zurück: BMW-Williams (Foto: Foto: AP)

Auf der Rennstrecke sind beide immer voll da, ansonsten wirken sie so, als ob sie schon fast weg wären - bei all den Rückschlägen nicht verwunderlich. Paradox dabei: Ralf Schumacher ist heißblütiger denn je; Montoya gibt den Stoiker. Vielleicht stünde ein Rollenwechsel allen gut zu Gesichte, dem Team inklusive.

Alles Lust bei BAR-Honda: Jenson Button hat Jacques Villeneuve ausgesessen und wird als Erster der Nicht-Ferrari-Wertung zur Lichtgestalt der Formel 1, da mit 24 auch noch Starschnitt-kompatibel. Der Brite ist clever, und Kollege Takuma Sato smart- der fährt aber leider nicht immer so. Auch der Japaner wäre ein Entdeckung des Jahres, wenn er nicht fünf Motorschäden in acht Rennen zu beklagen hätte. Hat keiner mitbekommen, das Sato nicht mehr Testpilot ist?

Alles Zufall bei McLaren-Mercedes: Der ausrangierte David Coulthard hat nichts mehr zu verlieren, und fällt prompt aus der Rolle des braven Konzernangestellten. Er monierte als Erster, dass man sich in Sachen Form des Silberpfeils über den Winter etwas vorgemacht hatte - eine späte Emanzipation. Der eigentlich schnellere Kimi Räikkönen, fünfmal Technik-Opfer, schluckt seinen Frust runter. Da er ohnehin nicht zu den Lautsprechern der Branche gehörte, fällt das aber kaum auf. Echter Still-Stand.

Römisches Eichhörnchen

Alles Paletti bei Sauber: Giancarlo Fisichella, der immer noch seinen späten Traum von einem Ferrari-Cockpit träumt, bedient sich hartnäckig der Eichhörnchentaktik, die man dem Lebemann gar nicht zutraut. Immer, wenn Autos der großen Teams ausfallen, ist der Römer mit taktischem Geschick und ambitionierter Fahrweise da, um die Punkte aufzusammeln.

Ob sich der größte Wunsch des 31-Jährigen aber je erfüllen kann? Kompagnon Felipe Massa, 23, hat nach einem Lehrjahr zwar meist das Nachsehen, aber den Sohn von Jean Todt zum Manager.

Alles andere als hoffnungslos ist Nick Heidfeld, was für seinen Jordan-Rennstall leider nicht gilt. Der Mönchengladbacher kämpft mit Widrigkeiten und Zufälligkeiten eines Geiz-ist-Geil-Teams. Dennoch ist er wenigstens eine Konstante in einem Umfeld, in dem das zweite Cockpit meistbietend versteigert wird. Alles nichts, oder?

© Süddeutsche Zeitung vom 18.6.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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