Folge des Fifa-Skandal:Geplatzte Liaison

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Interpol und das Nobelpreiszentrum gehen deutlich auf Distanz zum Weltfußballverband und wollen die Kooperationen, mit denen sich Noch-Präsident Sepp Blatter lange geschmückt hat, so schnell wie möglich beenden.

Von Thomas Kistner, München

Es war eine denkwürdige Selbstinszenierung im Mai 2012 beim Fifa-Kongress in Budapest: Ronald Noble trat als Überraschungsgast in die Bütt. Der Interpol-Generalsekretär legte dar, wie seine Organisation eine 20-Millionen-Euro-Spende des Fußball-Weltverbands verwendet. Vor allem aber nutzte er die Bühne, um Sepp Blatter zu danken und die Selbstreform unter dem Fifa-Boss zu loben. "Niemand kann bezweifeln, dass die Fifa-Führung echte Schritte unternimmt", sagte der Interpol-Chef. Hinter ihm auf dem Vorstandspodest thronte die mächtige Gestalt des US-Funktionärs Chuck Blazer, der zu der Zeit schon diskret mit dem FBI kooperierte. Wochen später horchte der Kronzeuge, gut verkabelt, sinistre Funktionärskollegen bei einem Treffen in London aus.

Auf Noble, der damals offenbar die Ermittlungsvorgänge in den USA gar nicht kannte, folgte beim Budapester Kongress die Direktorin des Osloer Nobelpreiszentrums. Sie präsentierte ein Kooperationsprojekt mit der Fifa, Shakehands for peace, und auch Bente Erichsen würdigte die hohen Werte, für die die Fifa stünde. Die zwei Elogen waren Balsam für Blatter, sie konterkarierten das Bild, das seine von Korruptionsaffären umtoste Fifa abgab. Gerade hatte der Europarat eine delikate Bestandsaufnahme zur Fifa vorgelegt und die - heute meist verschwundenen - Reformhelfer der Fifa aufgefordert, die Umstände von Blatters Wiederwahl 2011 aufzurollen.

Blatter hatte mit Interpol eine 20-Millionen-Spende vereinbart

Beide Institutionen suchen jetzt Distanz zur Fifa. Das Nobelpreiszentrum teilte auf SZ-Anfrage mit: "Wir überdenken die Verbindung mit der Fifa seit Monaten, aber natürlich haben die jüngsten Entwicklungen in der Fifa diesen Prozess beschleunigt." Der Verwaltungsrat habe die Geschäftsführung gebeten, "die Partnerschaft sobald als möglich zu beenden". Man wolle aber mit der Fifa darüber reden, den Friedens-Handschlag - eine Geste vor und nach der Partie zwischen Teamkapitänen und Referees - "auch ohne Beteiligung des Nobelpreiszentrums" fortleben zu lassen.

Zusammengebrochen ist auch das zweite Prestigeobjekt, das Blatter zu Beginn seiner vierten Amtszeit angeschoben hatte. Am 9. Mai 2011, drei Wochen vor seiner Wiederwahl und am Tag vor einer Korruptionsanhörung im britischen Parlament, hatten er und Interpol-Chef Noble aus dem Nichts eine 20-Millionen-Euro-Spende des Weltverbandes vertraglich vor der Presse besiegelt - die eigentlich deshalb angereist war, weil ihnen Enthüllungen zum Thema Spielmanipulation angekündigt worden waren. Blatter hatte die gewaltige Spende an seinem Vorstand vorbei ausgereicht - und Noble damals erklärt, die Vereinbarung sei nur binnen weniger Tage getroffen worden. Auslöser sei für ihn eine Zeitungslektüre gewesen, dass die Sportwettmafia ein Zentrum in Singapur habe - wo Interpol damals gerade mit dem Bau eines neuen Bürokomplexes begann.

Millionenspende und Kooperation mit der Fifa waren allein für die Bekämpfung der Spielmanipulation vereinbart. Trotzdem beteiligte sich Noble fortan kräftig an Fifa-internen Vorgängen, treu an Blatters Seite. Als der Fifa-Boss Ende 2011 ein Reformkomitee einsetzte, würdigte Interpol den Vorgang mit ellenlangen Presseerklärungen. Heute ist nicht nur der hausinterne Reformprozess gescheitert. Auch der frühere Fifa-Chefermittler Michael Garcia hat unter scharfem Protest hingeworfen. Garcia war 2012 als Vorsitzender der Ethik-Untersuchungskammer installiert worden - auf Vorschlag von Interpol-Chef Noble, den eine kollegiale Freundschaft mit dem US-Landsmann verband. Der Empfehlung Nobles war Blatters Vorstand gefolgt, zuvor hatte er gleich vier Personalvorschläge des für diese Aufgabe vorgesehenen Reformkomitees unter dem Schweizer Governance-Experten Mark Pieth abgelehnt.

Im November 2014 löste Jürgen Stock, zuvor Vizepräsident des Bundeskriminalamtes, Generalsekretär Noble ab. Doch die alten Verbindungen trägt Interpol als belastendes Erbe weiter mit. Auf SZ-Anfrage zum Stand der Kooperation teilte die Polizeiorganisation am Dienstag mit, dass Interpol von den 20 Fifa-Millionen bisher elf kassiert habe, die auf ein Spezialkonto für die Spielbetrugs-Bekämpfung geflossen seien. Rund drei Millionen seien noch übrig und "werden an die Fifa zurückgeschickt". Die restlichen neun Millionen stehen nicht zur Debatte, weil die Kooperation mit der Fifa ja bereits ausgesetzt sei.

Ein anderes Projekt, das Noble anschob, läuft indes noch weiter. Im Herbst 2012 besiegelte er mit einem Spross der Königsfamilie von Katar das Projekt Stadia, welches das Emirat mit insgesamt 13,36 Millionen Dollar finanziert, verteilt auf zehn Jahre. Interpol erklärte am Dienstag: "Projekt Stadia zielt darauf ab, ein Kompetenzzentrum und eine Verfahrensplattform für Interpol-Mitgliedsländer zu schaffen, um sie bei Planung und Lösung von physischen und Cyber-Sicherheitsfragen bei großen Sportevents zu unterstützen. Das zehnjährige Projekt gipfelt in der WM 2022 in Katar."

Noch ist aber offen, ob es dazu überhaupt kommt. Die Frage, wie die WM nach Katar kam, ist ja nun auch offiziell Gegenstand von polizeilichen Ermittlungen, in den USA, der Schweiz und anderswo. Ob diese Anbindung an die Katar-WM nicht ähnliche Risiken wie die geplatzte Liaison mit der Fifa berge, wollte Interpol nicht kommentieren.

© SZ vom 17.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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