Flügelflitzer:Jedem Rausschmiss wohnt die Drohung inne

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Das Leben als Fußballtrainer ist kein Picknick. Ruckzuck kann die Kündigung auf dem Tisch liegen. Schlimm, das. Doch sofort ist man bei anderen Krisenklubs im Gespräch und entwickelt sich zum Drohpotential.

Thomas Becker

Heute mal Literatur. Hermann Hesse respektive Werner Lorant. Die Geschichte vom Anfang, dem ein Zauber innewohnt, Sie wissen schon.

Enormes Drohpotential: Otto Rehhagel. (Foto: Foto: dpa)

"Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe Bereit zum Abschied sein und Neubeginne, Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern In andre, neue Bindungen zu geben."

Schön, das. Beherzigt Werner Beinhart konsequent. Neun Mal in sechs Jahren ereilte ihn zuletzt der Lebensruf - und schwups: Weg war er. So wie nun beim Istanbuler Kick-Klub Kasımpaşa Spor Kulübü. Es ging einfach nicht mehr. Obwohl kein Fußballtrainer, kannte auch Hesse dieses Gefühl:

"Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen, Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, mag lähmender Gewöhnung sich entraffen."

Jaja, das schon. Doch wer denkt an die anderen? Kaum ist der eine "in beidseitigem Einvernehmen" dem Lebensrufe gefolgt, steht er schon beim nächsten Krisenklub auf der Wunschliste. Chronisch unter Druck stehende Vereinsbosse nutzen den frisch Gefeuerten als Drohpotential. Gehört jener noch wie Lorant zur Marke "Der mit dem eisernen Besen kehrt" - umso besser! Damit lässt sich jenen Trainern prächtig Feuer machen, die als Softies und Spielerversteher gelten. Frag nach bei Doll, Slomka & Co.! Und den Spielern erst recht: Wer wird in Hamburg wohl dem Knurrer Stevens folgen? Einem Klubchef kann nichts Besseres passieren als eine Arbeitsmarktbelebung durch Schleifer wie Otto Rehhagel, Egon Coordes oder Hermann Gerland. Wie sagte der gefürchtete Schachspieler Savielly Tartakower (1887-1956): "Die Drohung ist stärker als die Ausführung."

Beispiel Lorant: Der hatte schon als Spieler einen Ruf zu verlieren. Bernd Hölzenbein, einst Mitspieler bei Eintracht Frankfurt, sagte über L.: "Wenn mich mal ein Gegenspieler nervte, drohte ich ihm mit Werner. Nach dem Motto: Ich hetz den Lorant auf dich. Schon war Ruhe." Als Trainer machte L. genauso weiter, profilierte sich vor allem verbal: "Wer am Samstag nicht so läuft, wie ich mir das vorstelle, der kann ja am Sonntag noch laufen." Auch treffend: "Was soll ich mit den Spielern reden, ich bin doch kein Pfarrer." Das schafft ein klares Image, lässt keine Fragen offen.

Welchen Schrecken verbreiten schon jobsuchende Weichspüler wie Falko Götz, Andy Brehme, Jürgen Kohler? Eben. Fast genauso wenig wie die ewigen Scherzbolde Peter Neururer, Dragoslav Stepanovic oder die eher unfreiwillig komischen Hans-Peter Briegel und Lothar Matthäus - nicht zu gebrauchen für zum Erfolg verdonnerte Geschäftsführer.

Der VfL Wolfsburg hat die Zeichen der Zeit erkannt und sich gewappnet. Zum Trainerstab gehören neben Felix "Quälix" Magath die als harte Hunde ligaweit gefürchteten Assistenten Eichkorn, Leuthard und Hollerbach sowie ein Mann namens Drill, Jörg Drill. In dieser Hardcore-Truppe dürfte selbst für einen wie Lorant kein Platz mehr sein.

Doch der ist sicher längst dem Ratschlag Hesses gefolgt:

"Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden ... Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!"

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