Flügelflitzer:Generation Matschbirne

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Mit dem Rauswurf von Giovanni Trapattoni wird auch Andreas Brehme arbeitslos. Wieder mal. Aber seine Weltmeister-Kollegen machen es ja auch nicht besser. Die Helden von 1990 haben es einfach nicht drauf.

Jürgen Schmieder

Andreas Brehme wird sich ärgern: Nur weil Trapattoni es in Stuttgart nicht gepackt hat, erwischt es ihn als Dolmetscher und siamesischen Mode-Zwilling des Maestro gleich mit. Er muss gehen, wie zuvor schon in Lautern und Haching. Es will einfach nicht klappen mit der Trainerkarriere des WM-Helden von 1990. Am Outfit kann es nicht liegen: Brehme war zweifellos der schickste Co-Trainer in der Geschichte der Bundesliga. Immer zwei Meter hinter Trap, immer im gleichen hellbraunen Mantel wie der Chef - ein Bild für die Götter.

Und Philosoph ist er ja auch noch. Von ihm stammt der Sinnspruch: "Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß!" Der Dreck scheint unseren Helden von 1990 wahrlich an den Füßen zu kleben. Oder auch woanders. Denn wenn man sich mal genauer ansieht, was die alle heute so treiben, kann einem ganz anders werden.

Von Auswanderern und anderen tollen Würsten

Da gibt es zum Beispiel die Gruppe Ausland: Der Arbeitsmarkt in Deutschland sieht schlecht aus, woanders lässt es sich viel besser arbeiten. Also nichts wie weg.

Pierre Littbarski versuchte zuerst, Japanern das Dribbeln beizubringen, ehe er nun noch weiter weg, also nach Australien flog, um den FC Sydney zu trainieren. Die Liga gibt's erst seit 2005, da fühlt sich Litti pudelwohl. Sagt er. Kollege Guido Buchwald tummelt sich ebenfalls im sehr fernen Osten, bei den Urawa Red Diamonds, einem der bedeutendsten Vereine dieser Erde.

Lothar Matthäus macht mittlerweile auf Weltenbummler: Nach Österreich, Serbien und Ungarn wurde ihm Europa zu klein. Er suchte sich einen Klub in Brasilien und übt nun mit Athletico Paranaese. Intimfeind Jürgen Klinsmann geht ähnlich vor. Er trainiert zwar die Nationalelf, hält es aber in Deutschland einfach nicht aus. Kalifornien muss es sein.

In der zweiten Gruppe versammeln sich die Absteiger. Weltmeister waren sie, Champions-League-Sieger, deutsche Meister! Und nun? Thomas Berthold versuchte sich als Manager. Bei Fortuna Düsseldorf. In der Regionalliga. Und wurde entlassen.

Bei den anderen sieht es nicht besser aus: Klaus Augenthaler wurde erst in Nürnberg, dann in Leverkusen gefeuert. Sitzt mittlerweile im biederen Wolfsburg auf der Bank. Jürgen Kohler verschlug es nach Duisburg. Der "Fußballgott" spielte bei Juventus Turin! Bei den Bayern! In Dortmund! Und nun der MSV? Stefan Reuter dagegen möchte unbedingt Manager sein. Bei 1860 München. Tolle Wurst.

"Ich mach mal was ganz anderes"

Dann gibt es ein paar Helden von 1990, die ein neues Leben begannen. Bodo Illgner versucht sich als Schriftsteller mit dem Buch "Alles" - nur liest es keiner. Dafür stellt er Fotos seiner Frau Bianca auf die Homepage. Auch ein Zeitvertreib.

Raimond Aumann und Hansi Pflügler dagegen mögen es eher bodenständig: Sie betreuen die Fans respektive den Fanshop des FC Bayern. Null Einfluss, null Stress.

Und dann gibt es den Mannschaftsteil der Vergessenen und Verlorenen. Die bald in Sport Bild unter der beliebten Rubrik "Was macht eigentlich...?" auftauchen werden. Andy Möller: Hätte mal DFB-Trainer werden sollen, dann wieder Amateurcoach bei Eintracht Frankfurt. Irgendwie macht er aber gerade gar nichts.

Oder Olaf Thon. Der wollte unbedingt Trainer bei Schalke werden. Hat nicht geklappt. Dann eben Manager. Hat auch nicht geklappt. Wie, im Aufsichtsrat ist ein Plätzchen frei? Gut, mach' ich.

Ein weiterer Kandidat wäre beinahe Andreas Köpke geworden. Der hat bei Ufa gearbeitet, der Vermarkterfirma des 1. FC Nürnberg. Da wäre er wohl heute noch, hätte Klinsmann nicht Sepp Maier abgeschossen und seinen alten Kumpel ins Boot geholt.

Es ist eindeutig: Der Gewinn der Weltmeisterschaft 1990 war ein Fluch für die Spieler. Nach der Fußballerkarriere ging es steil abwärts. Mit fast allen.

Die größte Enttäuschung ist jedoch Rudi Völler: Der übernahm von Erich Superstar Ribbeck 2000 eine vollkommen intakte Nationalmannschaft, die bei den Buchmachern als Topfavorit für die WM 2002 galt. Manche sprachen gar von der "besten deutschen Elf aller Zeiten". Und was erlaube Rudi? Wird nur Zweiter, die leere Flasche...

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