Flavio Briatore:Der Padre kaut Nägel

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Teamchef Flavio Briatore taktiert um die Zukunft bei Renault - dabei geht es vor allem um finanzielle Zusagen.

Elmar Brümmer

Heimspiel, das ist im Rennsport so etwas wie eine Drohung. Die aufmunternden Zurufe gehen in der Motorendröhnung unter, das Fahnenmeer verschwimmt jenseits des Tempolimits, am Ende bleibt in den Köpfen von Fahrern und Ingenieuren nur die Erwartungshaltung.

Briatore taktiert. (Foto: Foto: AFP)

Das ist beim Großen Preis von Frankreich an diesem Wochenende nicht anders. Renault und Michelin, die diese Formel-1-Saison bisher dominiert haben, reisen zwar mit immer noch ordentlichem Vorsprung in die Einöde von Magny-Cours, aber der Druck ist größer geworden.

Titelverteidiger Fernando Alonso, der im Vorjahr zum ersten Mal seit 22 Jahren bei einem französischen Grand Prix wieder einen Renault zum Sieg chauffierte, sagt: "Im Sommer gewinnt oder verliert man die WM." In Nordamerika hat er gerade sechs Punkte auf Michael Schumacher eingebüßt, vor dem elften von 18 Rennen bleiben ihm aber immer noch 19 Zähler Vorsprung. Der Spanier weiß: "Wir müssen jetzt aggressiv weiterentwickeln."

Rein technisch geschieht das auf vollen Touren. Bevor im August die testfreie Sommer-Pause anbricht, haben die Renault-Techniker noch mal nachgelegt und einen neuen Achtzylinder eingebaut, der im Spitzentempo drei Stundenkilometer mehr schaffen soll.

Was die mittelfristige Zukunft angeht, gibt es bei allen Top-Rennställen noch Klärungsbedarf, die meisten Fragezeichen ranken sich jedoch um das Team aus der Pariser Vorstadt Viry-Chatillon, dessen größte Stärke es bisher war, keine Schwächen zu haben.

Nicht ohne den Pastakoch

Was Michael Schumacher für Ferrari bedeutet, ist Teamchef Flavio Briatore für Renault: quasi unverzichtbar. Die zur Schau gestellte Lockerheit des Italieners weicht hinter den Kulissen seinen eigentlichen Qualitäten: knallharter und nüchterner Disziplin, auch gegen sich selbst.

Ein eigener Pastakoch in der Team-Basis ist da der einzige Spleen, den er sich gestattet. Briatore, 56, hat seinen Vertrag mit Renault im Vorjahr nur um eine Saison verlängert. Er war sich nicht sicher, ob und wie der französische Staatskonzern der Formel 1 treu bleiben würde. Offenbar zweifelte auch Fernando Alonso, der nach dem Gewinn des WM-Titels verkündete, von 2007 an für McLaren-Mercedes fahren zu wollen.

Damit sind Briatores Sorgen nicht kleiner geworden. Sollte er seinen Vertrag noch mal verlängern, müsste er sich zweiteilen: Er ist immer noch am persönlichen Management von Fernando Alonso beteiligt, der dann für die Konkurrenz fährt. Aber selbst diese Sonderregelung würde ihm Renault-Chef Carlos Ghosn wohl einräumen.

Noch pokert Briatore, und nicht bloß ums eigene Gehalt: Abseits aller Koketterie, wie viele Millionen andere fürs Hinterherfahren hinauswerfen, sind die kolportierten 200 Millionen Euro Etat im Wettrennen der großen Automobilwerke auf Dauer zu wenig.

Geködert von der Konkurrenz

Kein Wunder, dass Briatore wie sein Ferrari-Gegenspieler Jean Todt am Kommandostand mit dem Nägelkauen angefangen hat. Auch er hofft anlässlich des Heim-Grand-Prix an diesem Wochenende auf klärende Worte der Konzernführung.

Dabei geht es vor allem um finanzielle Zusagen. Zum Jahresende zieht sich der Hauptsponsor, eine japanische Zigarettenmarke, zurück. Schon werden führende Renault-Techniker von der Konkurrenz mit entsprechend hoch dotierten Verträgen geködert.

McLaren hat schon den ersten Aerodynamiker abgeworben, an Chefingenieur Pat Symonds soll Ferrari interessiert sein, Briatore selbst wird mit einer Millionenofferte von Toyota gelockt.

Um Werbung in eigener Sache betreiben zu können, brauchen Briatore und Renault einen Top-Fahrer als Alonso-Ersatz für die kommende Saison. Daher rühren die verzweifelten Bemühungen, Kimi Räikkönen doch noch aus seinem Vorvertrag mit Ferrari loszueisen.

Giancarlo Fisichella, 33, ist mehr Trittbrettfahrer als Nummer eins. Dem finnischen Talent Heikki Kovalainen, 24, fehlt es noch an der Erfahrung. Ein zusätzlicher Wettbewerbsnachteil ist der sukzessive Rückzug von Michelin, nachdem Bridgestone für 2008 den Zuschlag für den Formel-1-Einheitsreifen bekommen hat.

An diesem Wochenende müssen Gegenwart und Zukunft es aber erst einmal mit der Vergangenheit aufnehmen. Ziemlich genau vor hundert Jahren wurde in Frankreich zum ersten Mal ein Grand Prix ausgefahren. Der Ungar Ferenc Szisz gewann ihn mit 32 Minuten Vorsprung - in einem Renault.

© SZ vom 15.7.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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