Finalserie im Basketball:Chemischer Vorteil

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Niemand zweifelt ernsthaft daran, dass Bambergs Basketballer ihren Meistertitel verteidigen. Genau darin liegt die Chance von Überraschungsfinalist Ulm.

Von Ralf Tögel

Für einen kurzen Moment wirkte Andrea Trinchieri wie ein Spaziergänger. Wie einer, der sich auf seinem Weg in die malerische Bamberger Altstadt mit ihrem barocken Charme in diese Basketballhalle verlaufen hatte. In eine besonders laute Halle, doch das schien den Spaziergänger nicht zu stören. Die Hände tief in den Hosentaschen, wanderte der Italiener ein paar Schritte zwischen Bank und Spielfeld hin und her, den Blick mal zu den Auswechselspielern, mal ins tobende Publikum. Was in seinem Rücken gerade geschah, schien ihn gar nicht so sehr zu interessieren. Musste es auch nicht. Der Trainer der Bamberger Basketballer wusste nur zu genau, wie vorzüglich seine Auswahl ihren Arbeitstag an diesem Sonntagabend vor einer Woche gestaltete. Es war der letzte der Halbfinalserie, ein Arbeitstag, der so grandios gelungen war, dass er dem Gegner FC Bayern München eine formidable Trainerdebatte beschert hat. Doch das ist eine andere Geschichte, die Bamberger wollen über Vergangenes sowieso kein Wort verlieren.

Das 3:0 in der Serie gegen den FC Bayern, diese Basketball-Demonstration gegen den vermeintlich ersten Herausforderer, hat den Titelverteidiger in eine gefährliche Höhe katapultiert. Wer bitte schön zweifelt denn nun ernsthaft daran, dass sich die Brose Baskets in der Finalserie, die am Sonntag (15 Uhr) mit einem Heimspiel beginnt, die Titelverteidigung vermasseln lassen? Vom Überraschungsteam aus Ulm, dem Siebten nach der Vorrunde, dem doch mittlerweile arg von Verletzungen gebeutelten Kontrahenten, der sich zwar bravourös bis ins Playoff-Finale gekämpft hat, aber gegen Frankfurt ungleich mehr Kraft gelassen hat als die Franken gegen die überforderten Bayern?

Fränkische Überflieger: Bambergs Nationalspieler Elias Harris beim Korbleger, da kann Münchens Alex Renfroe nur staunen. (Foto: Nicolas Armer/dpa)

Nun, zu allererst mahnen die Bamberger Protagonisten selbst. "Das ist natürlich ein sehr starker Gegner", sagt Nicolò Melli, seines Zeichens italienischer Nationalspieler. "Das ist eine gute Mannschaft, die stehen nicht so überraschend im Finale", sagt Elias Harris, Mitglied des deutschen Nationalteams. Und Trinchieri? Der pfiffige Italiener antwortet auf die Feststellung, dass doch wohl alle Vorteile auf Bamberger Seite liegen: "Damit stimme ich nicht überein. Basketball ist ein Spiel, das aus Fehlern von Menschen gemacht wird." Basta. Trinchieri will auch keinen physischen Verschleiß beim Gegner ausmachen. Für den Einbruch der Ulmer im Schlussviertel ihres vierten Halbfinalspiels gegen Frankfurt, als sie von ihrem 19-Punkte-Vorsprung gerade noch einen Zähler über die Zeit retteten, sieht Andrea Trinchieri ausschließlich mentale Ursachen. Es sei menschlich, dass sich die Spieler etwas voreilig am Ziel gewähnt hätten, er jedenfalls weigere sich zu glauben, dass diese Ulmer Mannschaft mit ihren Kräften am Ende sei.

Keine Ilusionen: Spielmacher Brad Wanamaker wird nicht in Bamberg zu halten sein

Es ist üblich, dass Gegner vor wichtigen Spielen groß geredet werden, schon um den eigenen Fokus zu schärfen. Doch bei aller bisher gezeigten Dominanz, trotz aller Wucht, mit der dieses so stimmig austarierte Ensemble von individuellen Könnern im Viertelfinale über Würzburg und im Halbfinale über die Bayern (jeweils 3:0) hinweggefegt ist, wirken die Aussagen der Bamberger nicht aufgesetzt. Vielmehr ist gerade diese Ernsthaftigkeit, mit der Trinchieri und sein Team jede neue Aufgabe angehen, ein Schlüssel zum Erfolg. Geschäftsführer Rolf Beyer glaubt, eine einzigartige Mischung gefunden zu haben.

Sportdirektor Daniele Baiesi, so erzählt Beyer, sei schon lange im Geschäft, der Italiener wurde bekanntlich vom NBA-Klub Detroit Pistons abgeworben, wo er das internationale Scouting verantwortet hatte. "Daniele sagte mir, dass er noch nie eine so stimmige Teamatmosphäre wie in dieser Mannschaft gesehen hat", sagt Beyer. Der Brose-Geschäftsführer verdeutlicht das an Yassin Idbihi. Der Center war vor der Saison in München ausgemustert worden, hatte in Bamberg wegen einer Verletzung einen schlechten Saisonstart und kam auch im Laufe der Saison nie so richtig ins Rollen. Doch wer Idbihi im jüngsten Spiel auf der Bank beobachtet hat, wie der Center mitging und seine Kameraden anfeuerte, der hat gesehen, dass Beyer recht hat, wenn er sagt: "Auch Yassin ist unheimlich wichtig für die Chemie in der Mannschaft." Woran sich auch in der kommenden Saison wenig ändern wird, denn nur die Verträge von Janis Strelnieks und Darius Miller laufen aus, bei beiden sei man "auf einem sehr guten Weg" in Sachen Verlängerung, teilt Beyer mit. Beim überragenden Brad Wanamaker indes geben sich die Verantwortlichen keinen Illusionen hin.

Der Spielgestalter hat durch seine Leistungen besonders auf sich aufmerksam gemacht, und der Amerikaner hat eine Ausstiegsklausel. Für einen relativ niedrigen sechsstelligen Betrag kann der 26-Jährige gehen, Interessenten gibt es in Europa genug. Auch solche, denen diese Summe nur ein Lächeln entlocken kann.

Selbst Ulms Coach Thorsten Leibenath gerät fast ins Schwärmen, wenn er über den Gegner spricht: Er könne keine Schwächen bei Bamberg entdecken, sagt er, individuell sei dieser Kader am besten besetzt im Ligavergleich und zeichne sich zudem durch eine hohe taktische Flexibilität aus. Seine Auswahl benötige ein "perfektes Spiel an beiden Enden des Feldes". Leibenath weiß aber auch um die große Chance: "Viele solcher Gelegenheiten bekommt man nicht", sagt der Trainer mit Blick auf den Titel - und erinnert daran, dass sein Team schon gegen den Vorrundenzweiten Oldenburg im Viertelfinale und gegen den Dritten Frankfurt im Halbfinale klarer Außenseiter war. Beide Gegner wurden trotz deren Heimvorteil jeweils 3:1 besiegt.

Trinchieri vergisst das nicht: "Wer im Finale steht, ist eine der beiden besten deutschen Mannschaften", stellt Bambergs Trainer fest: "Ulm hat sehr konstant sein Level erhöht, vor allem in der Defensive." Damit will er sagen, dass dieses Finale sicher kein Spaziergang wird.

© SZ vom 04.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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