Finale Deutschland - Schweden:Duell um die Vorherrschaft

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Im europäischen Finale der Frauenfußball-WM trifft das favorisierte Deutschland auf angriffslustige Schwedinnen.

Von Kathrin Steinbichler

Mit 76 Jahren weiß man, was wichtig ist. Also packte Eva Theune einen Koffer, flog ins sonnige Los Angeles und stellte sich an den Backofen.

Bundestrainerin Tina Theune-Meyer. (Foto: Foto: AP)

Dann rief sie ihre Tochter Tina Theune-Meyer und lud die deutsche Bundestrainerin und die gesamte Frauenfußball-Nationalmannschaft für Donnerstagnachmittag zu Streuselkuchen und Kaffee ein.

Die Spielerinnen sollten vor dem WM-Finale am Sonntag (19 Uhr/ ARD live) bei der fidelen Seniorin etwas zur Ruhe kommen.

Seit vergangenen Sonntag, als die Deutschen im Halbfinale Titelverteidiger USA mit einem spannenden 3:0 (1:0) aus dem Turnier warfen, fühlt sich die Mannschaft wie in einem brummenden Bienenstock: Die Interviewanfragen von Journalisten werden täglich mehr, beim Training und im Mannschaftshotel außerhalb von Los Angeles bleibt nichts unbeobachtet.

"Wir brauchen noch etwas Ruhe"

Dabei möchte die Bundestrainerin nichts mehr, als dass die Spielerinnen ihre Konzentration wieder finden. "Wir sind zwar alle stolz und haben ein gutes Gefühl, aber im Training merkt man, dass sich noch nicht alle erholt haben", sagt Theune-Meyer, "wir brauchen noch etwas Ruhe bis zum Finale."

Finale. Ein kurzes Wort, von dem Fußballer lange schwärmen können. Von den drei WM-Titeln der deutschen Männer 1954, 1974 und 1990 erzählen Zeitzeugen noch heute mit leuchtenden Augen.

In der Geschichte des Frauenfußballs gab es überhaupt erst drei Weltmeisterschaften. Nur die USA (1991, 1999) und Norwegen (1995) durften sich bislang mit dem Titel schmücken.

Wenn also am Sonntag im Home Depot Center im kalifornischen Carson Schiedsrichterin Floarea Cristina Ionescu aus Rumänien das Endspiel zwischen Deutschland und Schweden abpfeift, wird es einen neuen Weltmeister geben.

Während die Deutschen dabei von den US-Medien als klarer Favorit beschrieben werden, unterstreicht Bundestrainerin Theune-Meyer die Gefährlichkeit, die von den Schwedinnen ausgeht.

Elf Mal standen sich die beiden im europäischen Frauenfußball derzeit führenden Nationen gegenüber, nie gab es ein Unentschieden. Sechs Partien gewann Deutschland, fünf entschied Schweden für sich.

Erst 2001 gewann Deutschland vor rund 18.000 Fußballfans in Ulm das EM-Finale gegen Schweden durch ein Golden Goal in der Verlängerung. Ein Jahr später trafen sich viele der Spielerinnen beim ersten Uefa-Cup-Finale der Frauen wieder, und wieder unterlagen die Schwedinnen.

"Wir wissen, dass wir die Deutschen schlagen können"

Der deutsche Rekordmeister 1. FFC Frankfurt gewann vor 12.000 Zuschauern im Frankfurter Waldstadion gegen den schwedischen Meisterschaftsersten Umea IK mit 2:0.

Hanna Ljungberg, Topstürmerin aus Umea, haben sich diese Momente ins Gedächtnis eingebrannt. Beim Finale am Sonntag, sagt die 24-Jährige, geht es "nicht nur darum, ein guter Gegner für die Deutschen zu sein. Wir wissen, dass wir die Deutschen schlagen und den Titel gewinnen können."

Schließlich haben die Skandinavierinnen das in den jüngsten Begegnungen gezeigt. Beim Algarve-Cup im Februar 2002 besiegte die Mannschaft von Nationaltrainerin Marika Domanski-Lyfors Deutschland mit 2:1. Im März 2003 gelang Umea IK auch im Uefa-Cup-Halbfinale gegen den 1. FFC Frankfurt die Revanche und holte danach den europäischen Vereinstitel. "Die Deutschen machen hier einen sehr starken Eindruck", sagte Ljungberg, "aber ich freue mich schon auf sie."

"Die Chancen stehen 50:50"

Doch Maren Meinert will von Nervosität nichts wissen. "Ich habe großen Respekt vor den Schwedinnen", sagt die 30-jährige Offensivspielerin, die als eine von fünf Deutschen ins All-Star-Team der WM gewählt wurde, "sie haben ein ähnlich gutes Team wie wir. Wir werden also bestimmt nicht den Fehler machen, sie zu unterschätzen."

Aggressivität im Zweikampf, Laufbereitschaft, exzellente Technik und gutes Flügelspiel - die Liste dieser fußballerischen Vorzüge weisen beide Finalgegner auf. "Giftig, schnell, gewandt und torgefährlich", seien die Schwedinnen, sagt Theune-Meyer, "sie haben drei starke Offensivkräfte, sie kommen sehr gut über außen, und auch die Defensive ist sehr stark", zählt die Bundestrainerin auf, "die Chancen stehen 50:50."

Vor allem die beiden Stürmerinnen Hanna Ljungberg, in der vergangenen Saison mit 39 Treffern in der schwedischen Damallsvenskan erfolgreich, und Victoria Svensson (26, drei WM-Tore, drei Vorlagen) vom derzeit führenden Djurgarden/Alvsjo in Stockholm treiben Schweden an.

"Für Momente wie diesen quält man sich jahrelang"

Für ihr Spiel, das die Gegner früh unter Druck setzt, wurde Svensson jetzt ebenso wie Mittelfeldregisseurin Malin Moström (28, Umea IK) ins All-Star-Team berufen, während Schwedens Torhüterin Caroline Jönsson bei dieser Expertenwahl zum Ersatz hinter Deutschlands Torfrau Silke Rottenberg gewählt wurde.

"Wir werden unsere Form aus dem USA-Spiel wiederholen müssen", weiß Bundestrainerin Theune-Meyer. Im WM-Finale 1995 unterlag Deutschland Norwegen 0:2. Im zweiten Anlauf gegen ein skandinavisches Team will die deutsche Nationalelf endlich erfolgreich sein.

"Für Momente wie diesen quält man sich jahrelang", sagt Spielführerin Bettina Wiegmann, "jetzt wollen wir uns diesen Traum erfüllen."

© SZ vom 11.10.2003 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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